Ist Biebers My Girl denn fortschrittlicher als Queens Bicycle Girl?
Ich nehme an, du meinst folgende Songs: Justin Biebers "Favorite Girl" (?) und Queens "Bicylce Race". Was natürlich die Frage aufwirft, was du da vergleichen willst und wo bereits die Wahl der Vergleichsobjekte eine Wertung suggerieren kann. "Favorite Girl" war kein Nummer-1-Hit von Bieber, "Bicycle Race" keiner von Queen. Letzterer war wegen des Musikvideos einigermaßen kontrovers. Wenn wir also den Wert dieser Künstler und ihrer Werke bewerten wollten, dann sollten wir die Beispiele entsprechend wählen, dass sie auch vergleichbar sind. Besonders wenn wir noch Beethovens 9te da mit reinwerfen. Also, ist jetzt Beethovens 9te das fortschrittlichere Musikstück oder Queens "Bohemian Rhapsody"? Und: Unter welchen Gesichtspunkten eigentlich.
Was ich sagen will: Schon die Wahl der zu vergleichenden Datenpunkte kann dazu führen, dass wir gewichtete Aussagen erstellen.
"Die Projektgruppe Ergebnisoffenheit, Selbermachen und Abenteuer ist ein deutschlandweiter Zusammenschluß von Mitgliedern des NEXUS e. V. zur Förderung der DIY- und Abenteuerspielkultur. Als Abenteuerspiele verstehen wir alle Elemente der Fantastik, die es den Spielern ermöglichen, spannende und abenteuerliche Dinge zu erleben. Dabei werden insbesondere die Spiele, Rollenspiele und Spielformen gefördert, die einen ergebnisoffenen Verlauf des Spielgeschehens ausdrücklich befürworten und zum Ziele haben, sowie die Förderung aller Selbermachkulturen."
Und warum sind dann das "Idee!"-Rollenspiel oder Fate nicht PESA-approved?
Nein, müssen sie auch nicht, denn schon was "spannend", "ergebnisoffen", "abenteuerlich" oder sogar "selbermachen" im Rollenspielkontext heißt... darüber kann doch trefflich gestritten werden und das ist subjektiven Setzungen ohne Allgemeinheitsanspruch unterworfen. Wie eben auch, was wir unter "fortschrittlich" verstehen.
Damit rückt es dann näher ans Theater — nachdem inzwischen Runden Geld durch Streaming verdienen, wäre das eine plausible Entwicklung. Für Streamer-Systeme.
Danke, dass mal wer diese Verbindung anspricht. Obwohl ich statt von "Theater" im Zusammenhang mit Actual-Play-Streams vielleicht eher von "Performances" sprechen würde. Für die klassische Theater-Situation fehlen einfach bestimmte Elemente, würde ich sagen. Etwa ein physisch anwesendes Publikum, ein im Vorfeld einstudierter Text, das Fehlen einer "Post-Production", also Schnitt, Nachvertonung, SFX, Bildschirmtext, etc.
Trotzdem: Auch wenn das im frühen D&D natürlich nicht explizit intendiert wurde, meines Verständnisses nach, dann ist der Teil des Rollenspiels, der fiktionale Inhalte am Tisch erschafft, nicht nur
diegetisch (erzählerisch beschreibend) sondern auch
mimetisch (gestisch/sprachlich nachahmend, schauspielerisch darstellend). In der Art, wie Rollenspiel üblicherweise gespielt wird, bleibt es nicht aus, dass wir schauspielern. Vielleicht schauspielern wir nicht "gut". Aber gerade wenn wir eine Immersion im Spiel anstreben, ist das Versenken in eine fremde Rolle eine Nachahmende, mimetische Handlung.
Da ist es auch nicht verwunderlich, dass aus dieser Richtung Einflüsse ins Hobby eingesickert sind, die abseits des im Ur-D&D ausformulierten Modellierens der Spielwelt liegen. Die ganze Traditionslinie Schauspiel => Improtheater => Character Play => Storygaming wäre ja so ein Einfluss von außen.
Insofern würde ich das hier
Was machen die Streamer? Sie ziehen aus einer von Beteiligung lebenden Handlung das Produkt eines passives Konsumgut. Das hat dann mit Rollenspiel selbst denke ich absolut nichts zu tun.
Wenn das Klicks gäbe, würden die genauso vor der Kamera häkeln.
als Zuspitzung verstehen. Schauspiel ist natürlich auch eine Handlung, die von Beteiligung lebt, weil die Spielenden, egal ob auf der Bühne, am Filmset, im Comedy-Club oder im Impro-Workshop, natürlich auch etwas tun müssen, damit Schauspiel stattfindet. Trotzdem würden wir ja nicht auf die Idee kommen, das Anschauen eines Theaterstücke oder Films grundsätzlich moralisch als etwas Verwerfliches zu bewerten ("Schaut euch diese Schauspieler bei 'Breaking Bad' an, die wollen doch nur Geld verdienen! Und Spielberg, Nolan und Anderson würden auch jemanden beim Häkeln filmen, wenn sie dafür Geld bekämen!").
Rollenspiele sind eben keine Sportveranstaltungen. Sport ist Sport. Rollenspiel ist Rollenspiel. Sport produziert aus sich selbst heraus keine fiktionalen Inhalte. Rollenspiel tut das. Und beides ist für Zuschauende attraktiv. (Und "Wrestling Shows" sind ein besonders schlechtes Beispiel, weil die natürlich auch eben "Shows" sind, also Performances).
Ganz ehrlich, vom kommerziellen Aspekt von Actual-Play-Streaming aus kann man natürlich seine Kunst- und Konsumkritik anbringen... aber dass solche Formate mit "Rollenspiel selbst" nichts zu tun hätten, das ist angesichts der unverbrüchlichen Verbindung zwischen dem "Spiel"- und dem "Rollen"-Aspekt von RPG eben einfach nicht richtig.
Ja, ich finde letztlich war es nur eine Frage der Zeit, bis jemand eine Rollenspielrunde mit hohem Unterhaltungswert vor der Kamera leiten würde und sich das Leute anschauen. Dass Rollenspiel als Performance funktioniert, folgt ganz zwingend daraus was Rollenspiel (auch) ist. Und dass das sogar eine Geldquelle destillieren kann, das ist letztlich nicht verwerflich, weil man aus allem, was man performativ vor Zuschauern tut, eine Geldquelle machen kann.
Die Critical-Role-Crew würde sich eben nicht häkelnd vor die Kamera setzen, weil die (mutmaßlich) Häkeln eben nicht so gut beherrschen wie Voice Acting (und vermutlich auch selbst nicht so einen großen Spaß daran hätten... ich meine Matt Mercer hat ja nicht erst "für die Kamera" mit Rollenspiel angefangen, sondern das auch zuvor schon als Hobby betrieben).