Autor Thema: [kein echter RANT] SF ist NICHT technisch!  (Gelesen 4544 mal)

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Online Prisma

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Re: [kein echter RANT] SF ist NICHT technisch!
« Antwort #25 am: 22.02.2022 | 13:19 »
Zum Vergleich Star Wars / Star Trek:

Ich finde, das kann man nicht so leicht vergleichen, weil die Settings schon von ihren Figuren unterschiedliche Voraussetzungen haben.

Bei Star Wars sind hauptsächlich normale Leute die Helden, die vorallem eine besondere Gabe (z.B. die Macht), Mut und über ein Gerechtigkeitsgefühl verfügen (und ganz viel Plotarmor :) ). Luke ist Farmer, Autodidakt-Pilot und machtsensitiv. Han Solo, war oder wollte Kampfpilot werden und ist jetzt in der Tat Trucker. Das sind Everyday-Heroes. Mon Mothma, General Madine, usw. dürften hochkarätige Spezialisten sein, die sich in jeweiligen Fachkreisen eines entsprechenden Vokabulars bedienen dürften. Wenn etwas unbedingt funktionieren soll, wird es mit "Die Macht war mit ihm" oder mit "Er ist halt ein guter Pilot" erklärt.

Star Trek wimmelt nur so von hochausgebildeten Fachleuten. Auch die jeweiligen Kapitäne umgeben sich mit Wissenschaftlern, Ingenieuren und Soldaten. Kirk ist ein Abenteuerer, Picard ein Diplomat und Sisko ein Militär, Janeway ist eine Wissenschaftlerin und Archer ein Entdecker. Alle sind Akademieabsolventen und bewegen sich ständig in ihren Fachkreisen. Natürlich sprechen sie anders als Han Solo in der Cantina. Sie sind keine Everyday-Heroes, sondern passen eher in das Muster des "Scientist-Adventurers". Wenn hier etwas unbedingt funktionieren soll, wird es mit Technobabbel erklärt.

« Letzte Änderung: 22.02.2022 | 13:21 von Prisma »
Mit einem 7er-Set, stehen ganze Universen offen.

Noir

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Re: [kein echter RANT] SF ist NICHT technisch!
« Antwort #26 am: 22.02.2022 | 13:30 »
Wie fast immer bin ich hier komplett bei Boba. Für mich macht es überhaupt keinen Unterschied, ob ich im Spiel sage:

"Ich konzentriere mich, greife den magischen Stab der Elemente und schleudere einen Blitz auf die Orkarmee!" *würfelt einen Würfel*

oder

"Ich vertraue auf meine Ausbildung als Techniker, verkable den Energieturm neu, damit dessen Strahlen sich gegen die Aliens selbst richtet!" *würfelt einen Würfel*

Selber Startpunkt. Selbes Ziel. Selbes Ergebnis. Nur ein anderes Setting. So kann (und würde) ich auch Star Trek bespielen.

"Technobabbel das ich selbst nicht verstehe bereit? Ja? Alles klar! Make it so!" *würfelt einen Würfel*


Pyromancer

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Re: [kein echter RANT] SF ist NICHT technisch!
« Antwort #27 am: 22.02.2022 | 13:41 »
Wie fast immer bin ich hier komplett bei Boba. Für mich macht es überhaupt keinen Unterschied, ob ich im Spiel sage:

"Ich konzentriere mich, greife den magischen Stab der Elemente und schleudere einen Blitz auf die Orkarmee!" *würfelt einen Würfel*

oder

"Ich vertraue auf meine Ausbildung als Techniker, verkable den Energieturm neu, damit dessen Strahlen sich gegen die Aliens selbst richtet!" *würfelt einen Würfel*

Selber Startpunkt. Selbes Ziel. Selbes Ergebnis. Nur ein anderes Setting. So kann (und würde) ich auch Star Trek bespielen.

