Ich habe ziemlich viel gelesen, aber hier seid fast zwei Monaten keinen Zwischenstand gegeben. Danke also für die Erinnerung.
#28
J.R.R. Tolkien - The Two TowersZu dem Werk braucht wohl nichts gesagt werden. Nach wie vor ein wichtiges Stück Literatur in meinem Leben. 8,5 von 10 Punkte.
#29
Melanie Möller - HomerDer Reclam-Verlag hat inzwisch eine Reihe aufgegeben, die komplexe literarische und historische Phänomene auf 100 Seiten erklären will. Frau Möller versucht das mit Homer, in dem sie ihn auch bewusst sprachlich und ideell teils in die Moderne holt. Netter Versuch, aber aufgrund der Kürze natürlich nicht besonders substanziell. Insgesamt aber trotzdem ein gelungener Einstieg in die Homer-Denkwelt. 6 von 10 Punkte.
#30
François Jullien - Es gibt keine kulturelle IdentitätInteressanter Essay darüber, dass es keine kulturelle Identität gibt, da Kultur letztlich zu formbar ist. Jeder Versuch, sich Kultur eigen zu machen, führt in die gedankliche Spaltung und Kultur lebe aber von Aneignung, Transfer und Entwicklung. Ein Plädoyer dafür schon Unterschiede - Distanzen - zu erkennen, sie aber nicht als Grenzziehungen zu verstehen, sondern als Aufforderungen zur Beschäftigung, Aneignung und auch Überwindung. Jullien sieht Kulturgut also eher als Ressource, die jeder nach Gutdünken verwenden kann und sollte. Gerade in den aktuellen Aneignungsdebatten, die ja eher negativ formuliert sind, ein kluger und spannender Beitrag. 7 von 10 Punkte.
#31
Carsten Jensen - Wir ErtrunkenenDieses Buch ist irgendwo zwischen sanfter Milieustudie, Seemannsgarn, seemännischer Kulturgeschichte und bunten Erzählungen angesiedelt, in einer von Härte geprägten Welt, in der das Sanfte noch etwas sanfter wirkt, und die Härte angstvoll und sinngebend. Es sind Erzählungen, in denen die Menschen als Reflektionen des Meeres daherkommen, mal unbarmherzig hart und aufdringlich wie eine stürmende Flut, mal still wie bei Flaute, mal standhaft, mal weichend, mal den Rhythmen von Ebbe und Flut folgend; aber immer und ausnahmslos immer sind sie ausgeliefert.
Das Ausgeliefertsein ist eines der zentralen Themen: den weltgeschichtlichen, technischen und sozialen Entwicklungen, dem Meer, den anderen Seeleuten, den anderen Menschen im Allgemeinen und doch sind die Menschen auch immer sich selbst ausgeliefert, versuchen vor sich zu fliehen und werden dann doch wieder eingeholt. Einerlei, ob es Laurids, ob es Albert, ob es Knut Erik ist. Und in diesem Ausgeliefertsein wird das Überleben, aber auch das Untergehen, ja, im Ganzen der Prozess des Ertrinkens bzw. des Gefühls dessen zum verbindenden Erlebnis aller Erzählungen und Geschehnisse. Und zum anrührenden Stück einer Geschichte, in der es nie wirkliche Helden und Antihelden gibt, sondern alle Beteiligen - wie das Meer - immer alles sind: versorgend, herausfordernd, nehmend, gebend und zerstörend.
Und das macht das Buch zu einem ganz besonderen Wälzer, weil es bei aller Härte nie die Menschlichkeit (und dessen Grenzen) vergisst, weil es bei allem Garn und allen Erzählungen auf den Takt des Meeres achtet, und berührt, und überläuft und sich manchmal auch entzieht.
So lässt sich letztlich feststellen, dass dem Buch etwas von der Magie des Meeres eigen ist und wer sich an dicken Wälzern abarbeiten mag, dem ist dieses Buch wärmstens ans Herz gelegt.
9 von 10 Punkten
#32
Daniel Keyes - Flowers for AlgernonEin außergewöhnliches Buch, wie ich finde, schließlich zeigt es den intellektuellen Aufstieg von Charlie Gordon aufgrund eines Eingriffs und schließlich auch wieder seinen Niedergang. Die technisch-medizinische Komponente ist zweitrangig, sondern dieses Sci-Fi-Werk aus Jahr 1959 ist eher reflexiv gedacht und gemacht durch die Ego-Perspektive des Charlie Gordon, der mit wachsender Intelligenz zunehmend seine Menschlichkeit verliert und dann bei retardierender Intelligenz wieder zurückfindet. Es ist eher ein Gefühlsbuch, um es mal so auszudrücken, welches in der Entwicklung und Gestaltung beeindruckt. Sehr lesenswert. 9 von 10 Punkte.
