Ich möchte **Mausritter** lobhudeln. Man bekommt dieses Indy-RPG für "pay what you want" als 46-seitiges PDF (DIN-A5) in einem absolut vorbildlichem Layout, das übersichtlich und strukturiert ist und jedes Kapitel perfekt auf einer Doppelseite ausbreitet. Außerdem wertschätzt der Autor meine Zeit, indem er minimal und auf den Punkt formuliert und Aufzählungen nutzt, wo Absätze zu viel sind und Tabellen, wo Aufzählungen zu viel sind.
Trotz des deutsch klingenden Namens ist das Spiel englisch und von einem Australier (meine ich) entwickelt. Man verkörpert wagemutige Mäuse-Abenteurer, die in einer für sie gefährlichen Welt ihr Glück machen – oder einfach überleben wollen. Vielleicht werden sie reich dabei, vielleicht Helden, vielleicht mächtig, vielleicht alles zusammen oder nichts davon. Finde es im Spiel heraus. Das ganze folgt OSR-Prinzipien und die Welt wird gemeinsam als Hexcrawl gestaltet. Es gibt aber auch ein spielfertiges Beispielsetting.
**Charaktere** haben die drei Basiswerte Stärke, Geschick und Willenskraft, die in Reihenfolge jeweils mit der Summe der höchsten zwei von 3W6 bestimmt werden. Danach darf man einmal tauschen. Man startet außerdem mit 1W6 Ausdauer und 1W6 Geld (Kerne genannt).
Die letzten beiden Würfe doppeln als Wurf auf eine W66-Tabelle mit 36 Berufen. Wer (sehr) miese Basiswerte hat, bekommt noch einen (zwei) zufällige(n) Gegenstände zusätzlich zu den beiden, die zu dem Beruf gehören. Geschenkt gibt es 3 Fackeln und 3 Rationen. Schließlich sucht man sich noch eine Waffe aus und kann, um den nun bereits fertigen Charakter noch etwas auszuschmücken, 1W6 auf eine Sternzeichen-Tabelle, 2W6 auf eine Felltabelle und W66 auf eine Tabelle mit physischen Merkmalen würfeln. Das Spiel hält außerdem eine Tabelle mit 100 Vor- und 20 Familiennamen bereit.
Mit Glück erhält eine Maus als Gegenstand einen Zauberspruch und kann sich damit guten Gewissens als mächtigen Magier bezeichnen. Will sagen, prinzipiell können alle zaubern, die einen Spruch in ihrem Besitz haben. Charakterklassen gibt es keine.
Apropos, von dem bescheidenen Geld könnte man natürlich noch Ausrüstung kaufen oder aber zusammenlegen und ein oder zwei Mietlinge anwerben. Die sind quasi zusätzlich Tragkraft und Lebenskraft.
Spielen wir's durch:
Stärke 12, Geschick 9, Willenskraft 11. Ausdauer 1 und 4 Geld. Bis auf Ausdauer habe ich super gewürfelt und Geschick und Willenskraft bereits getauscht.
Meine Maus ist damit eine Kräuterhexe – oder deuten wir's um, war dort Lehrling, denn Tante Erin hat Zeck, wie ich meinen Charakter mal nennen will, an Kindesstatt aufgenommen und Zeck kann nicht nur hervorragend putzen, kochen und alles, auf was Tante Erin sonst keine Lust hatte, sondern hat auch das eine oder andere Hexending aufgeschnappt. Ein Stichwort aus dem Buch und ein bisschen Kreativität und fertig ist die Hintergrundgeschichte.
Insbesondere besitzt Zeck einen kostbaren Heilung-Zauberspruch und einen Weihrauchstab – wofür auch immer. Als Waffe suche ich mir eine schwere Keule (W6/W8 wenn beidhändig geführt) aus.
Geboren wurde Zeck im Zeichen de Eichel. Solche Mäuse gelten als dickköpfig und neugierig. Er hat ein schwarz-mamoriertes Fell und hat einen vernarbten Körper (Brandwunden sag ich mal und das erklärt dann auch die bescheidene Ausdauer und ich lege mal fest, Zeck hat allgemein Angst vor großem Feuer seit er als Kind in eines gefallen war).