"Technobabbel das ich selbst nicht verstehe bereit? Ja? Alles klar! Make it so!" *würfelt einen Würfel*

Es kommt aber nochmal eine ganz neue Spaßquelle dazu, wenn man versteht, was man tun. Sei es, dass man Zaubersprüche so kombiniert, dass am Ende ein krasserer Effekt rauskommt, oder eben mit der in der Spielwelt vorhandenen Technik - ob die jetzt auf real existierenden Vorbildern basiert oder ausgedacht ist. Oder meinetwegen auch mit sozialen Gefügen.
Für mich gehört das alles dazu, wenn man die Spielwelt ernst nimmt. "Ja ist halt Magie!" ist auch keine (für mich befriedigende) Antwort!

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Re: [kein echter RANT] SF ist NICHT technisch!
« Antwort #28 am: 22.02.2022 | 13:43 »
Die Spekulation inwiefern futuristische Gesellschaften durch andere Einflüsse (Technik, Aliens, Interstellarität, Transhumanismus, ...) alternativ zu den unseren gestaltet werden, kann man genauso gut auch in der Fantasy machen.
Diese Extrapolation ist zwar ein Wesensmerkmal der SF - aber es gibt keinen Grund, dass man das nicht auch in der Fantasy macht.
Ich lese leider kaum Fantasy, insofern kann ich nicht sagen, ob es gemacht wird.

(Edit: Mir fällt nur Jim Butchers - Codex Alera ein, wo genau das gemacht wird...)

Ich denke, das mag tatsächlich ein zumindest tendenzielles Unterscheidungsmerkmal zwischen Fantasy und SF sein: Fantasy schaut am liebsten zurück in die "gute alte Zeit", während SF zumindest deutlich dazu neigt, nach vorne zu blicken und zu sinnieren, was als Nächstes kommen könnte. Insofern kann man das Erforschen spekulativer alternativer Gesellschaftsmodelle prinzipiell natürlich auch in einer Fantasywelt machen, aber genau diese Art von Spekulation ist heutzutage(*) primär in der SF heimisch, und damit würde die Genrezuordnung wieder etwas weniger eindeutig.

(*) Wobei das bei genauerem Hinschauen auch nicht immer so war; weder Platons Atlantis noch Morus' Utopia beispielsweise würde man wohl klar als "Fantasy" oder "Science Fiction" im heute gängigen Sinn einsortieren.

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Re: [kein echter RANT] SF ist NICHT technisch!
« Antwort #29 am: 22.02.2022 | 13:47 »
Also ich finde schon, dass das Feeling eines typischen SF-Settings was Anderes ist, als das Feeling in einem typischen Fantasysetting. Ich verstehe also vollkommen, dass sich SF-Settings "zu technisch" anfühlen können.
Was das mit Technikverständnis zu tun haben soll verstehe ich nicht. Aber es ist Bobas Thread. Allerdings finde ich persönlich dann dass der Threadtitel irreführend ist.
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Joseph Joubert (1754 - 1824), französischer Moralist

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Re: [kein echter RANT] SF ist NICHT technisch!
« Antwort #30 am: 22.02.2022 | 13:57 »
Ich hab mich schon immer gewundert das "Die Drachenreiter von Pern" in SF eingegliedert waren,... das ergab erst am Ende des Zyklusses irgendwie einen  größeren Sinn. Einzelne Bücher davon sind aber imho einfach nur Fantasy Literatur, da ist das höchste Technische was vorkommt - eine Armbrust oder eine Drehleier.

Star Wars wurde ja schon häufiger als Fantasy in SF dargestellt (Siehe "Herrschaft des Feuers").

Generell könnte man jede Geschichte irgendwie in verschiedene Gerne einbauen. Der Herr der Ringe als SF Roman? "Die Abenteuer eines Farmers welcher in die Festung der KI eindringt um dort mit einem uralten USB Stick aus deren Anfangszeit in welcher die nicht kopierbaren Zugangsdaten sind um sie herunterzufahren,... Die Techspeziualisten würden alle an der Gesichtserkennung scheitern,..." oder halt irgendwas in der Art.

