Nur mal so eine kleine, wie üblich total unausgegorene Herumspinnerei zum Thema "Engel" - eine Idee, von der ich wie immer nicht weiß, ob sie eine gute ist.
Ich bin ein großer Freund von Alternativszenarien, in denen die angelitische Kirche es mit einem potentiell bockschweren und technologisch weiter entwickelten Gegner zutun bekommt (Gedanken in diese Richtung hatte ich in diesem Forum dann und wann ja schon mehrere gepostet). Darüber hinaus ist eine der interessanten Fragen in der Engelwelt, was denn mit den anderen Teilen des Planeten passiert sein könnte. Und warum nicht beides kombinieren? Daher hier ein fix hingeschlonztes Grundkonzept für
Die Südamerikanische Föderation aka
Die Universópolis der Raza CósmicaAuch, wenn es in Europa niemand weiß und die angelitische Kirche es vermutlich strengstens geheim halten würde, wenn sie Kenntnis davon hätte: es gibt auch auf anderen Kontinenten der Erde noch Zivilisationen. Und mindestens eine davon ist der angelitischen Kirche in mehr als einer Beziehung weit voraus. Der südamerikanische Kontinent wird nahezu vollständig von einem geeinten Staatsgebilde dominiert, das sich passenderweise selbst die "Südamerikanische Föderation" nennt. Im Volksmund und in zahlreichen Propagandaschriften ist allerdings die Bezeichnung "Universópolis" weiter verbreitet.
Anders als in Europa hat das postapokalyptische Zeitalter hier schon vor geraumer Zeit ein Ende gefunden. In gewaltigen Metropolen leben Millionen von Bürgern unter der Ägide eines sozialistischen Regimes und mit einer Reihe von technologischen Annehmlichkeiten, die man in Europa seit Jahrhunderten nicht mehr kennt.
Die Entstehung von UniversópolisKurz nach dem Veitztanz und den Atomkriegen war auch Südamerika weitgehend entvölkert und um keinen Deut besser dran als Europa. Die Überlebenden stritten erbittert sich um das Wenige, das ihnen nach dem Zusammenbruch der alten Zivilisation geblieben war. Warlords und Kultführer jeder Coleur plagten die noch übrigen Städte vom mexikanischen Golf bis zum Kap Horn. Wie in Europa waren es Überreste der Katholischen Kirche, die die letzten Reste der altn Zivilisation bewahrten. Doch hier enden die Parallelen zu Europa. Ungefähr einhundert Jahre nach dem entgültigen Fall der alten Zivilisation hatte sich im Süden Mexikos eine Gruppierung gebildet, die sich "Liga für Fortschritt und Wiederaufbau" nannte. Mit einer ungeheuren Skrupellosigkeit und einer Disziplin, die den meisten anderen Endzeitbanden abging, machte sich die Liga daran, das zersplitterte Mexico wieder aufzubauen. Die politische Philosophie der Liga war eine bizarre Mixtur aus klassischem Kommunismus, Katholizismus und den philosophischen Schriften
Jose Vasconcelos und Oswald Spengler. Laut der Philosophie der Liga vollzieht sich Zivilisation in einer Art natürlicher, von Gott geplanter Zyklen, wobei die Menschheit als ganzes jedoch aus jedem Zivilisationsfall gestärkt hervorgeht. Der Fall der alten westlichen Zivilisation war eine bedauernswerte Notwendigkeit, da sich aus ihren Ruinen die geeinte "Raza Cosmica", oder "Fünfte Rasse" erheben würde - eine Mischung aller bisherigen menschlichen Rassen, die alle positiven Eigenschaften derselben verkörpern würde und in der Lage sei, einen geeinten Weltstaat, die Universópolis zu errichten.
Diese Mischung aus seltsamem "Rassismus" und bizarrem Fortschrittsglauben am natürlich nicht überall gut an - zumal sich in anderen Teilen Südamerikas andere Gruppierungen angeschickt hatten, die Zivilisation wieder aufzubauen. Es folgten knappe vier Jahrhunderte voller Kriege und Intrigen in denen die ursprüngliche Liga sich Stück für Stück nahezu den gesamten südamerikanischen Kontinent einverleibte und von einer mexikanischen Lokalmacht zur Südamerikanischen Föderation aufstieg - dem mit Abstand größten Imperium des 27. Jahrhunderts!