#33
Horst Herrmann - Um Kopf und Kragen: Hinrichtungsmethoden und -maschinenEs ist leider nur ein kleines, in sich geschlossenes Lexikon, das keine externen Verweise liefert, um sich näher mit der Thematik zu beschäftigen. Darüber hinaus ist die Quellenlage, sind auch die Beschreibungen nicht ganz auf dem Niveau, das ich zu finden hoffte.
Als Einstieg in die Thematik sicherlich ganz nett, um den einen oder anderen Begriff schonmal zu hören, aber wer wirklich in die Thematik einsteigen möchte, muss sich leider nach anderen Werken umsehen.
Es liefert nämlich weder Quellenkritik, noch erläutert es die Verfahren ausreichend, noch stellt es die Debatte zwischen Strafrecht und Humanismus ausreichend da; es kommentiert nicht, es zählt einfach nur auf.
3 von 10 Punkte
#34
Brian McClellan - The Crimson Campaign - Powder Mage 2Letztlich kann ich mein Resümee zu Band 1 hier einfach nochmal einstellen.
Das war mal eine etwas andere Fantasy, gemischt mit Schwarzpulver und Revolution. Das Buch ist extrem kurzweilig und lässt sich schnell weglesen, allerdings wartet es dafür mit recht wenig Tiefgang auf. Die Hebel, mit denen die Charaktere erpresst und konfrontiert werden, sind recht archetypisch beschrieben. Jeder Charakter wird als übermäßig großartig und pseudoambivalent dargestellt. Die Charaktere sind grundsätzlich grau angelegt, allerdings gibt es auch kaum Schattierungen, sodass das allein noch keine Leistung ist.
Das heißt aber nicht, dass es nicht interessante Ansätze gäbe, wie etwa den Vater-Sohn-Konflikt zwischen Tamas und Taniel. Das Magiekonzept, welches McClellan sich ausgedacht hat, ist geistig aus der Brandon Sanderson-Schule, sprich: denk dir erst die Magie aus, und baue dann die Welt dazu. Dass es Schwarzpulvermagie gibt, und eher konventionelle Magie, und dann dazu noch jede Menge Leute mit magieähnlichen, aber kleinen Fähigkeiten, macht diesen Teil zu dem spannensten Part, da man mit der Welt auch mehr von der Magie und ihren Funktionen entdeckt.
Allerdings ist diese Geschichte mit jeder Menge - und das muss man dann mögen - klassischem Machismo geschrieben. Alle wichtigen Charaktere sind Männer, die mit Kampfgeist sind sowieso Männer und nur hier und da deutete eine der wenigen weiblichen Charaktere sowas wie Charakter an. Das ist schade, weil da ein paar Grundelemente des Buches gewesen wären, denen starke Frauen echt gut getan hätten.
Das Buch ist der Auftakt zu einer Trilogie, und wer weiß, vielleicht halten spätere Bücher genau das. Wer aber auf kurzweilige Fantasygewalt in einem pseudohistorischen Setting der französischen Revolution stehen kann, der wird mit einem kurzweiligen Buch unterhalten.
Band 2 unterscheidet sich dadurch, dass es etwas mehr Detektivgeschichten mitlaufen lässt, die aber auch eher over the top sind. Was mich in Band 2 noch mehr als in Band 1 gestört hat, ist, dass McClellans Standardweg eine Szene zu beenden die Bewusstlosigkeit ist. In Band 2 endet fast jede Szene so und führt zum Wechsel. Das ist manchmal ermüdend. Die Frauen sind etwas stärker ausgestaltet, aber weit davon weg, stark zu sein. Sie operieren, selbst wenn sie exponierte und starke Rollen haben sollen, am Rande eines GZSZ-Scripts und sind eher für die Beziehungen als für die Entscheidungen der Geschichte von Bedeutung, und eben auch sehr eindimensional dargestellt. Insgesamt verfestigt sich aber der Eindruck aus Band 1 auch insgesamt, und es bleibt gut und unterhaltend lesbar. 7 von 10 Punkte.
#35
Jerome de Groot - Consuming History - Historians and heritage in contemporary popular cultureIch habe noch nie so lange an einem Buch gesessen und so viele Versuche gebraucht, es zu lesen.
Der Autor hat mich nämlich nicht abgeholt, sondern mich stattdessen in eine Myriade von Themen geworfen, über die ich mir durchaus Gedanken gemacht habe, aber dennoch war der Zugriff schwer.
Warum? Das liegt zum einen daran, dass der Autor eine gewisse Vorbildung erwartet, die man gegenüber der britischen, und teils amerikanischen, Kulturszene haben sollte. Hat man diese nicht, muss man sich einfinden.