Auf der anderen Seite - es wäre eben nicht mehr Der Herr der Ringe,...

Noir

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Re: [kein echter RANT] SF ist NICHT technisch!
« Antwort #31 am: 22.02.2022 | 13:59 »
Es kommt aber nochmal eine ganz neue Spaßquelle dazu, wenn man versteht, was man tun. Sei es, dass man Zaubersprüche so kombiniert, dass am Ende ein krasserer Effekt rauskommt, oder eben mit der in der Spielwelt vorhandenen Technik - ob die jetzt auf real existierenden Vorbildern basiert oder ausgedacht ist. Oder meinetwegen auch mit sozialen Gefügen.
Für mich gehört das alles dazu, wenn man die Spielwelt ernst nimmt. "Ja ist halt Magie!" ist auch keine (für mich befriedigende) Antwort!

Das ist zwar korrekt, aber es ist keine Voraussetzung. Ich kann auch mit "Ist halt Magie/Technik" Spaß haben.

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Re: [kein echter RANT] SF ist NICHT technisch!
« Antwort #32 am: 22.02.2022 | 14:07 »
Ich hab mich schon immer gewundert das "Die Drachenreiter von Pern" in SF eingegliedert waren,... das ergab erst am Ende des Zyklusses irgendwie einen  größeren Sinn. Einzelne Bücher davon sind aber imho einfach nur Fantasy Literatur, da ist das höchste Technische was vorkommt - eine Armbrust oder eine Drehleier.

Ergibt für mich ein Stück weit Sinn, weil die Pern-Romane ja nichts "klassisch" Übernatürlich-Magisches enthalten. Schön, es ist eine Low-Tech-Gesellschaft mit telepathischen und teleportierenden Drachen (die nebenbei auch fähig sind, durch die Zeit zu reisen, wobei die damit anfallende Zeitschleifenproblematik recht schnell erkannt und zum Teil gezielt thematisiert wird)...aber das ist ja alles immer noch im Rahmen von "traditioneller SF mit einem Schuß Psi", und daß Pern eigentlich nur eine Koloniewelt ist und die Raumschiffe, mit denen die Siedler einst angekommen sind, immer noch im Orbit hängen, stellt sich auch schon recht früh in der Handlung heraus.

Edit: Ach ja -- nebenbei bekämpfen die Drachenreiter eine Bedrohung, die aus dem All vom Himmel herunterfällt, und das Bodenpersonal fängt recht schnell wieder an, Flammenwerfer und Säure gegen eben diese zu benutzen... ;)
« Letzte Änderung: 22.02.2022 | 14:12 von nobody@home »

Achamanian

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Re: [kein echter RANT] SF ist NICHT technisch!
« Antwort #33 am: 22.02.2022 | 14:33 »
Ich mag Hard SF und habe da schon den Anspruch, die Auswirkungen der technischen und sozialen Entwicklung plausibel und für die Spieler sichtbar am Tisch darzustellen (zumindest beim ersten Kontakt). Das finde ich durchaus herausfordernder als die üblichen Fäntelalter-Settings, vor allem da viele SF-Tropes in meinem Bekanntenkreis weniger bekannt sind.
ABER:
- das ist bei anderen Subgenres von SF nicht so ausgeprägt
- das hat nicht primär etwas mit "Technik" zu tun
- das ist mein ganz persönlicher Anspruch und damit auch mein persönliches Problem.  ;D

Das.

