Es wäre nicht das erste System, das bei einem Editionswechsel das Abspringen alter, eingefahrener Spieler in Kauf nimmt, um dafür umso mehr neue Spieler zu requirieren, denen der neue Ansatz mehr zusagt.
Mich würde jetzt interessieren, ob diese Rechnung aufgeht.
Tja, das kann gut gehen und das kann schiefgehen. Das Argument dafür ist: Die Alten Spielen können ja weiter mit der letzten Edition spielen (und kaufen hoffentlich auch weiter Runs und Hintergrundbücher, die ja nicht so editionsabhängig sind) und mit der neuen Edition holen wir neue Spieler ins Boot, die mit dem alten System nicht so warm werden. Wenn man so kalkuliert sollte man aber konsequent Multistats in den Nicht-Regel-Publikationen verwenden.
Das Argument dagegen ist, dass gefrustete Stammspieler sich gerne mal komplett verabschieden und es sehr fraglich ist, ob man genug Spieler aus anderen Systemen abwerben kann um das zu kompensieren.
Mir ist die 6er aber immer noch zu umständlich, die Änderungen, die viele Altspieler kritisieren, gehen mir noch nicht weit genug (das selbe Problem habe ich mit DSA5).
Irgendwie steckt die RPG-Regelentwicklung da, wo die Softwareentwicklung um 2000 stand. Zu Beginn hat jede neue Edition brauchbare neue Funktionen gehabt, aber irgendwann ist der Punkt erreicht wo 99% der Features von 99% der Nutzer nicht mehr benutzt werden und nur noch als Ballast sind, der dafür sorgt, dass man die benötigten Features nicht mehr findet. Da man den Nutzer nicht mehr mit neuen Features reizen kann, wird mit jeder neuen Edition die gesamte Oberfläche umgebaut, damit der Käufer das Gefühl hat ein neues Produkt und nicht nur einen Bugfix-Errata zum Vollpreis zu erwerben. Und Bedienbarkeit ala schlankes Regelsystem ist das neue Buzzword.
Auch habe ich oft das Gefühl, wer verschlanken möchte, klaut bei Fate. Aber oft stecken die Autoren so in ihrem System, dass sie nicht wirklich verstehen, was Fate schlank macht und dann sitzen sie dem Denkfehler auf "Wir bauen eine Fatepunkt-Mechanik ein -> unser System wird narrativ -> das garantiert uns ein regelleichtes System". Bzw. im Falle von Shadowrun, dass ja schon eine Fatepunkt-Mechanik hatte: "Wir blasen die Edge-Mechanik mit 2 Zillonen Zusatzregeln auf und sorgen dafür, dass sie bei jeder Aktion eine Rolle spielt -> unser System wird total regelleicht".
Was Fate schlank macht ist:
- die abstrakte Aspekt-Mechanik,
- die Abstraktion von Stunts auf eine Handvoll Mechaniken und
- im Vergleich zu Shadowrun besonders wichtig: Fate will keine Rüstungsspirale, Ausrüstung hat keine Stats.
- alle Aktionen des Charakters sind in 4 Mechaniken abstrahiert.
Und genau dass macht eben weder DSA5 noch SR6. Beide haben wieder ausdefinierte Vorteile, Nachteile, SF, Traditionen, Kampfstilen, Manöverlisten, usw. was unweigerlich erneut zu Regalkilometern an Regelbüchern führt wenn sie dasselbe Spektrum abdecken sollen, wie die Vorgängerversion. Außerdem will sich SR natürlich auch nicht von dem Ausrüstungsporn verabschieden.