Übersetzen ist eine Kunst. Es setzt profunde Kenntnis der fremden und Stilsicherheit in der eigenen Sprache voraus. Außerdem ist große Sorgfalt nötig. Eine gute Übersetzung ist zunächst nicht als solche zu erkennen, denn sie liest sich, als wäre der Text ursprünglich in ihrer Sprache verfasst worden. Freilich werden nur wenige diesem Ideal gerecht. Gerade Leser, die Ausgangs- und Zielsprache kennen, werden sich bei holprigen Passagen oft mit Rückübersetzungen behelfen.
Eine Ausnahme gibt es, nämlich wenn Eigenheiten der Ausgangssprache in der Zielsprache beibehalten werden, um Lokalkolorit oder bestimmte Inhalte zu transportieren. Das Chinesische kennt z.B. für ältere und jüngere Geschwister unterschiedliche Bezeichnungen und es ist verbreiterer als bei uns, sich mit Berufsbezeichnungen anzureden. Die Kunst des Übersetzens besteht darin zu erkennen, wo man Dìdi mit kleiner Bruder, jüngerer Bruder oder mit Bruder übersetzt. Ein Patzer bei der Übersetzen-Probe liegt da vor, wenn ein falscher Lokalkolorit transportiert wird, beispielsweise wenn ein Film in Spanien spielt und die Kinder darin ihre Eltern mit Mom und Dad anreden. (Es sei denn, das wäre mittlerweile dort üblich geworden, und selbst dann wäre es fragwürdig.)
Gelungene Übersetzungen können durchaus frei gestaltet sein und ihre eigene künstlerische Qualität zeigen. Man denke nur an Erika Fuchs, aus deren Donald-Duck-Übersetzungen einige geflügelte Worte stammen. Völlig misslungen sind Übersetzungen, die sklavisch am Originaltext kleben und deren Schöpfer nicht einmal den Sinn des Originaltexts verstanden haben. In Age of Wonders: Planetfall ist von "Netzteilen" die Rede, die die Superwaffe eines Flugschiffes speisen und viel Platz wegnehmen. Hier sind ganz klar Stromaggregate bzw. Generatoren gemeint und keine Netzteile.
Hier sehen wir aber auch ein gravierendes Problem: Unser Übersetzer muss über eine breitgefächerte Bildung verfügen. Er kann sich nicht auf Nachschlagewerke verlassen. Wer zum Beispiel auf dict.leo.org nach "power supply" sucht, der findet dort als Übersetzungen: Stromversorgungsgerät, Netzteil, Spannungsversorgung, Stromversorgung, Netzanschluss, Elektrizitätsversorgung, Netzanschlussgerät, Netzgerät, Speisegerät, Energieversorgung, Stromzufuhr, elektrische Energie, Elektroversorgung, Leistungsversorgung, Netzversorgung und Speisung. Vielen Menschen ist nicht einmal der Unterschied zwischen Strom und Spannung geläufig. Wie sollen sie sich hier auskennen?
Ein anderes Beispiel sind die "Unantastbaren" aus Age of Wonders 3. Diese stehen in der sozialen Hierarchie der Goblins ganz unten, doch als unantastbar bezeichnen wir in Deutschland die Grundrechte. Es handelt sich um besonders wichtige, ja quasi heilige Rechte. Für die, die in einem Kastensystem ganz unten stehen, die also nicht einmal die unterste Stufe der sozialen Leiter erklommen haben, haben wir ein anderes Wort: Unberührbare. Auch das muss ein Übersetzer wissen.
Die Ansprüche sind also groß, die Wirklichkeit bleibt hinter ihnen zurück. Dennoch glaube ich, dass mehr Sorgfalt sich bei Übersetzungen lohnen würde, egal bei welchem Medium.