Ich glaube, von Samuel Delany stammt der Begriff des "Novums", des neuen (üblicherweise technischen) Elements, das in Bezug auf die in ihm impliziten gesellschaftlichen Veränderungen durchdacht wird - in Bezug auf die Frage, wie sich durch sein Auftreten das Menschsein verändert. (Alternativ gibt es auch noch die Frage, was von dem Menschsein, wie wir es heute kennt, erhalten bleibt, wenn eine ganze Reihe Nova auftreten - woran sind Menschen in einem fremdartigen Universum noch als Menschen erkennbar?)
SF verbinde ich persönlich mit dem Anspruch, das zu durchdenken.
Ein gutes Beispiel im RSP ist Wiederbelebung (Fantasy) und Re-Sleeving (SF). Natürlich kann man Letzteres wie Ersteres behandeln, aber für mich steckt in der SF der Anspruch dahinter, die gesellschaftlichen Auswirkungen davon zu durchdenken. Eclipse Phase und Mindjammer machen das z.B. (und kommen dabei zu völlig unterschiedlichen Schlüssen), und es ist schon ein relativ hoher gedanklicher Aufwand, sich damit auseinanderzusetzen und die Implikationen im Rollenspiel auch umzusetzen.
Natürlich kann man Wiederbelebung (Fantasy) im RSP andererseits auch der SF-mäßig behandeln; wird aber selten gemacht. Feste Preise für eine Wiederbelebung im Tempel gehen in die Richtung, aber die Frage, was das mit einer Geselschaft machen würde, wenn der Tod für die, die es sich leisten können, nicht endgültig ist, wird meistens kaum erforscht. Letztendlich bleibt Wiederbelebung dann doch eine Ausnahme für besondere Leute, die keine Auswirkungen auf die Gesellschaft als Ganzes hat. Bei der SF schwingt dagegen aufgrund des technischen Hintergrunds viel mehr die Erwartung der breiten Reproduzierbarkeit auf gesamtgesellschaftlicher Ebene mit - wenn es prinzipiell geht, muss es auch immer und überall gehen (das entspricht vielleicht auch nicht der Wirklichkeit, aber unserem Fortschrittsdenken). Man kommt also in der SF kaum daran vorbei, gesamtgesellschaftliche Auswirkungen einer solchen Technologie zu durchdenken.

Mehr Aspekte davon:
Die Fantasy kann oft mit einer eindeutigen Metaphysik aufwarten (wenn jemand wiederbelebt, ist er wirklich dieselbe Person, die Seele kehrt in den geheilten Körper zurück). Zu spekulativer SF passt das weniger (entsprechend verändert sich bei Eclipse Phaser das Menschenbild zu einem "distribuierten", und bei Mindjammer wird davon ausgegangen, dass ein Informationssatz, der eine Person repräsentiert, nicht dessen Seele oder kontinuierliches Bewusstsein darstellt, sondern ein Eidolon ist und ein neuer Körper mit diesem Informationssatz eine neue Person ist). Wenn man das Thema in der SF wirklich bespielen will, steckt also auch eine Menge philosophische Diskussion drin.
Bei der Fantasy sind die philosophischen Diskussionen dagegen oft weniger an einen rigorosen Diskurs geknüpft, da kann es zwar auch ziemlich hoch hergehen in der Diskussion, aber wenn es um Fragen z.B. von Gut und Böse geht, kommt man mit dem eigenen Bauchgefühl doch schon sehr viel weiter.

Nur zur Klarheit: Man kann in all diesen Beziehungen SF-Settings wie Fantasy-Settings behandeln (siehe Star Wars) und umgekehrt (tatsächlich gibt's im Rollenspiel für mich gerade in Bezug auf Magie eine Tendenz zu einer gewissen Science-Fictionalisierung des Settings). Aber ich verbinde mit Fantasy nicht so sehr den Anspruch gesellschaftlicher Extrapolation. Mit der Art von SF die ich mag und die mich interessiert hingegeben schon. Und das ist mir am Spieltisch dann oft zu anstrengend. Kann man jetzt natürlich sagen: "Dude, dann spiel doch einfach Star Wars oder Firefly of so was!", aber mit denen bekomme ich ja nicht das, was ich von der SF will, d.h.: Dann kann ich auch gleich bei der Fantasy bleiben und habe dann nicht das nagende Gefühl im Hinterkopf, dass man diese oder jene Prämisse in Bezug auf das Setting aber doch noch mal genauer durchdenken müsste.

