Ich verstehe das eher als deutscher Besserwisser-Mode. "Ah, ihr Amerikaner habt also Trolle und Kobolde in D&D, aber wisst ja gar nicht, wie die wirklich gehen."
Tatsächlich muss ich ja sagen... und das jetzt nur als jemand der mit Edition 3 angefangen hat und niemals so tief in den Sourcebooks des Settings steckte (ich hatte nur die Basisbox, "Mit Mantel, Schwert und Zauberstab", "Dunkle Städte, lichte Wälder" und immerhin Zugang zu den Götter und Magier-Sachen)... dass dieser
"deutsche DSA-Besserwisser-Modus", eigentlich das ist, was ich als das eigentliche Alleinstellungsmerkmal von Aventurien erachte.
Die ganzen Setzungen, die hierzuthread für ein alternatives Aventurien herbeigewünscht werden, wie mehr Düsternis, böse Götter, Sword-and-Sorcery und Points-of-Light zwischen dunklen Wäldern und orkverseuchten Kellern... die kriegt man doch in der OSR bereits jetzt im Dutzend billiger. Und hat man wahrscheinlich auch damals schon.
Ich finde gerade die Tatsache, dass sich Aventurien anfühlt wie die Kombination aus deutschem Mittelaltermarkt, Ritterromanen von Tonke Dragt, Pfadfinderliedern (
buchstäblich!) und "Des Knaben Wunderhorn", macht das Setting zu etwas Besonderem. Dieses Mischverhältnis findet man nicht ohne Weiteres in anderen Spielen. Aventurien ist einfach ein Fantasysetting mit einem freundlicheren Offset – man könnte fast sagen, es ist Feel-Good-Fantasy mit einem positiven Menschenbild als Basis. Man kann sich natürlich die Thorwaler als grimme Nordmannen wünschen, die sich Runen in den Leib ritzen... aber als "Wickie-und-die-starken-Männer"-Wikinger in gestreiften Obelix-Hosen sind die einfach viel einzigartiger. Aventurien ist ein Setting, bei dem der Troll auf der Lichtung vielleicht eben keine Gefahr ist, sondern sich mit ein paar Honigbonbons bestechen lässt. Wo die Elfen (oh Gott, ja, die DSA-Elfen sind irgendwo schon einzigartig) kein kriegerisch-überhebliches Volk aus Fantasy-Vulkaniern sind, sondern ein Haufen, Zitat "Dunkle Städte, Lichte Wälder", "sanfter Verrückter".
Heißt das, dass Aventurien keine Schwächen hat? Nein. Die Welt ist zu eng beschrieben und zu stark ausdefiniert. Es fehlen die weißen Flecken. Der Humor ist peinlich, aber andererseits ist das alles manchmal auch ein wenig zu trocken.
Aber die Richtung, das Flair der Spielwelt, ist halt in seiner Hotzenplotzigkeit und seinem deutsch-romantischen, von mir aus auch bürokratisch-penälerischem, Mittelalterverständnis so heimelig und traut, dass der Zuckerbäcker da eben ein völlig legitimer Protagonist sein muss. Die Typen, die bei "Conan, der Barbar" um Arnie rumspringen, sind keine DSA-Heldengruppe (wohlgemerkt,
Helden... positives Menschenbild und so). Die Typen, die im "Letzten Einhorn" um die Lady Amalthea rumspringen,
das ist eine DSA Heldengruppe: Ein etwas traniger Zauberer, ein völlig entrücktes Mädchen mit elfischer Weltsicht (hier als Einhorn repräsentiert) und eine ehemalige, ja was, Marketenderin oder so.
Deshalb ist DSA so prädestiniert für Barbiespiel. Und deshalb ist "Die Schwarze Katze" überhaupt möglich (und dieses Cthulhu-DSA so unsinnig)... den Gestiefelten Kater könnte es in Aventurien einfach wirklich geben.
Dieses spezielle Flair ist in Aventurien herangewachsen und wir sehen auch, wie es langsam schon wieder in eine andere Richtung geht (ich finde die 5te Edition legt optisch zumindest schon die Weichen in Richtung eines "D&Digeren" Fantasyverständnis, was mir persönlich nicht so zusagt). Das alles aus Aventurien rauszulösen und einfach Aventurien dunkler und fieser und tödlicher und böser zu machen, gleicht es nur Settings an, die schon über Gebür existieren. Ich fühle mich damit jedenfalls nicht verbunden.
My Your-Venturien hätte also:- Mehr weiße Flecken auf der Landkarte
- Mehr regionale Bedrohungen
- Weniger Dämonen-, Hochelfen- und Globulengedöns
- Weniger Bürokratisierung von Akademien
- KEIN Fanservice-Gedöns wie Nyarlothep im Kosch oder sowas
- Ein etwas mantel-und-degigeres Horasreich, gerne mit echten prototypischen Schusswaffen
Das war's. Keine weiteren Änderungen. Keine weiteren Fragen.