Ich gehe mal davon aus, dass die Diskussion als Feedback zu dem Blogthema erlaubt ist. Wenn nicht, verschiebt das hier gerne...
Ich sehe dem D&D6VTT eher gelassen entgegen.
Ich spiele gern am Tisch aber eben auch online, wenn es Gründe gibt. Die Pandemie war ein guter Grund und in der Zeit haben unsere Runden (2) mehr gespielt, als jemals zu vor, insbesondere in der Zeit, wo alles zu war und man gar nichts anderes machen konnte. Wir haben unterschiedliche Medien ausgetestet - MS Teams, Jitsi, Hangover, mal mit roll20, mal ohne, mal mit Roll dice with friends, mal ohne, mal mit gemeinsamer Musik, mal ohne... Meist mit Kamera und teilweise auch ohne.
Beide Runden sind danach an den realen Tisch zurück gekehrt, eine davon spielt jetzt wieder online, weil der SpL weggezogen ist. Ohne die Erfahrungen mit dem online Gaming während der Corona Zeit wäre diese Runde jetzt schlicht Geschichte.
Das nur mal als Hintergrund, um zu zeigen, dass ich mich dem Thema von einem neutralen Blickpunkt und mit gemachten Erfahrungen nähere.
Ich erkenne auch Vorteile an, die das online Gaming hat, sehe aber auch klare Einschränkungen.
Ganz besonders aber nehme ich das D&D6VTT nicht als Bedrohung wahr.
Zum einen wegen der erlebten Einschränkungen. Zum anderen, weil ich sehr viel mit aus USA gefertigter Software beruflich zu tun habe und weiß, wie präsentierter Lifestyle und erscheinendes Produkt sich unterscheiden - vor allem in den ersten Versionen eines Produktes.
Außerdem nehme ich wahr, wie sehr HASBRO im Moment am Geldhahn dreht. Wizards hat eine Menge Personal "eingespart" und das im kreativen Sektor. Das wird einem zukünftig erscheinenden Produkt nicht gut tun.
Deswegen gehe ich momentan eher davon aus, dass der D&DVTT eine Enttäuschung sein wird und das viele da kurz drauf hopsen und dann wieder abspringen werden. Und dann kann ein Unternehmen entscheiden, da noch mal richtig Geld drauf zu werfen, um es gut zu machen, oder es sein zu lassen. Und Hasbro (und damit auch WotC) ist derzeit nicht in der Lage und auch nicht Willens, irgendwo richtig Geld drauf zu schmeissen.
Und selbst wenn das anders kommen sollte:
Rollenspiel ist eine Freizeitbeschäftigung, deren Wert von der Qualität des gemachten Erlebnis abhängt.
Insofern muss die Qualität der Art und Weise von Rollenspiel, wie man sie an Stelle des "im D&D6VTT abhängen" machen möchte, einfach nur besser sein.
Und ich glaube: das ist möglich und das ist nicht schwierig.
Zunächst einmal: Es betrifft nur D&D und kein anderes System. Es betrifft auch kein D&D kompatibles System.
Ich würde mich also als erstes einmal umsehen, und eine Alternative suchen.
Wenn D&D demnächst dazu verleitet, dass meine Mitspieler "lass uns das D&D-VTT nutzen" vorschlagen, dann sollte man etwas spielen, wo sich dieser Gedanke gar nicht stellt.
Und damit muss ich nicht einmal aufhören, D&D5 zu spielen. Ich kann auch D&D5 mit einem "5e compatible" Setting (Mythgard?) spielen.
Oder ich nehme mir gleich ganz ein anderes System. Pathfinder 2, wenn ich mich nicht weit entfernen möchte (und gerne Kaufabenteuer leite/spiele).
Und dann muss ich schlicht dafür sorgen, dass es mehr Spaß macht, zusammen am Tisch die Würfel rollen zu lassen, als zu Hause am PC die Webcam anzugrinsen.
Eine meiner Spielerinnen hat uns gezeigt, wie das geht. Die möchte nämlich liebend gern, dass wir bei Ihr spielen (wogegen ich absolut nichts hab, aber die anderen waren da Alternativen eher aufgeschlossen).
Was soll ich sagen? Wenn man an einen Spieltisch kommt, wo man auf dem ersten Blick wahrnimmt, dass sich der Gastgeber wirklich Mühe gibt, dass sich die Leute wohl fühlen,
wo Snacks in Schälchen und Getränke (inkl Gläser) bereit stehen und die Coke im Kühlschrank steht - da stellt sich mir die Frage nicht, ob ich mich lieber an meinen Homeoffice-Platz setze.
Hin und wieder werden wir bekocht, und wenn mal ein Freitag ausfällt, weil jemand nicht kann, heisst es "aber die anderen kommen doch trotzdem, oder? Soll ich kochen oder wollen wir Pizza ordern, wir können ja ein Brettspiel spielen oder einen Film gucken..."
Und ganz ehrlich: Als Spielleitung versuche ich auch immer, dass die Mitspielenden nach Hause gehen und ein Erlebnis haben, dass sie wirklich gerne nächste Woche weiterspielen wollen. Wenn statt einem "öh, nächstes Mal hab ich keine Zeit" ein "verdammt, nächstes Mal kann ich wirklich nicht. Können wir nicht stattdessen den Samstag, oder wolltet Ihr nicht gemeinsam den Film..." kommt, DANN weiss ich, dass die AI mich nicht erstzen wird.
Und apropos AI: Eigentlich halte ich den ganzen D&D-VTT Kram für ziemlichen Quatsch. Die Leute, die das spielen wollen, die haben sich doch schon die letzten 20 Jahre vom Rollenspiel abgewendet und zocken jetzt am PC Baldurs Gate, Diablo IV und anderes Zeug.
Pen & Paper Rollenspiel ist doch eigentlich die bewusste Entscheidung hin zum analogen Spielen und weg vom Monitor. Genau wie Menschen früher ein Auto als Status Symbol wahrnahmen und jetzt merken, dass der eigentliche Luxus der ist, wenn man nicht mehr darauf angewiesen ist, eines besitzen und verwenden zu müssen, so ist Rollenspiel der Trend, dass Leute nicht mehr MMO spielen wollen, sondern merken, dass der Kontakt zu anderen Menschen in der Freizeit, mit Spielen und Unterhalten werden, eigentlich was tolles ist.
Deswegen: Ich sehe das sehr gelassen.
Und ich spiele auch inzwischen kein D&D mehr. Auch aus den oben genannten konsquenten Überlegungen, aber natürlich nicht nur.