Offline Boba Fett

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Re: [kein echter RANT] SF ist NICHT technisch!
« Antwort #34 am: 22.02.2022 | 15:12 »
Noch eines, das bei mir Unverständnis aufkommen lässt:

Wenn wir über Rollenspielen im Fantasy-Genre reden, dann reden wir meistens über ziemlich triviales. Wir reden über "Abenteuer" und "Drama" und so.
Da herrscht Konsens darüber, dass in den allermeisten Fällen kein Anspruch an (nennen wir es mal) hochwertigem besteht, wie das Hinterfragen von gesellschaftlichen Strukturen und so.
Es gibt sogar Settings, die sich (zumindestens in Ansätzen) einen Kopf drum machen, wie sich ein Leben mit Magie im Alltag gestalten würde, aber letztendlich nehmen dann doch wieder alle "Schwert, Schild, Dauerwurst" und steigen in die Katakomben hinab.

Reden wir über Science Fiction, dann herrscht plötzlich ein anderer Anspruch. Das muss dann schon mit philosophischen Diskurs sein. Welchen gesellschaftlichen Veränderungen beeinflusst Resleeving? Wie ist das Leben in einer Welt deren Bevölkerung in Teilen virtuell existiert? Was macht Cyberware mit den Menschen?
Wenn man da "Blaster, Schildgenerator und Raumanzug" einpackt, um feindliche Spezies zu zappen, dann ist man der Primitivling.
Bei SF bitte nicht trival bleiben - da muss dem Anspruch entsprochen werden.

Bevor es mißverstanden wird: Ich beschäftige mich sehr gern (und viel) mit der Spekulativen SF.
Mir entgeht nur, warum man sich da nicht auch am "primitiven" Abenteuer-Rollenspiel erfreuen kann und auch nicht, warum man bei Fantasy keinen Anspruch haben sollte.
Und warum man nicht mal Spaß an anspruchsvollen Inhalten haben kann und das nächste Mal genauso Spaß am einfachen.
Kopfgeldjäger? Diesen Abschaum brauchen wir hier nicht!

Achamanian

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Re: [kein echter RANT] SF ist NICHT technisch!
« Antwort #35 am: 22.02.2022 | 15:21 »

Reden wir über Science Fiction, dann herrscht plötzlich ein anderer Anspruch. Das muss dann schon mit philosophischen Diskurs sein. Welchen gesellschaftlichen Veränderungen beeinflusst Resleeving? Wie ist das Leben in einer Welt deren Bevölkerung in Teilen virtuell existiert? Was macht Cyberware mit den Menschen?
Wenn man da "Blaster, Schildgenerator und Raumanzug" einpackt, um feindliche Spezies zu zappen, dann ist man der Primitivling.
Bei SF bitte nicht trival bleiben - da muss dem Anspruch entsprochen werden.

Ich finde gar nicht, dass das so sein muss. Es ist nur meine persönliche Erwartung an SF, und wenn die nicht erfüllt wird, interessiert mich die SF nicht. Dann frage ich mich: Wozu Raumschiffe? Warum Blaster, wenn ich auch ein Schwert nehmen kann?
Ich verbinde da einfach bestimmte Ästhetiken mit bestimmten Themen. Und das ist nicht mal nur eine Frage des Anspruchs, die Fantasy bekomme ich z.B. wunderbar mit moralischen Dilemmata zusammen (ist ja auch der Modus von viel zeitgenössischer erfolgreicher Fantasy, z.B. Witcher).

Aber von der SF will ich was Bestimmtes, sonst bin ich unzufrieden.

Offline Weltengeist

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Re: [kein echter RANT] SF ist NICHT technisch!
« Antwort #36 am: 22.02.2022 | 15:22 »
Das.