Daher nimmt er dann auch seine 4 Geld, um eine Fackelträgerin anzuwerben (den man zur Not vorschicken kann): Poppy hat Stärke 7, Geschick 6 und Willenskraft 7 (NSC würfeln direkt 2W6) und bunte geflecktes Fell und ist bekannt dafür, eigenhändig die große Schlange aus dem Dorf vertrieben zu haben (ob's stimmt, kann ja die SL festlegen), möchte reich werden und muss das Dorf dringend verlassen, weil sie gestohlen hat (ich habe da 4x auf die NSC-Tabelle gewürfelt).
Als Fackelträgerin bekommt Poppy 1 Geld pro Tag und erwartet natürlich auch, verpflegt zu werden (was noch mal 5 Geld kosten würde und Zeck hat sich damit schon um 2 Geld verschuldet), sodass er ganz dringend Geld braucht, wenn er sie länger als ein paar Tage beschäftigen will. Gut dass er gerade davon gehört hat, dass der Eulenzauberer Asbabrahe Hilfe sucht, um einen besonderen Zauberspruch zu finden (ein Wurf auf die Abenteuer-Idee-Tabelle).
Zurück zum Buch.
Die komplette Charaktererschaffung passt auf eine Doppelseite. Eine weitere Doppelseite beschreibt, wie Ausrüstung funktioniert. Man legt kleine unterschiedlich große Kärtchen auf den Charakterbogen, um so die Traglast zu visualisieren - eine nette Idee. Eine weitere Seite listet die Preise und eine vierte Seite enthält die schon erwähnten Mäusenamen und auch noch eine W68 Tabelle mit Zeugs, das man irgendwo finden, oder was jemand dabei haben könnte.
Die Würfelregeln werden auf der nächsten Doppelseite beschrieben. Dazu gleich mehr. Magieregeln zusammen mit 15 Zaubern findet man auf der nächsten Doppelseite. Danach, wir sind jetzt in Kapitel 5, beschreibt eine Doppelseite Mietlinge und wie man sie anwerben kann, sowie Kriegsbanden, also größere Einheiten von Kämpfern, die man benötigt, um überhaupt einige größere Gegner wie z.B. Katzen angehen zu dürfen. Danach schließen drei Seiten mit Spielbeispielen den Teil für die Spieler ab und der Abschnitt für die SL beginnt.
Eine einzelne Seite kondensiert, worauf es beim Leiten ankommt, und vertritt die OSR-Werte eines unparteiischen und fairen Spielleiters, der Situationen schaffen und keine Geschichten erzwingen soll. Gefällt mir sehr.
Die nächste Seite beschreibt Reisen, hält eine Tabelle für's Wetter bereit und beschreibt Begegnungen und hält eine Tabelle für die Stimmung der anderen Seite bereit.
Es wird auch relativ klar beschrieben, wie die Zeit über und unter Tage abläuft, und wie durch stete Zufallsbegegnungen ein gewissen Handlungsdruck aufgebaut werden kann.
Ganze drei Seiten listen dann 11 Gegner, wobei mir gefällt, das zu jedem mit 1W6 auf eine Tabelle mit einer besonderen Eigenschaft gewürfelt werden kann. Das unterstreicht noch einmal die Idee, das jede Begegnung etwas besonders sein sollte. Wer einfach nur TP runterprügeln will, kann 5E spielen.
Fünf weitere Seiten enthalten nun allerlei Tabellen für Hexcrawls, gefolgt von zwei Seiten mit Interessengruppen, die in der Welt für Konflikte sorgen können. Kapitel 9 beschreibt dann auf einer Doppelseite ein spielfertiges Beispiel, die Grafschaft von Ek, in der Eichenhain liegt, die Mäusestadt, berühmt für ihre Taubenreiter.
Vier weitere Seiten erklären, wie man Schauplätze entwirft und helfen dabei mit diversen Zufallstabellen. Daran an schließen sich zwei Seiten mit Tabellen für Schätze an und eine Doppelseite mit einem Beispiel, Stumpfstadt, in einem hohlen Baumstumpf angelegt, dessen Bewohner gerade von den Schergen des gefürchteten Katzenlords entführt wurden.
