Das Menschen- und Zivilisationsbild ist meiner Meinung nach grauenhaft: Dekadenz, Bürokratie und Stagnation führen zum Untergang eines Imperiums.
Warum ist das grauenhaft? Gibt doch genug Staaten, die an ihren verkursteten, nicht (mehr) reformfähigen Strukturen zugrunde gingen. Das letzte große Imperium, das so zerbrach, war die Sowjetunion.
Dieses kann nur wieder auferstehen weil eine Gruppe Superintellektueller im Hintergrund die Fäden zieht und, ohne dass die Menschheit überhaupt von ihnen wissen darf, diese in Konflikte stürzt, damit die Gesamtheit "gestärkt" daraus hervorgeht.
Ah, daher weht der Wind; Angst vor dem Bild der fiesen Konspirateure auf Prager Friedhöfen...
Der Wunsch des Menschen, die Zukunft vorherzusagen, ist so alt wie die Menschheit. Im Zeitalter der Wissenschaft heißt das natürlich, die Zukunft zu
berechnen. Die Foundation-Trilogie macht nun etwas, was tausende SF-Geschichten vorher gemacht haben. Sie fragt: "Stell dir vor, dieser Menschheitstraum würde Wirklichkeit. Was wäre dann?" Und spielt mit diesem Gedanken.
Wie von anderen schon gesagt, werden dabei durchaus auch Probleme thematisiert. Der ganze Plan versagt durch das Maultier. Als die 1. von der Existenz der 2. Foundation erfährt, ist sie "not amused". Und im letzten Buch, das Asimov mWn über dieses Universum geschrieben hat, wird Seldons Plan durch einen anderen ersetzt. Weiß nicht, ob du auf
hive minds stehst, aber da gehts hin...
Der Kram mit "wir sammeln das Wissen der Menschheit um den Aufbau zu erleichtern" wird direkt in den ersten Kapiteln als "Ablenkung und bedeutungslos" verworfen.
Das stimmt nicht ganz. Klar war das nie das primäre Ziel, und die dann i-wann doch erschienene Encyclopädia Galactica nur ein Kollateralnutzen, aber die hohe Wissenschaftsaffinität der Foundation, eben dieses gesammelte Wissen, ist doch ein Kernpunkt des Seldon-Plans. Ohne das technologische Wissen wäre die Foundation von Anakreon geschluckt worden, und die Geschichte wär vorbei.
Also, selbst wenn die und die einzelnen Seldon-Krisen nicht dauernd durch quasi deus ex machinas gelöst würden (was sie werden), dann wäre es immer noch eine verdammt schlechte utopische Vision, weil sie als einziges Heil der Menschheit ein undemokratisches, geheimes, und im Endeffekt sogar eugenisch zusammengesetztes Gremium sieht.
Äh, der Seldon ex machina ist die eigentlich Idee. Darum geht es. Deswegen ist Seldon ein Genie.
Du machst den Fehler, es als Utopie zu lesen. Das ist es nicht. Ich glaube sogar, Asimov ist viel zu sehr... Realist im negativen Sinne, als dass er gesellschaftliche Utopien schreiben könnte. Ich wüsste kein Werk von ihm, dass man in diese Richtung interpretieren könnte oder sollte.
Das ist vielleicht ein Kernpunkt von Asimovs Schaffen. Offensichtlich ist er Anhänger von Hobbes (und nicht von Rousseau) in dem Sinne, dass er den Staat (auch in Form des Imperiums) als etwas Notwendiges ansieht, und zwar
einen Staat; auch eine uralte Traumvorstellung, die Verwirklichung der Einheit des Menschengeschlechts, der Kriege unmöglich macht. Ohne diese Einheit der Menschheit drohen Krieg, und im schlimmsten Fall Chaos und Anarchie. Das kann man, denke ich, als Grundannahme Asimovs voraussetzen, oder zumindest des Teils von Asimov, der in Seldon und seiner ganzen Idee durchscheint. Wenn man das ganze mit Augen Rousseaus betrachtet, mags furchtbar sein, aber die philosophische Frage ist noch lange nicht entschieden...
Mit "Realist im negativen Sinne" meine ich, dass mE keine utopische Vorstellung bei Asimov kommt, ohne dass er die Probleme durchdenkt. Die ganze Roboter-Sache, sein vielleicht größtes Vermächtnis, läuft genau darauf hinaus. Er wollte mit seinen Roboter-Geschichten den zu seiner Zeit üblichen Schauderstories "Roboter drehen durch und attackieren/versklaven/vernichten die Menschheit" etwas entgegen setzen. Daher kommen die Roboter-Gesetze, die das unmöglich machen sollen. Dennoch, obwohl Roboter die perfekten, willigen Untertanen sind, die den Menschen ein sorgenfreies Leben im Luxus ermöglichen, wird diese Utopie verworfen und letztendlich als negativ dargestellt. (Dazu die Bailey-Romane, und die Inferno-Romane, wenn man an der Sicht der Roboter intererssiert ist).
In den Foundation-Romanen geschieht das gleiche mE mit der Idee, die Zukunft berechnen zu können sei etwas positives. Vielleicht nicht so drastisch, aber wie gesagt, in "Die Rückkehr zur Erde" kommt auch da die Absage.
Es ist keine Utopie, keine Traumvorstellung, dass das Leben der Menschen i-wann einfach und gut und aufgeklärt und emanzipiert und im großen und ganzen grandios sein wird. Asimov bringt einen zu der (von ihm angenommenen) Tatsache zurück, dass auch Roboter und Raumschiffe und andere wissenschaftliche Kinkerlitzchen nicht dafür sorgen werden, dass wir wieder in den Garten Eden zurück kehren dürfen. Auch die Fähigkeit der Zukunftsschau wird uns nur vor neue Probleme stellen.
Eine Überlegung zum Abschluss: ME ist Psychohistorik in der Realität soziologisch natürlich genauso unmöglich, wie es der Überlichtantrieb nach Aussage der Physiker physikalisch ist. Dennoch hat jemand in unserer Realität versucht, den Ablauf der künftigen Geschichte zumindest grob "vorherzusagen": Kalle Marx (von dem ich auch ziemlich viel halte...). Und was macht der Depp? Plaudert alles aus. Verflixt, hätte der Das Kapital nicht veröffentlicht, sondern sich nur im Stillen gedacht "So wirds kommen!", die Weltrevolution wär längst da, und wir würden alle im klassenlosen Kommunismus leben; so wahr mir Seldon helfe...
P.S.: Damit wir uns aber zumindest in einigen Punkten einig sind...
Also, selbst wenn die Geschichte auch nur halbwegs zeitgemäße Geschlechterrollen hätte (was sie nicht hat), (...)
Dem kann ich nicht widersprechen. Weibliche Charaktere sind auch in anderen Büchern nicht Asimovs Stärke, mit Ausnahme von Susan Calvin, vielleicht.
oder wenigstens gut geschrieben wäre (was sie nicht ist),
Ja, Infernal Teddys "hölzern" trifft es ganz gut. Erinnert mich etwas an Zimmer-Bradley (auch wenn deren Stil ganz anders ist): ME nicht besonders gut geschrieben, aber die Geschichten, das world building und die angesprochenen Themen reissen das für mich locker raus.
P.P.S.: Hast du eigentlich Dune gelesen?