Hallo liebes Tanelorn,
ich muss mir mal Luft machen! Für mich auf jeden Fall der Film des Jahres: Ghostbusters Afterlife (zu deutsch etwas unstylisch übersetzt in Ghostbusters Legacy) läuft ja demnächst an. Wir haben uns die Vorpremiere bereits reingezogen, zusammen mit einer Ansammlung weiterer Hardcore-Fans, die sich an diesem schönen Novemberabend im Kinosaal versammelten. Keine Sorge, die Spoiler gehen erst weiter unten los, ich sag' vorher Bescheid.
Hat ja eine Weile auf sich warten lassen, gell? Die blöde Pandemie hat das ursprüngliche Erscheinungsdatum von Frühling 2020 auf Herbst 2021 nochmal verzögert. Das war mir da auch schon fast egal, was sind schon eineinhalb Jahre in
diesem Kontext? Neulich ist mir aufgefallen, dass einer der ersten Internet-Artikel die ich überhaupt je gelesen habe, damals angekündigt hat, Ghostbusters Teil 3 solle womöglich "in den nächsten Jahren" erscheinen. Das war 10 Jahre nach Ghostbusters 2. Damals war das Internet eine ganz neue Erfahrung für mich: Ist ziemlich genau 20 Jahre her. Und so lange hat es dann tatsächlich gedauert, bis wir eine Fortsetzung zu sehen bekommen haben.
Ich habe ja gehört, es soll um die 2016 eine Art Ghostbusters-Remake gegeben haben, mit irgendwelchen Frauen in den Hauptrollen, und einer Neuerzählung der Originalgeschichte, aber das halte ich für ein
absurdes Gerücht; ich hab' so einen Film jedenfalls nie gesehen ...!
Mein Nerdismus ging so weit, dass ich sogar mehrfach Träume vom Besuch der Filmpremiere hatte, als der ursprünglich angesetzte Termin näher gerückt ist letztes Jahr ... Mit zu hohen Erwartungen muss man ja vorsichtig sein, war mir selber ja auch klar ... Dennoch waren sie halt da. Bin halt mit dem Ganzen aufgewachsen. Es gibt ein ganz gutes Video vom Angry Video Game Nerd, wo er sagt, er würde sich Ghostbusters 3 sogar angucken wollen, wenn die Handlung nur daraus bestehen würde, dass die alten Knacker auf dem Klo hocken würden. Das ist ganz gut gesagt, finde ich.
Die erste Ankündigung davon, dass die neuen Protagonisten alles kleine Kinder bzw. Teenies seien, hat mich nicht gerade jubeln lassen, aber nichtsdestotrotz seien auch fast alle noch lebenden Originaldarsteller wieder mit dabei, immerhin. Dass das Protonenpack an eine jüngere Generation weitergereicht werden würde, war ja klar, und durchaus überzeugend (und eigentlich bereits naheliegend seit der Zeichentrickserie "Extreme Ghostbusters" Ende der Neunziger). Und der Sohn von Ivan Reitman würde Regie führen, das wirkte nicht schlecht, ein Generationenwechsel, der diesmal der Sache gerecht werden würde. Die Trailer, die sie dann nach und nach auf Youtube rausgerückt haben, wussten meiner Meinung nach jedenfalls zu überzeugen. Vielleicht nicht genau das, was ich am Liebsten sehen wollte, aber immerhin die lange erwartete und lange fällige Fortsetzung der Geschichte.
Da ist er jetzt also endlich, Ghostbusters Teil drei ... irgendwie.
