In der Zwischenzeit habe ich auch einige Bücher gelesen, welche ich entsprechend beitragen kann.
#8
Ian Mortimer - Im Mittelalter - Handbuch für ZeitreisendeDas Werk Mortimers ist eine ganz spannende Geschichte, weil es den Leser direkt anspricht und seine Vorstellungen etwas leiten und lenken möchte. Und so ist es ein guter Einstieg in die Thematik, weil das Buch durchaus begeisterungsfähig ist. Ein gelehrter Anspruch ist diesem Werk jedoch fern, sodass man - wenn man tiefer in die Materie will - darüber hinaus lesen muss. Mortimers Werk beschäftigt sich allen voran mit dem Mittelalter des 14. Jahrhunderts in England, ist jedoch recht umfassend auf den Alltag der Menschen ausgelegt.
Es lässt sich also auch mit großem Gewinn als Rollenspieler lesen, wenn man etwas mehr mittelalterliche Atmosphäre erschaffen möchte.
Um ein ganz großer Wurf zu werden, fehlt das quellenkritisch Elemente und die Gelehrtheit und auch ein wenig an sprachlicher Blüte, aber es ist ein gutes Buch.
7 von 10 Punkte
#9
Mark Forsyth - Eine kurze Geschichte der Trunkenheit: Der Homo alcoholicus von der Steinzeit bis heute Ich habe dieses Buch einem Freund zum Geburtstag geschenkt, nachdem ich einiges darüber gehört habe, und habe es mir im Nachgang auch selbst zugelegt. Die Prämisse fand ich ganz spannend, allerdings ist die Umsetzung nur teils gelungen. Forsyth versucht es mit einem eher humoristischen Ansatz, der hier und da auch funktioniert, aber meist leider albern oder - noch schlimmer - gezwungen rüberkommt.
Zudem sind viele historische Begegebenheiten natürlich etwas umgeformt, um mit Alkohol besser erklärbar zu werden. Das ist für das Buch in Ordnung, und man darf die Rolle des Alkohols sicher nicht vernachlässigen. Insgesamt jedoch bleibt das Buch eine recht flache Abhandlung, bringt einen aber hier und da zum Schmunzeln, doch viel mehr als leichte Unterhaltung will es dann am Ende ja auch gar nicht sein.
6 von 10 Punkte
#10
Umberto Eco - Verschwörungen - Eine Suche nach Mustern Das Buch ist eigentlich eine kleine Zusammenstellung von drei Vorlesungen, die an sich im typischen Geiste Ecos sehr gelehrt und sprachlich hochwertig sind. Letztlich sind die Erkenntnisse Ecos zu diesen Themen nicht unbekannt - immerhin spielt diese Thematik ja auch eine große Rolle im Namen der Rose - doch hier sind seine Thesen zur Fiktion von Weltverschwörungen wunderbar auf den Punkt gebracht und ungemein - sprachlich und analytisch - lesenswert.
Nicht alle Parts der Vorlesungen passen zum Titel, es ist insofern nicht reine Suche nach Mustern, aber dennoch eine erhellende und belohnende Lektüre. Gerade auch hier wieder mit dem Blick auf den Rollenspieler. Wir wollen ja nicht vergessen, wie nah wir Rollenspieler doch dem Verschwörungsdenken gerne sind innerhalb unserer Runden. ;-)
7 von 10 Punkte
#11
Friedrich Nietzsche - Der Antichrist: Versuch einer Kritik des ChristentumsIch bin bekanntermaßen ein großer Freund philosophischer Literatur und div. philosophische Thesen, Ideen und Gedanken spielen in meinen Spielrunden immer eine vordergründige Rolle; an dieser Grenze befindet sich ja auch der Umgang mit Religion. Als Historiker habe ich mich auch immer viel mit der Schismengeschichte und dem Widerstand gegen Religion auseinandergesetzt, aber nie habe dafür Nietzsche herangezogen, so naheliegend dies wäre.
Jetzt habe ich das also getan. Und ich hätte es lassen können, vielleicht sogar sollen. Für ein so einflussreiches Buch im Denken Nietzsches und seiner Philosophie, für ein so angenommenes Werk wider das Christentum, ist es doch verblüffend ungelehrt und langweilig. Vielleicht habe ich das im falschen Zeitgeist gelesen, denn Nietzsches Antichrist ist vor allem ein anmaßender, etwas überheblicher, manchmal auch pointierter Rant, in dem er seine eigene Ansicht - häufig ohne Argument - platziert und wahrscheinlich seine eigene Vergangenheit aufarbeitet.
