Zwischenspiel 2
Markgrafschaft Gareth, Burg Güldensporn
in der zweiten Hälfte des Biestes
im Jahr 1504 nach Bahamut
Saer Wynfreth Pelias blickte aus dem einzigen Fenster seiner kleinen Bibliothek. Im Westen sah er das Land seines edlen Hauses zum uralten Grün des mächtigen Shalunha hin abfallen. Im Osten dagegen stieg es durch eine steiler werdende Hügellandschaft zu den berüchtigten Feuerwallbergen an. Seit Menschengedenken wurden diese Ebenen durch jene beiden Gebiete begrenzt, den Wald der Elfen und das Gebirge der Zwerge.
Das Land von Haus Pelias, der nördlichste Streifen der Markgrafschaft Gareth, war in der Vergangenheit schwer umkämpft gewesen. Nein, die Menschen hatten sich nicht mehr mit den Elfen und Zwergen darum streiten müssen; das hatten bereits die Goblins, als Speerspitze des verhassten Imperium Drakanum getan. Jene drei Völker standen damals wie heute unter der Knute Maglubiyets: Nir’Goblins, Hob’Goblins und Bur’Goblins. Wie sie zuvor genannt worden waren, bevor sie der finstere Gott von Eroberung und Tyrannei mit eiserner Faust unterjocht hatte, stand in keinem der Bücher, die den alten Ritter umgaben. Sehr wohl aber hatten elfische Chronisten bereits die ersten Massaker durch Bur’Goblins, oder “Käferbären” wie sie gemeinhin genannt wurden, an unbescholtenen Waldbewohnern festgehalten.
Anschließend berichteten die Aufzeichnungen der Lithiir-kai von Jahrhunderten blutiger Kämpfe um die Steppe östlich des Shalunha; das heutige Land von Haus Pelias, ein Land in das die Elfen vor Jahrtausenden, nach dem Niedergang ihrer naturverbundenen Zivilisation innerhalb des riesigen Waldes, geflohen waren. Jene Steppenelfen, wie sie fortan genannt wurden, standen nämlich dem gnadenlosen Vormarsch des Eisernen Heeres und seinem erbarmungslosen Eroberungsfeldzug im Weg. Elfenblut soll damals die Ebenen zwischen dem Shalunha und den Feuerwallbergen getränkt haben, während die überlebenden Steppenelfen versklavt oder weiter nach Osten vertrieben worden waren.
Nach dem Krieg gegen die Lithiir-kai erreichte das Eiserne Heer die Gebiete der Goldzwerge. Und es sollten die Zitadellen des bärtigen Volkes sein an denen die Klingen der Goblins schließlich erstumpften. Einzig und allein Zitadelle Riesentöter, die westlichste der großen Zwergenfestungen, fiel an die Völker Maglubiyets.
Heute war Gal’Dur, das Eiserne Reich der Goblins, ein anerkannter Nachbar von Eralion. Die Ostmark musste nicht mehr gegen den Zargun und seine Legionen verteidigt werden, denn nur noch goblinoide Rebellen erhoben die Waffen gegen den Drachenkönig, seine Ländereien und Untertanen.
So zog sich Saer Wynfreth immer öfter in seine Bibliothek zurück. Er hatte im Alter, da er keine Räuberbanden mehr jagte, zum Studium der zahlreichen Berichte über ruhmreichere Zeiten gefunden.
Plötzlich kündigte jedoch das Horn seines Herolds Gäste an. Der alte Ritter hob seinen Blick von den Schriften auf seinem kunstvoll gezierten Lesepult, ging zum einzigen Fenster des Raumes und blickte abermals hindurch. Ein Reiter in polierter Rüstung mit goldenen Messingplatten, wie sie für Haus Pelias üblich waren, kam über die Zugbrücke auf den Burghof getrabt. Dann verkündete der Ausrufer inbrünstig wer da eingetroffen war und Saer Wynfreths Herz füllte sich mit unbändiger Freude; denn der Herold hatte sein einziges Kind angekündigt, das nun keines mehr war: Sera Ludmylla Pelias.