Es gibt grundsätzlich Worldbuilding-Ansätze, die das anders handhaben und das Worldbuilding zum einen in großem Maß sukzessive betreiben und zum anderen weniger Wert auf Plausibilität legen, sondern eher darauf achten, dass die Dinge thematisch passen und die Stimmung unterstützen. In Europa und Nordamerika wird wohl ein eher harter Top-Down-Ansatz bevorzugt. Deshalb sehen wir das oft als Goldstandard oder sogar die einzig mögliche Methode des Worldbuildings an. Aber das nur am Rande.
Hm, ich finde ja auch, dass eine gute Weltenbeschreibung in einem Roman vor allem eine ist, die organisch in die Handlung eingeflochten ist und die der Handlung dient. Lange Infodrops zu Beginn der Geschichte oder ausufernde Tabellenanhänge durfte Tolkien, der ja auch ein eher akademisches Interesse an seiner Welt hatte - aber das geht im Sinne einer schön erzählten Geschichte auch besser.
In diesem Sinne finde ich tatsächlich das Worldbuilding in Harry Potter recht gelungen. Die Autorin hatte zu Beginn ein paar coole Ideen und baut die im Verlauf der Bände immer dann aus, wenn sie gerade irgendwas Neues für ihre Handlung braucht. Entstehende Logiklücken werden als Chancen betrachtet, passende Erklärungen zu ersinnen oder sie werden einfach ignoriert, wo sie nicht weiter stören. Die entstehende Welt ist beliebig erweiterbar und von und für Fans personalisierbar, weil statt langer Weltenerklärungen eher ein "Weltengefühl" vermittelt wird.
Ganz cool finde ich z. B. auch diverse Sword&Sorcery-Welten - was auch immer Cugel in Vances Romanen bereist oder Elric bei Moorcock. Da wird oft mehr angedeutet als wirklich gezeigt und erklärt. Und ich bin der festen Überzeugung, dass die Autoren da nicht zuvor private Atlanten und ethnologische Studien erstellt hatten.
Ich finds ja ausreichend, wenn eine Welt so wirkt, als sei viel dahinter - ob dann der Autor/die Autorin wirklich viel dahintergelegt hat oder ob alles bloß Kulisse ist, ist völlig irrelevant. Wegen mir muss ein Baum, der ungesehen im Wald umfällt, kein Geräusch machen.
Und um den Bogen zu Weltengeist Ausgangsposts zu schlagen - ich find die meiste Fantasy, die ich in der Buchhandlung so ausliegen sehe, auch eher uninteressant. Auch weil sie sich so damit aufhalten, tolle neue Welten nach Schema F zu generieren, statt Zeit in eine interessantere Handlung oder spannendere Figuren zu investieren. Und ja, ich habe bei solchen Büchern, gerade auch jenen mit diesem nervigen Fokus auf politische Ränkespiele mit tausend Beteiligten, das Problem, dass ich nach der Hälfte keinen Dunst mehr habe, wer wer ist.