Ich mag Hard SF und habe da schon den Anspruch, die Auswirkungen der technischen und sozialen Entwicklung plausibel und für die Spieler sichtbar am Tisch darzustellen (zumindest beim ersten Kontakt). Das finde ich durchaus herausfordernder als die üblichen Fäntelalter-Settings, vor allem da viele SF-Tropes in meinem Bekanntenkreis weniger bekannt sind.
ABER:
- das ist bei anderen Subgenres von SF nicht so ausgeprägt
- das hat nicht primär etwas mit "Technik" zu tun
- das ist mein ganz persönlicher Anspruch und damit auch mein persönliches Problem.
Das.
Ich glaube, von Samuel Delany stammt der Begriff des "Novums", des neuen (üblicherweise technischen) Elements, das in Bezug auf die in ihm impliziten gesellschaftlichen Veränderungen durchdacht wird - in Bezug auf die Frage, wie sich durch sein Auftreten das Menschsein verändert. (Alternativ gibt es auch noch die Frage, was von dem Menschsein, wie wir es heute kennt, erhalten bleibt, wenn eine ganze Reihe Nova auftreten - woran sind Menschen in einem fremdartigen Universum noch als Menschen erkennbar?)
SF verbinde ich persönlich mit dem Anspruch, das zu durchdenken.
Ein gutes Beispiel im RSP ist Wiederbelebung (Fantasy) und Re-Sleeving (SF). Natürlich kann man Letzteres wie Ersteres behandeln, aber für mich steckt in der SF der Anspruch dahinter, die gesellschaftlichen Auswirkungen davon zu durchdenken. Eclipse Phase und Mindjammer machen das z.B. (und kommen dabei zu völlig unterschiedlichen Schlüssen), und es ist schon ein relativ hoher gedanklicher Aufwand, sich damit auseinanderzusetzen und die Implikationen im Rollenspiel auch umzusetzen.
Natürlich kann man Wiederbelebung (Fantasy) im RSP andererseits auch der SF-mäßig behandeln; wird aber selten gemacht. Feste Preise für eine Wiederbelebung im Tempel gehen in die Richtung, aber die Frage, was das mit einer Geselschaft machen würde, wenn der Tod für die, die es sich leisten können, nicht endgültig ist, wird meistens kaum erforscht. Letztendlich bleibt Wiederbelebung dann doch eine Ausnahme für besondere Leute, die keine Auswirkungen auf die Gesellschaft als Ganzes hat. Bei der SF schwingt dagegen aufgrund des technischen Hintergrunds viel mehr die Erwartung der breiten Reproduzierbarkeit auf gesamtgesellschaftlicher Ebene mit - wenn es prinzipiell geht, muss es auch immer und überall gehen (das entspricht vielleicht auch nicht der Wirklichkeit, aber unserem Fortschrittsdenken). Man kommt also in der SF kaum daran vorbei, gesamtgesellschaftliche Auswirkungen einer solchen Technologie zu durchdenken.
Mehr Aspekte davon:
Die Fantasy kann oft mit einer eindeutigen Metaphysik aufwarten (wenn jemand wiederbelebt, ist er wirklich dieselbe Person, die Seele kehrt in den geheilten Körper zurück). Zu spekulativer SF passt das weniger (entsprechend verändert sich bei Eclipse Phaser das Menschenbild zu einem "distribuierten", und bei Mindjammer wird davon ausgegangen, dass ein Informationssatz, der eine Person repräsentiert, nicht dessen Seele oder kontinuierliches Bewusstsein darstellt, sondern ein Eidolon ist und ein neuer Körper mit diesem Informationssatz eine neue Person ist). Wenn man das Thema in der SF wirklich bespielen will, steckt also auch eine Menge philosophische Diskussion drin.
Bei der Fantasy sind die philosophischen Diskussionen dagegen oft weniger an einen rigorosen Diskurs geknüpft, da kann es zwar auch ziemlich hoch hergehen in der Diskussion, aber wenn es um Fragen z.B. von Gut und Böse geht, kommt man mit dem eigenen Bauchgefühl doch schon sehr viel weiter.
Nur zur Klarheit: Man kann in all diesen Beziehungen SF-Settings wie Fantasy-Settings behandeln (siehe Star Wars) und umgekehrt (tatsächlich gibt's im Rollenspiel für mich gerade in Bezug auf Magie eine Tendenz zu einer gewissen Science-Fictionalisierung des Settings). Aber ich verbinde mit Fantasy nicht so sehr den Anspruch gesellschaftlicher Extrapolation. Mit der Art von SF die ich mag und die mich interessiert hingegeben schon. Und das ist mir am Spieltisch dann oft zu anstrengend. Kann man jetzt natürlich sagen: "Dude, dann spiel doch einfach Star Wars oder Firefly of so was!", aber mit denen bekomme ich ja nicht das, was ich von der SF will, d.h.: Dann kann ich auch gleich bei der Fantasy bleiben und habe dann nicht das nagende Gefühl im Hinterkopf, dass man diese oder jene Prämisse in Bezug auf das Setting aber doch noch mal genauer durchdenken müsste.