Glücklicherweise gab es genug Überschneidungen, dass ich dahingehend am Ball bleiben konnte. Zum anderen ist das Werk zum größten Teil deskriptiv und insofern ist diese Deskription, wie Geschichte in der Moderne konsumiert wird, wenig interessant für Personen, die im digitalen Zeitalter aufgewachsen bzw. mit ihm gewachsen sind, denn das meiste ist aus Ansehung bekannt.
Die Deskriptionen sind trotzdem kurz genug, um einen guten Einstieg zu gewähren, aber zu kurz, um eine wirkliche Beschäftigung zu ermöglichen.
Das ist letztlich schade, denn de Groot hat zu der ein oder anderen Thematik (v.a. bezüglich Dokumentationen und historischen Romanen, die ein wenig sein Schwerpunkt sind), interessante Punkte, die einer tieferen Debatte harren. In vielen Punkten fasst seine Übersicht aber zu kurz und lockt nicht. Es bleibt also ein erster Einstieg in die vielen Arten, wie wir Geschichte konsumieren und auch verhandeln, konstruieren, hinterfragen, erleben etc.
Insofern bleibe ich mit einer geteilten Meinung zurück, bereue aber nicht, mich durchgekämpft zu haben.
6 von 10 Punkte.
#36
J. Robert King - The Thran
Als alter Magic-Spieler wollte ich dem Ganzen mal eine Chance geben, gerade da der Spielleiter unser Heimatrunde seine eigene Version der Thran in seiner Kampagnenwelt nutzt. Insofern habe ich mich ohne Erwartungen an diesen Franchise-Roman gemacht, und bin tatsächlich überrascht worden. Die Geschichte hat nicht viel Tiefgang, sie hat auch keine besonders erinnerungswürdigen Nebencharaktere, aber sie ist ziemlich konsequent, denn das Buch erzählt den Aufstieg Yawgmoths bis zu seiner Apotheose und etwas darüber hinaus. Das Buch besticht eigentlich durch wenig, außer durch sehr brutale Kampfbeschreibungen und nuklear-magischen Fantasien, aber dennoch bleibt es sich immer treu und erzählt ein wenig über die Ursprünge der modernen Magicgeschichten, und es erzählt sehr konsequent den Aufstieg eines Bösewichts. Insofern ist es seichte, leicht brutale Unterhaltung, die am Ende trotz allem gefällig bleibt, ohne dass sich aufdrängt, ein Meisterwerk gelesen zu haben. 7 von 10 Punkte.
#37
Masaji Ishikawa - A River in Darkness: One Man's Escape from North Korea Ich weiß gar nicht so recht, wie ich beginnen soll. Ich gönne keinem, was dieser Mann durchgemacht hat. Allerdings ist dieses Erinnerungsstück mehr ein Rechtfertigungsmemoir als eine Beschreibung der Zustände. Besonders hervorzuheben ist, dass der Autor sowohl in Japan als auch in Nordkorea durch das Raster gefallen ist und seit jeher ein Leben am sozialen Rand geführt hat, insofern können wir auch gar nicht viel über Nordkorea oder das Nachkriegsjapan lernen. Stattdessen hält der Autor sich an seine enge Perspektive aus Ausgeliefertsein, Armut und fortwährender Hoffnungslosigkeit, und dies macht die Erinnerung sehr bedrückend und beklemmend. Gleichwohl sortiert er sehr stark in gut und böse, wobei er sich auf der guten Seiten sieht. Auch seine Entscheidungen gegen andere Personen sind dementsprechend nicht kommentiert und zeigen seine Verzweiflung eher zwischen den Zeilen. Das furchtbarste Elemente für ihn, als auch für den Leser, ist, dass er sich am Ende aus Verzweiflung gegen seine Familie zur Flucht entscheidet. Er reflektiert immer, dass er dies nur tut, um seine Familie zu retten. Seine Versuche, diese dann tatsächlich zu retten, erscheinen nicht mehr. Gleichwohl ist der Frust spürbar, dass das Land Japan die Rettung nicht übernimmt.
Ich bin zwiegespalten. Wie gesagt, das von ihm geschilderte Schicksal wünsche ich keinem. Und ich verstehe die Verzweiflung, denn aufgrund eigener Tat, eigenen Wünschen und Hoffens ist an der Situation wenig zu ändern, und doch bedrückt mich am meisten, dass es alles so wirkt, als sei es ein Rechtfertigungschreiben vor sich selbst und seiner Familie.
Insofern tu ich mich hier auch schwer, Punkte zu vergeben. Wahrscheinlich ist es so, dass man es lesen sollte, weil man so die Hoffnungslosigkeit versteht, wenn man in einem derartig oppressiven System aufwächst und nichts ändern kann. Andererseits muss trotz all des Schreckens ein gemäßigter Zweifel erlaubt sein, den ich oben zu beschrieben versuchte.
