Danke für die lobenden Worte für meine Analyse; und irgendwie bin ich auch überrascht und froh, dass die Effi eine Diskussion auszulösen vermag.
Beschränken will ich mich bei meinem Beitrag aber vor allem auf die Schullektüre.
Ich kann für mich nicht so eine ausschließliche Ablehnung schulischer Interpretation finden. Vielleicht bin ich da inzwischen nostalgisch, aber in meiner Einbildung oder hoffentlich Erinnerung hing das natürlich allen voran mit dem Lehrkörper zusammen.
Dort wo unvorbereitete Lehrer/innen, ein nach Lehrplan mehr oder weniger oktroyiertes Buch und ein schnell greifbarer Literaturschlüssel zusammenkamen, war mein Eindruck so ähnlich wie der Huhns. Und das habe ich zutiefst verabscheut; das hat sich an der Uni jedoch auch nicht geändert, sodass Universitas und Schule da von mir ähnlich bewertet werden.
Jedoch dort, wo Lehrer/innen selbst Interesse hatten, und gleichzeitig weder versuchten ihr Bild aufs Buch noch den klassischen Lektüreschlüssel, sondern den Spaß an der Analyse und an dem Diskurs zu vermitteln, und ihre Einstellung dazu als Projektionsfläche hergaben, da kann ich mich gut daran erinnern und da hat mir auch die schulische Bearbeitung Spaß gemacht. Wenn das Ganze noch mit Kompetenzenschulung verbunden war, war es sogar sehr gut.
Ich bin da als Schüler vielleicht etwas binär gewesen, denn wenn die erste Variante der schlechten Vermittlung eintrat, habe ich das Buch nicht beendet, geschweige denn wirklich gelesen, auch wenn andere sicher sagen werden, dass es gute Bücher sind (und sie möglicherweise oder sogar wahrscheinlich recht haben).
Ich habe Deutsch nur als Fachergänzung studiert, aber das zusammen mit meinem historischen und philosophischen Studium hat mir sehr bei der Eröffnung von Literatur geholfen, obwohl ich natürlich auch einfach zur Zerstreuung lese. Deswegen bin ich da nicht mehr so binär; und ich habe gelernt, auch schlechte Bücher meist beenden zu können. Nicht immer, aber meist.
Aber um mal drei Beispiele zu nennen, die eher auf meinem Stapel der Schande durch die Schule liegen oder an die ich schlechte Erinnerungen habe.
Goethe - Die Leiden des jungen Werther: (Hier teile ich Jibas Ansicht, dass er eine männliche Effi ist, und komme auch zu der verwunderten Frage über den Werthereffekt). Das Buch habe ich tatsächlich nach meinem Schulleben noch beendet, und habe es für mich bereut. Ich habe da meine menschlichen Abgründe entdeckt, dass ich es Werther nach dieser Leseerfahrung gegönnt habe, dass er sich nicht einmal vernünftig erschießen konnte und elendig leidend vergeht. Darauf bin ich nicht stolz. Insofern hat es zumindest einen bleibenden Eindruck hinterlassen.
Patrick Süskind - Das Parfüm: Unser Lehrer war derartig von dem Buch überzeugt, dass es nur seine Meinung gab. Das hat mich schnell verloren. Ich mochte deswegen auch nicht die Verfilmung sehen. Das Schulquartal an diesem Buch war ein Graus, ein Trauma der Langeweile wie Huhn es mit der Effi-Analyse hatte.
Friedrich Schiller - Maria Stuart: Tatsächlich eines der wenigen Werke, von denen ich so gar nichts erinnere außer das Gefühl von erdrückender, interpretatorischer Langeweile. Auch da konnte ich mich bis heute nicht aufraffen, dem eine zweite Chance zu geben.
Es gäbe hier noch mehr Werke, wie Romeo und Julia von Shakespeare, Moon Palace von Paul Auster, Antigone von Sophokles oder auch Die Verwandlung von Kafka, die ich in schlechter Erinnerung durch die Schule habe.
Gleichwohl gibt es auch Werke, die mich langfristig mit Autoren verbunden haben und an die ich immer gerne zurückdenke.
Nancy H. Kleinbaums Buchadaption des Filmes
Dead Poets Society ist bei uns ausführlich besprochen wurden, aber unser Lehrer hatte ähnlich viel Feuer wie der Robin Williams gespielte John Keating. Bis heute denke ich gerne an die Zeiten zurück, die mir wirklich auch als Schüler Spaß gemacht haben.
In einem Deutschkurs hatte ich bei einem alternden Lehrer
das Feuerschiff von Siegfried Lenz gelesen, welches mir bis heute eines meiner liebsten Bücher und einer meiner liebsten Autoren ist. Alleine wie der ältliche, kurz vor dem Ruhestand befindliche Lehrer - der kurz darauf starb, als er den Ruhestand endlich erreicht hatte - die Lektüre für sich selbst wirken ließ, uns unsere Interpretation finden ließ, und dann gleichzeitig versuchte das Thema der Verantwortung durch Buch, Unterricht, Erschließen von Kompetenzen etc. zu vermitteln, ist für mich eine der großen Erinnerung meiner Schulzeit.
Und in ähnlicher Form gilt das für eine ältere Lehrerin, die mit ähnlich viel Emphase, wenn auch thematisch etwas anders, mit uns
Alfred Andersch - Sansibar oder der letzte Grund besprach.
Auch hier würde ich noch andere Werke finden, an die ich gute Erinnerung habe, wie Nathan der Weise von Lessing, Götz von Berlichingen von Goethe und Die Räuber von Schiller. Manchmal kann es also auch bei einzelnen Autoren sehr ambivalent sein, was man in Erinnerung hat. Goethe und Schiller waren mir sowohl hold als auch Schreckgespenster (und auch hier stimme ich mit Jiba überein, dass ich Schiller am Ende für besser erachte)
Danke also für die Diskussion an dieser Stelle, und schade, dass Chiarina sie nicht aus seiner Sicht spiegelt. Ich hatte immer ein wenig darauf gehofft, dass er Bücher irgendwo in diesem Rahmen so ähnlich liest wie er Musik hört (und andeuten tut er das ja häufig genug, dass er das hervorragend kann!). Das wäre ein Gewinn für alle Leser hier.
Ich denke aber auch, dass viele der Challangeteilnehmer beweisen, dass sie ungemein breitgefächert lesen und literarisch interessiert sind. Sicher gibt es auch den einen oder anderen, der einen gewissen Fokus auf das Phantastische hat. Aber da gilt ja auch weiterhin, dass jeder nach Fasson selig werden solle.