Ich glaube, von Samuel Delany stammt der Begriff des "Novums", des neuen (üblicherweise technischen) Elements, das in Bezug auf die in ihm impliziten gesellschaftlichen Veränderungen durchdacht wird - in Bezug auf die Frage, wie sich durch sein Auftreten das Menschsein verändert. (Alternativ gibt es auch noch die Frage, was von dem Menschsein, wie wir es heute kennt, erhalten bleibt, wenn eine ganze Reihe Nova auftreten - woran sind Menschen in einem fremdartigen Universum noch als Menschen erkennbar?)
SF verbinde ich persönlich mit dem Anspruch, das zu durchdenken.
Ein gutes Beispiel im RSP ist Wiederbelebung (Fantasy) und Re-Sleeving (SF). Natürlich kann man Letzteres wie Ersteres behandeln, aber für mich steckt in der SF der Anspruch dahinter, die gesellschaftlichen Auswirkungen davon zu durchdenken.

Soweit das Ideal, ja. Deshalb heißt es ja auch Science Fiction. Aber dann gehen wir zwei in die Science-Fiction-Abteilung einer beliebigen zeitgenössischen Buchhandlung, schauen mal was da so steht und weinen dann gemeinsam ein bisschen... ;)

Ich fürchte, wir müssen anerkennen, dass sich die Bedeutung von Science Fiction gewandelt hat und dass sogar die ernsthafteren Vertreter des Genres heutzutage ihren Job vor allem in Panikmache sehen ("Singularität! Wir werden alle sterben!" "Transhumanismus! Wir werden alle sterben!" "Nanobots! Wir werden alle sterben!" "Überwachungsstaat! Wir werden alle sterben!", "Klimawandel! Wir werden alle sterben!", "Atomkrieg! Wir werden alle sterben!", ...) als darin, einen seriösen Blick auf das technisch Machbare und Wahrscheinliche zu werfen. Science Fiction in dem von dir beschriebenen Sinn ist - genau wie die Fähigkeit, in komplexen Zusammenhängen zu denken - verdammt selten geworden.
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Achamanian

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Re: [kein echter RANT] SF ist NICHT technisch!
« Antwort #37 am: 22.02.2022 | 15:24 »
Science Fiction in dem von dir beschriebenen Sinn ist - genau wie die Fähigkeit, in komplexen Zusammenhängen zu denken - verdammt selten geworden.

Prozentual ist sie das vielleicht (war sie wahrscheinlich auch schon immer) - aber ich finde in die Richtung immer noch insgesamt mehr Lesestoff, als ich in meinem restlichen Leben bewältigen kann, deshalb macht mir das keine Sorgen  ;D

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Re: [kein echter RANT] SF ist NICHT technisch!
« Antwort #38 am: 22.02.2022 | 15:24 »
Wenn man da "Blaster, Schildgenerator und Raumanzug" einpackt, um feindliche Spezies zu zappen, dann ist man der Primitivling.

Eigentlich nicht. Eigentlich ist das super cool. Nur halt kein SF.  :)
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Re: [kein echter RANT] SF ist NICHT technisch!
« Antwort #39 am: 22.02.2022 | 15:31 »
Für mich gibt es SF als Handlungsschauplatz und als Literaturgattung.

Als Handlungsschauplatz hat es Raumschiffe, Blaster, fremde Kreaturen. Das kann dann Abenteuergarn, Drama, lustige Unterhaltung, sonstwas sein, egal. Hauptsache, es ist irgendwie futuristisch und spielt idealerweise im All.

Als Literaturgattung behandelt SF Menschen, Gesellschaft und Technik, und was letzteres mit den ersten beiden Dingen macht. Wenn da keine grundsätzlichen Fragen aufgeworfen werden, ist es nicht die Literaturgattung SF für mich.

So, und was bedeutet das jetzt a) fürs Rollenspiel und b) für das Technikverständnis?

Zum einen bemerkt man eben, dass man durchaus den Handlungsschauplatz SF mit verschiedenen Themen und Genres besetzen kann. Horror, Action, Drama, etc. Dafür ist es auch völlig egal, wie man sich mit der Technik auseinandersetzen will, das ist halt nur Garnitur.