Die Südamerikanische Föderation heuteVerglichen mit dem angelitischen Europa ist Südamerika eine technologisch unglaublich weit entwickelte, ehrfurchtgebietende Großmacht. Die technologischen Möglichkeiten der Föderation entsprechen in der Masse ungefähr denen der 1960er, allerdings gibt es gerade in staatlichen Einrichtungen heftige Ausreißer nach oben. Die weitaus meisten Behausungen haben fließendes Wasser und sind elektifiziert. Nachrichten und Gottesdienste werden per Radio und Fernsehen übertragen (wobei es ausschließlich Staatsmedien gibt!). Internet und höher entwickelte Computer sind jedoch wissenschaftlichen Einrichtungen, Ministerien und dem Militär vorbehalten. Zahlreiche Elektrofahrzeuge sind in Gebrauch - allerdings sind die wenigsten Automobile tatsächlich in Privatbesitz. Die wichtigsten Metropolen sind über ein Netzwerk von Magnetschwebebahnen miteinander verbunden. Hier und dort gibt es auch Flugverbindungen.
Die Föderation ist insgesamt stark urbanisiert. Der größte Teil der 98 Millionen Föderationsbürger lebt in Städten und wohnt in Hochhausblocks, die sich bei Bedarf schnell abriegeln lassen. Gesundheits- und Hygienechecks werden regelmäßig mit geradezu paranoider Genauigkeit durchgeführt. Schließlich will man so etwas wie den Veitztanz niemals wieder erleben!
Nominell ist die Föderation eine liberale Demokratie. Faktisch ähnelt sie aber eher autokratischen Einparteiensystemen klassischer Prägung. Die Regierung der Föderation steht auf zwei Säulen: dem sekulären Staatsapparat, der "die Weisheit der Zukunft" repräsentiert und der katholischen Kirche, der "Weisheit der Tradition". Beides steht nur scheinbar in einem ideologischen Konflikt miteinander - tatsächlich sind Staatsapparat und Kirche so eng verbandelt, dass sie faktisch eins sind. Nominell herrscht in der Föderation absolute Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau und auch Rassismus gibt es vorgeblich keinen. Ersteres ist vor dem Gesetzgeber tatsächlich der Fall - allerdings sind Familienstrukturen in der Universópolis eher traditionell zu nennen. Zweiteres ist ein astreiner Etikettenschwindel. Sicher - offiziell wird niemand in der Föderation seiner Hautfarbe wegen benachteiligt. In der Praxis haben es Mitglieder der bronzefarbigen "Raza Cosmica", also jene die von "Gemischtrassigen" abstammen, erheblich leichter als Personen, die "reinrassig" schwarz, weiß oder asiatisch sind. Schließlich, so die Staatsdoktrin, ist die "Raza Cosmica" die Zukunft und alle anderen "Rassen" nur noch die letzten Überbleibsel einer vergangenen Epoche. Daher wirkt die sich selbst als antirassistisch wahrnehmende Föderation auf Aussenstehende in der Regel
verdammt rassistisch.
Gegenwärtig ist die Südamerikanische Föderation in einer wirtschaftlichen und kulturellen Blüte und stark beeinflusst durch technologischen Fortschrittsoptimismus christlicher Prägung. Erstmals haben neuartige Aufklärungsflugzeuge es geschafft, Fegefeuer im Westen zu überfliegen und erste Bilder aus Afrika und Westeuropa zu übermitteln. Zeitgleich haben U-Boot-Expeditionen die Küsten Asiens und Australiens erreicht. Die Nachrichten, die Südamerika erreicht haben, sind erschütternd - offenbar liegt der Rest der Welt nach all den Jahrhunderten noch immer in Trümmern. Die staatliche Propaganda sieht dies als Beweis für die Korrektheit der föderierten Philosophie von der "Raza Cosmica". Während Südamerika sich weiterentwickelt hat, verharrte der restliche Planet in alten, überkommenen Strukturen und war daher unfähig zu einem echten Wiederaufbau. Daher sieht es die Föderation als ihre gottgegebene Pflicht an, ihre Philosophie auf die anderen Kontinente zu exportieren und so die gesamte Menschheit aus dem Elend zu erheben!