#38
Lothar Machtan - Kaisersturz: Vom Scheitern im Herzen der Macht 1918Es ist ein kleines, gut lesbares Geschichtsbuch, welches aber in seiner historischen Perspektive bisweilen auch enttäuscht. Es liegt daran, dass Machtan lediglich Wilhelm II., Max von Baden und Friedrich Ebert betrachtet und das Buch aus seiner Sicht ihrer Sicht beschreibt. Das ist einerseits spannend, andererseits ist aber so, dass der Autor mit einer sehr starken Meinung über die intellektuellen, politischen und menschlichen Fähigkeiten über die drei Protagonisten startet. In diesen ist Machtan sehr festgelegt, aber erläutert nicht wirklich, wie er zu dieser Schlussfolgerung kommt. Dass er deswegen die objektiven Fakten teilweise etwas außen vor lässt und die Entscheidungen der Protagonisten sehr im Rückspiegel und aufgrund seiner Charakterisierung bewertet, macht es historisch mindestens fragwürdig. Es wäre dahingehend besser gewesen, zumindest ein Rüstwerkzeug aufzustellen und daran die Charakterisierung zu erläutern. Das unternimmt Machtan mitnichten. Dadurch aber, dass er so festgelegt ist, liest sich der Lauf des Kaisersturzes jedoch zumindest unterhaltend und dann in der Charakterisierung Machtans gefühlt folgerichtig.
Dass die politische Situation komplexer war, als man an diesen drei Herren offenbaren kann, scheint offenkundig und so bleibt das Werk meines Erachtens ein wenig schuldig. Unterhalten hat es mich trotzdem. 5,5 von 10 Punkte.
#39
J.R.R. Tolkien - The Return of the KingAuch hier brauche ich nicht viele Worte verlieren. Für mich bis zur Zerstörung des Ringes eins der besten Werke der Weltliteratur. Der lange Epilog nimmt ihm etwas von seiner Wucht, aber dennoch 9 von 10 Punkte.
#40
Basma Abdel Aziz - Das TorEine Dystopie, die sich durch ihre Unklarheit auszeichnet. Im Kern geht es um die Unfassbarkeit - im doppelten Sinne - der totalitären Gesellschaft im Roman, in dem es nicht wirklich eine treibende Idee, einen treibenden Kern, ein Ideal gibt, sondern sich alles in Unerkennbarkeit, in der Verlangsamung und in der Unfassbarkeit des Regimes verliert, welches lügt und verneint und versetzt und verlangsamt.
Diese Wahl erscheint auf den ersten Blick klug, da sich aber auch die Protagonisten dahinentwickeln, dass die selbst immer unklarer und unfassbarer werden, sich selbst verlangsamt und aufgehalten sehen, entwickelt sich auch die Sprache dahin. Sie ist langsam, oberflächlich beschreibend und mehr verhüllend als enthüllend. Stilistisch ist das im Rahmen der Darstellung nachvollziehbar, sorgt aber nicht gerade für ein hohes Lesevergnügen.
Diese Entscheidung bleibt dennoch in Hinblick auf Konstruktion gut, jedoch ist das kurze Buch dafür noch ein wenig zu lang. Wir lernen, wie diverse Beteiligte im Laufe des Romans verändern, weil sie sich auf die Gegebenheiten einstellen, oder in einer kurzen Wut vom System bezwungen werden. Alles bleibt so unklar wie es soll. Doch die Geschichte wäre wirkungsvoller gewesen, hätte sie sich im Rahmen einer Kurzgeschichte aufgehalten und einige Mäander gekürzt. Dann wäre das Ziel der Autorin sichtbar geblieben und man wäre nicht so lange im Unklaren geschwommen und hätte den totalitären Impetus des Buches dennoch verstanden.
Es wird gesagt, dass das Buch auch eine satirische Antwort auf die Herrschaft al-Sisis in Ägytpen gewesen sei. Das mag sein. Gleichwohl in ihrem dystopischen Wert fügt die Autorin der Dystopiegeschichte keine neuen Elemente zu. Ihr zentrales Anliegen ist mir zu langsam und dann auch wieder zu singulär, als dass ich das Buch als wirklich gut bewerten würde. Bliebe also noch das Menschliche zu beschreiben. Hier sind die guten Ansätze des Buches, nämlich einen Teil der Betroffenen zu charakterisieren und ihre Veränderung erkennbar zu machen. Doch hier geht es mir dann wiederum, wenn man das tun wollen würde, wieder nicht tief genug. Und so bleibt es auch hier unklar, was letztlich die wirklichen Motive sind, die die Personen antreiben. Und so fiebert man doch höchstens wie die langsam tötende Schusswunde des Protogonisten auf das Ende zu.
4,5 von 10 Punkte