Zum anderen muss ich mich für Rollenspiel rund um die Literaturgattung SF zumindest irgendwie mit der Technik, die behandelt werden soll auseinandersetzen. Ich muss nicht wissen, wie die Star Trek Transporter im Detail funktionieren, aber ich muss mir Gedanken darüber machen wollen, ob sie Leute verdoppeln können, was das über Dinge wie "wer ist jetzt die echte Person?" aussagt, und was das für die Gesellschaft bedeutet, wenn jeder jederzeit überall hin könnte. (oder eben nicht, falls das Transportern Geld kostet)
Fürs Protokoll: Ich bitte hiermit ausdrücklich darum, mich in der Zukunft auf schlechte oder gar aggressive Rhetorik meinerseits hinzuweisen. Sollte ich das dann wider Erwarten als persönlichen Angriff werten, bitte auf diesen Beitrag hier verweisen und mir meine eigenen Worte um die Ohren hauen! :)

Achamanian

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Re: [kein echter RANT] SF ist NICHT technisch!
« Antwort #40 am: 22.02.2022 | 15:34 »
@Jolly Orc:
Das trifft es für mich auch sehr gut!

SF "nur" als Handlungsschauplatz finde ich irgendwie nicht so interessant, da nehme ich dann lieber die Fantasy.

Offline Weltengeist

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Re: [kein echter RANT] SF ist NICHT technisch!
« Antwort #41 am: 22.02.2022 | 15:38 »
Als Handlungsschauplatz hat es Raumschiffe, Blaster, fremde Kreaturen. Das kann dann Abenteuergarn, Drama, lustige Unterhaltung, sonstwas sein, egal. Hauptsache, es ist irgendwie futuristisch und spielt idealerweise im All.

Ich hätte das als "Skin" bezeichnet - die Geschichten, die erzählt werden, sind eigentlich klassischer Abenteuer-, Sagen- oder manchmal auch Horrorstoff, nur die Verpackung hat eben mehr Chrom und Lichteffekte. Im Rollenspiel benutze ich übrigens tatsächlich nur dieses Verständnis von SciFi, weil ich es nicht ansatzweise hinkriege, "richtige(TM)" SciFi am Spieltisch schnell genug durchzudenken.
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Offline KhornedBeef

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Re: [kein echter RANT] SF ist NICHT technisch!
« Antwort #42 am: 22.02.2022 | 15:40 »
Unabhängig von Namen ist das Konzept der Unterscheidung ein wichtiges für diese Diskussion, also danke fürs Aufschreiben, JollyOrc.
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Online schneeland

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Re: [kein echter RANT] SF ist NICHT technisch!
« Antwort #43 am: 22.02.2022 | 15:51 »
Ich mag ja die Weltraum-Abenteurer-mit-Blaster-Nummer recht gern (also das, was JollyOrc mit SF als Handlungsschauplatz bezeichnet). Aber sie leidet m.E. ein bisschen unter ein paar Dingen, die hier auch teilweise schon zwischendurch anklangen:
  • Weltraum heißt normalerweise Zukunft, das heißt man muss - wenn das Abenteurerleben halbwegs überschaubar bleiben soll - ggf. erstmal ein paar Dinge aktiv ausblenden (kein Facebook & Whatsapp im Abenteuerleben, weil das niemand wirklich wollen kann)
  • Es stehen m.E. weniger etablierte Abenteuerstrukturen bereit als im Fantasybereich (Angreifende Orkhorden, böser Nekromant, der das Reich unterjochen will, Dschungel voller Echsenmenschen oder uralte Ruinen mit mächtigem magischen Artefakt - alles nicht riesig kreativ, aber am Ende halt trotzdem ein guter Start ins Fantasyabenteuerleben), erfordert also mehr Eigenleistung des SL bzw. bietet weniger Anknüpfungspunkte in der Breite
  • SciFi heißt auch ohne viel Sci meist Raumschiff und damit mehr Mobilität für die Helden - das kommt halt bei Fantasy, wo man im Zweifelsfall auch erstmal die Kanalisation von Ratten befreit und dort finstere Dinge aufdeckt, erst später zum Tragen
  • Je nach Ausprägung spielt Nahkampf kaum noch eine Rolle - wer also dem Widersacher gern ein Schwert oder einen Knüppel über die Rübe zieht wird also ggf. nicht so gut bedient wie im Fantasybereich.
Ist jetzt alles nichts, was einen davon abhalten muss, SF (im weiteren Sinne) zu bespielen, aber potentiell halt eine (leichte) Zugangshürde.
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Re: [kein echter RANT] SF ist NICHT technisch!
« Antwort #44 am: 22.02.2022 | 15:53 »
Philosophischer Diskurs? Beim P&P Rollenspiel??
Okay. Ich bin raus.
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Re: [kein echter RANT] SF ist NICHT technisch!
« Antwort #45 am: 22.02.2022 | 15:59 »
Philosophischer Diskurs? Beim P&P Rollenspiel??
Okay. Ich bin raus.