Konflikte innerhalb der FöderationDie Föderation ist verglichen mit dem Rest der Welt extrem reich und mächtig, aber nicht ohne Probleme. Einige Teile Südamerikas empfinden die Föderation nicht als Weltstaat der Zukunft, sondern als arrogante Besatzungsmacht. Daher gibt es immer wieder aufkeimende Konflikte mit Rebellen in Peru und Kolumbien. Zudem wird auch Südamerika von der Traumsaat geplagt. In den Dschungeln des Amazonas führt das Militär einen nie endenden Krieg gegen die Traumsaat, bei dem immer neue und überraschende Hightech-Waffen gegen immer neue und überraschende insektoide Schrecken zum Einsatz kommen. Unlängst wird überlegt, ob der Einsatz von Atomwaffen autorisiert werden sollte.
Auch die Metropolen der Föderation sind, so straff geführt sie nach außen hin erscheinen mögen, weit weniger glänzend als es den Anschein hat. Trotz allerlei technologischer Annehmlichkeiten ist ein Großteil der Bevölkerung noch immer relativ arm und die sozialistischen Strukturen der Föderation begünstigen Vetternwirtschaft und organisierte Kriminalität. Während die intellektuelle Oberschicht bereits mit Feuereifer ein neues Weltraumzeitalter plant (tatsächlich arbeitet man daran, innerhalb der nächsten zehn Jahre wieder Menschen in den Orbit zu bringen, um einer Gruppe längst toter Raumstationen antike technologische Geheimnisse zu entreißen), werden ganze Hochhausblocks der Unterschicht von kriminellen Gangs regiert, ohne das es jemand groß zur Kenntnis nehmen würde.
Die Südamerikanische Föderation und die Angelitische Kirche... ...sind sich noch nie begegnet. Wenn sie es jemals tun sollten, beginnt die Sache, interessant zu werden. Die Föderation hat sowohl die Manpower als auch die militärischen Mittel, um den Boden mit den Angeliten zu wischen, wenn es jemals zu einem direkten Konflikt kommen sollte. Die stark ausgeprägte Technophilie der Südamerikaner dürfte bei den Angeliten eine Mischung aus Ekel und Abscheu hervorrufen - und sollten sie jemals die ganze Macht der Föderation begreifen, käme vermutlich auch noch nackte Panik hinzu.
Aber es muss nicht zwingend zum offenen Konflikt kommen. Die Föderation ist ihrerseits stark von der katholischen Kirche geprägt und steht vielen Teilen der angelitischen Lehre vielleicht garnicht so feindselig gegenüber. Das könnte Angeliten in ein interessantes ideologisches Dilemma stürzen: Bleiben sie ihrer ausgeprägten Technophobie treu und bleiben somit "rein" - und provozieren damit einen Krieg, den sie mit einiger Wahrscheinlichkeit nicht gewinnen können? Oder legen sie die technophoben Bestandteile ihrer Religion ad acta, begehen damit nach ihren eigenen Maßstäben Ketzerei - sitzen mit der Föderation als Verbündetem dafür aber fester im Sattel als je zuvor?
Ergäbe das ein interessantes Szenario? Welche Aspekte würden sich noch ergeben?
(Als Nachtrag noch eine kleine Bemerkung: ich habe hier bewusst drauf verzichtet, der Föderation einen präkolumbianischen Anstrich zu geben. Mag sein, dass der eine oder andere Prachtbau sich an aztekischen Monumentalbauten orientiert, aber insgesamt sind die Südamerikaner in diesem Entwurf keine "Neo-Mayas" oder Ähnliches. Zum Einen, weil sich das Prinzip "Hochentwickelte Azteken verprügeln unterentwickelte Europäer" für mich immer irgendwie nach so eine Art Revisionismusphantasie anfühlt und zum Anderen, weil ich die Idee einer "Gegenkirche" aus einem anderen Teil der Welt interessant finde und Südamerika für sowas als ganz geeigneten Ort empfinde.)