Jetzt gehen die Spoiler los! Erst den Film ansehen, dann bitte weiterlesen!Er ist auch durchaus sehenswert, finde ich. Der Anfang ist gut, der Mittelteil ist großartig. Die neuen Kinder-Protagonisten sind toll ausgesucht, gut geschrieben, und spielen ihre Rollen prima. Es hat diesen Stranger-Things-Touch, nicht nur wegen Darsteller Finn Wolfhard. Tatsächlich hat das Setting mit der spukigen Prärie-Kleinstadt mich überzeugt, obwohl ich das Setting für eine Fernsehserie passender gefunden hätte. Das langsame, durchaus liebevolle Erzähltempo hätte auch hier besser in ein Serienformat gepasst. Die neue Ausrüstung wie der Ausfahr-Sitz im Ecto-1, die ins Nachtsichtgerät integrierte Polaroid-Kamera, und die Fernlenk-Geisterfalle sind schöne Ideen, und auch schön umgesetzt. (Ein kleiner Wermutstropfen dabei nur: Warum können die Kinder per sofort damit umgehen, ohne echtes Training? Aber na ja, schon in Jurassic Park 1 konnten die Kinder in der Küchenszene den Raptoren entkommen, während Erwachsene gnadenlos weggesnackt wurden, das ist in Hollywood nun mal so. Kann ich akzeptieren.)
Okay, statt dem obligatorischen Auftritt von Slimer gibt es diesmal einen Geist namens Muncher, der im Grunde dasselbe tut, ein Vielfraß-Geist - buchstäblich dasselbe in Blau. Auf Slimer konnte ich ganz gut verzichten, es musste ja auch frischer Wind rein. Ivo Shandors Machenschaften zeigen sich in dieser Geschichte als weitreichender als einstmals gedacht und erstrecken sich bis nach Oklahoma, sowas Ähnliches war ja auch die Thematik in Ghostbusters The Videogame, jawoll, kann man gut machen, fügt sich prima in den ursprünglichen Story-Hintergrund ein. Okay, die beiden Terror-Hunde sind zurück, und sie machen genau dasselbe wie im ersten Film, um Gozer auf die Bildfläche zu holen. Na gut, warum nicht. Es trifft die Mutter zweier der Protagonisten als Zuul, unendlich weniger sexy als Sigourney Weaver es damals war, aber der Film will ja wohl modern und ein bißchen woke sein, also wird hier nicht auf Sexiness gesetzt; und den Lehrer der Kinder als ihr dämonisches Gegenstück Vince Clortho, statt dem kleinen Rick Moranis.
Und dann kommt der Punkt, an dem nach dem gelungenen Mittelteil das Finale in die Story reingepresst wird, um dem Kino-Format zu entsprechen. Alle Fäden müssen jetzt zusammenlaufen, ob sie wollen oder nicht, und sie wollen ganz offensichtlich nicht. Frau Alleinerziehende Mutter / Zuul reißt ihr Normalo-Outfit von sich und hat aus magischen Gründen das Outfit von Sigourney Weaver drunter, als die Torwächterin vor den Schlüsselmeister tritt. (Man hatte gedacht, das Teil sei eins der gewagteren Stücke aus Dana Barrett's Kleiderschrank, nicht etwa eine magische Manifestation von Zuul selber ...? Hatte man bei den Sumerern also Glitter-Stoff?!) Dies wirkt im Nachhinein wie die Stelle, wo die sorgsam ausgearbeitete Handlung zu Scheiße wird.