Im 19. Jahrhundert mag das für Aufsehen gesorgt haben. Zum Glück hat Nietzsche gelehrtere Werke geschrieben, die eine Auseinandersetzung mit ihm und seiner Philosophie rechtfertigen. Dieses jedoch ist nur geeignet, um treue Christen zu schockieren oder zu provozieren. Vielleicht kann man als billigen Einstieg in eine tiefgehendere Diskussion um das Christentum nutzen, aber auch da gibt es geeignetere Werke als diesen doch eher zähen Rant.
2 von 10 Punkte
#12
Michael Frayn - Das SpionagespielDas Spionagespiel ist ein im Feuilleton sehr gelobtes Werk gewesen, welches ich mir dann schließlich auch zulegte. Michael Frayn beschreibt im Kriegsengland das Schicksal eines kleinen, häufig gehänselten Jungen, der sich mit seinem Freund vorstellt, dass dessen Mutter deutsche Spionin ist. Darauf aufbauend nimmt die Geschichte mit der einen oder anderen schrecklichen, wenn auch angedeuteten, Wendung seinen Lauf.
Wir erleben alle Elemente eines Spionageromans, nämlich Seitenwechsel, Desinformationen, Verrat, allerdings alles aus der Sicht eines Jungen, und im Rahmen einer kleinen, fast heil wirkenden Vorortsiedlung, die alsbald kleine Risse zeigt.
Unser kleiner Protagonist ist durch das ganze Buch dabei konsequent schwach und in einer Verteidigungsrolle und nicht der Souverän dieser Geschichte, sondern eher Getriebener der Ereignisse, verloren in seiner Erkenntnislosigkeit und in dem Spiel, welches alsbald kein Spiel mehr ist.
Der Autor entscheidet sich dafür, dass aus einer verzerrten Ich-Perspektive zu erzählen, denn die Geschichte des Jungen wird von eben diesem erzählt, jedoch im hohen Alter, als dieser versucht, die Ereignisse von damals abzuschließen.
Besonders wirkungsvoll ist dabei, dass Frayn versucht, die kindliche Perspektive des Verstehens zu erhalten und daraus die Spannung des Werkes zieht und dieser Punkt ist zurecht hoch gelobt.
Allerdings sind die Rollen so sehr funktional angelegt, auf diese Stereotype des Spionageromans, dass sie ihre eigene Charakteristik an vielen Stellen verlieren und die Rollen eben nur Kostüme bleiben, und so wenig getan ist, um die Vorstadtmenschen vorstädtisch und menschlich wirken zu lassen. Dadurch ergibt sich wenig menschliche Spannung, obwohl sie häufig angedeutet werden soll. Darüber hinaus hat mich der Schreibstil, oder zumindest seine Übersetzung, nicht angetan. Interessanterweise spricht der Alte, wenn er von sich als Jungen spricht, manchmal in der 1. und manchmal in der 3. Person, sodass angedeutet ist, dass er sich noch heute unsicher über die Vorgänge ist.
Dass der Schreibstil letztlich nicht eindringlich genug, die Spannung nur angedeutet, die Schwächen der Menschen sich nur in der Rolle des Protagonisten zu kulminieren scheinen, und die Charaktere letztlich nur Schattenspielereien sind, tun dem Werk meines Ermessens nach weh.
Zwar versucht der Protagonist zu erläutern, warum ein Kind die charakterlichen Tiefen nicht analysieren kann, aber dennoch wäre dann die emotionale Sicht des Jungen noch wichtiger gewesen. Und die erschöpft sich auf Weinen und Ratlosigkeit, und wird damit der kindliche Psyche wohl kaum gerecht.
Wie dem auch sei, die Elemente, die Michael Frayn versammelt hat, sind beachtlich und an sich gut gewählt, und dennoch will es nicht so richtig klick machen. Es ist eine gut gewählte Kulisse, eine spannende Voraussetzung, doch durch mangelnde Charakterisierungen und den etwas distanzierten Schreibstil (trotz 1. Person) bleibt es leider nur eine durchschnittliche Lektüre.
4,5 von 10 Punkte