naja, das muss ja nicht super-tief gehen.

Und auch nicht mal ernst sein, Krieg der Eispiraten erfüllt (IMHO) Kriterien für SF als Handlungsschauplatz (Raumschiffe, Roboter, etc.) UND Literaturgattung (was wäre, wenn Wasser monopolisiert wäre?), UND hat dann auch immer noch Schwertkämpfe!
Fürs Protokoll: Ich bitte hiermit ausdrücklich darum, mich in der Zukunft auf schlechte oder gar aggressive Rhetorik meinerseits hinzuweisen. Sollte ich das dann wider Erwarten als persönlichen Angriff werten, bitte auf diesen Beitrag hier verweisen und mir meine eigenen Worte um die Ohren hauen! :)

Offline Boba Fett

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Re: [kein echter RANT] SF ist NICHT technisch!
« Antwort #46 am: 22.02.2022 | 16:03 »
Ich persönlich versuche es auch möglichst holistisch als "spekulative fiction" aufzufassen

:d
Schöner Begriff!
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Offline Space Pirate Hondo

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Re: [kein echter RANT] SF ist NICHT technisch!
« Antwort #47 am: 22.02.2022 | 16:42 »
Philosophischer Diskurs? Beim P&P Rollenspiel??
Okay. Ich bin raus.

Ich leite ja im Moment eine Fallout Kampagne und die Besonderheit dieses Settings ist ja, dass es zwar wie SciFi in der Zukunft spielt (großer Atomkrieg 2077), sie aber kulturell in den 1950ern feststecken. Dem entsprechend lassen sich auch Themen aus dieser Zeitperoide in die Abenteuer einbauen, z.B. Ghule und menschliche Synths werden behandelt wie die farbigen Menschen in 50ern oder die Angst der US-Amerikaner vor dem "bösen Kommunisten" (in Fallout aus China statt UdSSR) usw. Das sind alles Probleme aus denen Konflikte entstehen, die man zum Zentrum eines Abenteuers machen kann.

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Re: [kein echter RANT] SF ist NICHT technisch!
« Antwort #48 am: 22.02.2022 | 17:02 »
Das glaube ich Euch alles. Mir persönlich würde solche Themen allerdings nur als Hintergrundaufhänger für einen Auftrag dienen. Philosophische Überlegungen im Spiel, würden mich aber eher stören, denn einen Spielgewinn bringen.
Deswegen bin ich ja raus aus dem Thema.
Zumindest im Rollenspiel nichts für mich. :)
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Offline Grey

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Re: [kein echter RANT] SF ist NICHT technisch!
« Antwort #49 am: 22.02.2022 | 17:10 »
Ich würde Boba gern mit einem Zitat zum Topic beipflichten: ;D

"Science fiction is no more written for scientists than ghost stories are written for ghosts." -- Brian W. Aldiss
Ich werd' euch lehren, ehrbaren Kaufleuten die Zitrusfrucht zu gurgeln!
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Lust auf ein gutes Buch oder ein packendes Rollenspiel? Schaut mal rein! ;)