In einem hektischen, unübersichtlichen Hin und Her von Szenen begegnen die Ghostbuster-Kids Gozer in ihrem ausfaltbaren Tempel, diesmal in der Mine, und retten schließlich den Tag in einem verworrenen Endgegner-Kampf. An der Stelle von Gozer's Erscheinen "überschreibt" der Film die Handlung von Ghostbusters The Videogame (wo der Geist von Ivo Sandor ja bereits vorkam, und darin selber nach der Macht greifen wollte); schade, aber fast befürchtet. Spätestens im Nachhinein fällt aber auf, dass im Verlauf von Legacy noch mehr Handlungsstränge "entwertet werden": Nämlich Ghostbusters 2. Von manchen Fans wurde anhand der Trailer bereits vermutet, dass dies der Fall sein könnte, da das rostige alte Ecto-1 von Trevor Spengler ja so in seines Opas Garage aufgefunden wird, wie es in Ghostbusters 1 aussah - aber es war doch zwischenzeitlich zu Ecto-1A aufgemotzt worden in Ghostbusters 2? Und siehe da, es ist in Legacy immer nur die Rede von den Ereignissen in New York von 1984, nicht von denen von 1989, kein Vigo, kein Pneumatisches Transit-System mit rosa Schleim, kein Baby Donald! Hat sich Bill Murrays nachträgliche Abscheu vor Ghostbusters 2 auf diese Weise im Drehbuch niedergeschlagen?? Ray's okkulter Buchladen kommt vor wie in Ghostbusters 2, aber ein bißchen wie eine Neuerzählung dieses Schauplatzes. Ist also am Ende dieser neue Film also wirklich Ghostbusters 3, oder ... ein neuer Ghostbusters 2 ... oder vielleicht einfach Ghostbusters Teil Manweißesnichtsogenau?
Helden brauchen eine Motivation - Schurken auch. Wenn Gozer einfach erneut aus dem Hut gezaubert werden soll als Endgegner, dann hätte es diesmal einen Beweggrund dafür geben müssen. Einen Grund außer, "ist halt die Göttin der Unterwelt, will die Welt zerstören weil hat Bock drauf". Irgendetwas. Es hätte Überlieferungen geben können, überlebende Angehörige ihres Kultes aus den 40ern, welche als Sprachrohre ihre irre Glaubensdoktrin erklären, psychische Schreckensvisionen, irgendwas. Leider war da nix.
Das Ende schreckt nicht zurück vor jede Menge Disney-Kitsch, die Performance von Bill Murray, Dan Aykroyd, und Ernie Hudson wirkt blutleer und erzwungen, und ist äußerst kurz - aber genau die war doch der Grund, warum ich den Film sehen wollte! (Immerhin: Der große Typ mit der tiefen Stimme in der Kino-Sitzreihe hinter uns musste ein wenig flennen vor Rührung, als der gute alte Egon sich verabschiedet und dematerialisiert, immerhin einer fand's offenbar gelungen.)
Ein paar Sachen regen mich aber im Nachhinein richtig auf, hier als Mega-Spoiler-Liste von absoluten Inszenierung-Fehlgriffen, die man hätte tunlichst lassen sollen:
- Egon Spengler erscheint als Geist. Ich hatte es befürchtet. Anfangs sehr schön inszeniert als körperlose Kraft - wenn man denn einen derartigen Auftritt zwanghaft in der Geschichte haben will, meinetwegen so. Aber am Schluss manifestiert er sich vollständig, in bester, glitzernder Disney-Manier. Hey Moment, werden nicht fast alle Geister in dieser Story zu karikaturenhaften Monstern? Nicht er, er hat den Helden-Bonus, auch optisch!
- Gozer und Phoebe Spengler machen im Endkampf die Harry-Potter-gegen-Voldemort-Nummer, die schon bei Harry idiotisch wirkte: Ein Energiestrahl trifft auf den anderen, und im elektrischen Kräftemessen wandern sie vor und zurück. Igitt.
- Gozer packt händisch die Protonenstrahlen, um sie von sich zu reißen. So geschehen im bestenfalls mittelmäßigen Ghostbusters-Comic von IDW, hat da schon als unlogisch und absurd genervt. Aber als Element im Film: Geister, die Protonenströme anfassen können als wären es Lassos?? Ernsthaft? Es geht so weit, dass Gozer den Strom zurück zieht und einen Ghostbuster damit von den Füßen reißt, als sei der Protenenstrom ein Seil beim Tauziehen. Ehrlich gesagt idiotisch.
- Man kann die Terror-Hunde in Geisterfallen einfangen, ja okay. Aber auch, wie an einer Stelle geschehen, ohne sie vorher in einem Fangstrahl einzufangen?? Und ... man kann ein götzengleiches Wesen wie Gozer ebenfalls in Geisterfallen einfangen, wenn man nur genug davon aufbaut (wie in dieser einen Folge der Zeichentrickserie damals)?? Echt jetzt?