Das Buch endet dann mit vier weiteren Seiten, die noch einmal wichtige Tabellen und Regeln zusammenfassen.
Apropos Regeln.
Bei Mausritter gibt (wie bei _Into the Odd_, von dem die Regeln abgeleitet sind) es keine Proben – egal ob auf Basiswerte oder Fertigkeiten – sondern wenn man einer Aktion einer daraus resultierenden Gefahr widerstehen möchte, macht man einen Rettungswurf (RW). Die mögliche Gefahr sollte von der SL zuvor formuliert werden. Dann würfelt man mit 1W20 kleinergleich dem passenden Basiswert. Bei vergleichenden Würfen gewinnt der niedrigere Wert. Bei Situationen mit Vorteil oder Nachteil würfelt man 2x und zählt den besseren bzw. schlechteren Wurf. Den Rest regelt die SL ad-hoc.
Im Kampf fand der Autor im Gegensatz zu mir, Gruppeninitiative mit 1W6 von ItO doof und fordert stattdessen einen RW:Geschick, um vor dem Gegner zu handeln.
Auch hier macht man keine Angriffsproben, sondern würfelt sofort für den Waffenschaden, reduziert den um 1 oder 2 Punkte für Rüstung und zieht was über bleibt von der gegnerischen Ausdauer ab. Ist diese aufgebraucht, wird der Schaden von Stärke abgezogen und ein RW:Stärke sagt, ob der Charakter außer Gefecht ist. Fällt Stärke auf 0, ist der Charakter mausetot.
Beim Zaubern sucht man sich die Stärke (zwischen 1 und 3) aus, würfelt entsprechend viele W6 und eine 6 bedeutet, dass man 1W6 Punkte Willenskraft verliert. Bei 0 ist der Charakter (zumindest temporär) verrückt und dadurch außer Gefecht. Ansonsten verbraucht sich bei einer 4-6 der Zauber ein bisschen, bei 1-3 kann man ihn nochmals benutzen. Nett ist, dass verbrauchte Zauber auffrischen immer eine besondere Handlung erfordert, die zum Rollenspiel einlädt.
Erfahrungspunkte gibt es übrigens nur für gefundene Schätze und für selbstlose Gaben an die Mausheit. Ich denke allerdings, es dauert eine Weile, bis die 1000 XP für Stufe 2 erreicht und die Ausdauerpunkte dann auf 2W6 steigen. Nach Stufe 4 steigt die Ausdauer übrigens nicht weiter an, man kann aber dennoch versuchen, mit 4W6 höher als zuvor zu kommen. Die Basiswerte steigen übrigens auch bei jedem Stufenaufstieg.
Waffen liegen in dem Bereich zwischen 1W4 und 1W12. Der erste Treffer wird daher in der Regel die Ausdauer komplett reduzieren und der zweite Treffer die Maus umhauen oder sogar töten. Man will nicht kämpfen. Jedenfalls nicht selbst. Maus-be-Waffnete, die das viel besser können, kosten nur 10 Geld pro Tag. Das scheint mir gut investiert zu sein. NSCs, die einem ans Herz gewachsen sind, kann man übrigens auch steigern, wenn man sie denn an den Schätzen beteiligt, sprich ihnen XP abgibt.
> Ich muss spaßeshalber noch mal einen Schatz gemäß der Tabellen auswürfeln, der in einem magischen Dungeon gefunden werden kann: Ein geschliffener Diamant (Wert 1000 G), 25 G an Münzen, ein magischer Strohhalm durch den man immer atmen kann, 16 G an Münzen.
Bei Mausritter bekommt man viel Spiel auf wenig Seiten mit einfachen Regeln, die OSR-Charme versprühen. Das Mäuse-Setting ist witzig, aber ohne Regeländerung könnte man daraus auch Kobolde oder Menschen machen, wenn man Gegner wie Katzen einfach zu Drachen o.ä. erklärt. Denn am Ende des Tages ist das ganze einfach schöner klassischer Dungeoncrawl bzw. Hexcrawl mit Dungeons.