- Das Kreuzen der Ströme ist schlecht, haben wir alle verstanden. Also sauschlecht, kommt mit Pech dem Zünden einer Bombe gleich. Deswegen stören in Legacy zwei Sachen: Erstens, der olle Egon hat unter der Mine ein Gerät gebaut, das absichtlich, regelmäßig vier Protonenströme zu einem gebündelten Strahl kreuzt, und zwar unbeaufsichtigt, per Automatik!! Und zwar, um die Gegend zu schützen?! Das Explosions-Risiko war ihm wohl egal. (Oder das Kreuzen der Ströme ist doch nicht so schlimm wie in Ghostbusters 1 so sorgfältig etabliert, nur wird im neuen Film vergessen, das an irgendeiner Stelle so zu erklären.) Zweitens: Die drei überlebenden alten Knaben rauschen in die Szene, ballern auf Gozer, und das erste, was sie machen ist ihre Protonenströme kreuzen, wie als sei es ihr Standard-Move. Hat ja beim ersten Mal schon so schön funktioniert. Halt Moment, hat's ja gar nicht, da waren die Tempeltore das Ziel, und deswegen hatte es Sinn ergeben.
- Die Terror-Hunde haben immer noch die selbe Herangehensweise wie beim ersten Mal. Meinetwegen. Aber ebenso wichtig ist doch dabei, dass dann Gozer sterbliche Repräsentanten der Gegend "die Form des Vernichters" wählen lässt! Diesmal kein Wort davon. Alles, was Gozer diesmal will, ist ... auf ihrem Thron in irgendeiner Mine zu ... chillen?? Haben die Filmfritzen das Wählen einfach diesmal rausgelassen, weil es schon so entsetzlich in dem Remake verwurstet wurde (diesem Remake, das es angeblich 2016 gegeben haben soll)? Warum hat Gozer nach ihrem seit Ewigkeiten herbeigesehnten Erscheinen nichts vor, sondern wartet stumpf auf ...
- ... das nächste, noch dickere Ding: Phoebe Spengler tritt vor sie, und ... erzählt ihr Kinderwitze. Nicht nur einen: Einen nach dem anderen. Okay, meinetwegen ist eine von Phoebes Eigenschaften, dass sie furchtlos ist. Die vier Männer im ersten Teil hatten in dieser Situation eher Bammel, auch ihr Opa, aber nicht die zwölfjährige Phoebe. Meinetwegen. Aber diese Szene ist nur lächerlich, und nicht, weil die Witze völlig unwitzig sind, sondern weil Gozer Phoebe nicht einfach röstet, und sich stattdessen in Seelenruhe austricksen lässt.
- Man glaubt kurz, die Partikel von Egon Spenglers erlöstem Geist lösen sich auf und formieren kurz ... das Ghostbusters-Logo? Igitt, absolutes Corporate-Denken noch nach dem Tod?!
- Sigourney Weaver taucht ja gar nicht in der Handlung auf, das war nur ein Trick, um uns ins Kino zu locken! Sie ist nur in einer völlig sinnlosen Abspann-Szene dabei.
- Und schließlich, eigentlich das dickste Ding von allen: Die Background-Story von Legacy ist laut Ray Stantz, dass das Geisterjagen unwirtschaftlich wurde, nur noch Egon hat weiter geforscht. Warum wollte Ray stattdessen in seinem unrentablen Buchladen sitzen? Keine Ahnung, wird nicht erklärt. Dann kam Egon mit dem dringlichen Gesuch auf die anderen drei zu, sie müssten ihm beim Abwenden der Apokalypse helfen ... und sie sollen ihm schlichtweg nicht geglaubt haben?! Seine besten Freunde, mit denen er bereits in exakt solchen Abenteuern war?? Igitt.