Wie lösen die Profis diesen Konflikt? Numenera zB scheint mir ein Setting zu sein, dass mit vielen Geheimnissen jongliert.
Geheimnisse gehören für mich dieser Tage primär in Romane und Erzählungen, während ich für
Spielmaterial den Weg von Malmsturm am sinnvollsten erachte: Es gibt einen ganzen Batzen Hintergrundmaterial, der vor allem die Imagination affiziert, und den alle Beteiligten gefälligst lesen können und auch irgendwie
sollen– mit genügend Leerstellen für die individuelle Spielgruppe. In einigen Szenarios wird das insofern weiterentwickelt, als dass für die Geheimnisse verschiedene, optionale Lösungen angeboten werden.
Persönliche Erfahrung klärte mich darüber auf, dass die kreative Freude an Geheimnissen bei extrem bekannten Hintergrundwelten (die ausreichend leere Flecken hatten) am größten war, während sie sich bei geheimniskrämerischen Homebrews und umfassend beschriebenen Welten minimal hielt.
Ein paar Gedanken dazu:
Geheimnis vs. unbeantwortete Frage:Ein Geheimnis ist ja
mehr als eine unbeantwortete Frage – in etwa vergleichbar mit dem Unterschied zwischen Geräuschen und Musik. Um eine Melodie wahrzunehmen, dafür müssen zwei Differenzen verschiedener Ordnung gebildet werden: die Differenz Geräusch-Nichtgeräusch und die nächsthöhere Melodiefolge-Geräusch. Um zwischen einem Geräusch und einer Melodie unterscheiden zu können, dafür wird mehr vorausgesetzt.
Bezogen auf Setting-Geheimnisse hieße das, dass das Spielmaterial genug Rüstzeug mitbringt, damit die Spieler in der jeweiligen Situation eine unbeantwortete Frage von einem Geheimnis unterscheiden können und dementsprechend fühlen, denken und agieren. Damit das funktioniert, musst du dieses Setting-Element im Voraus schon modelliert haben beziehungsweise in deiner Hintergrundweltbeschreibung den Spielern eine Methode an die Hand geben, um Geheimnisse auch in diesem Spiel als solche zu erkennen. Sonst verpufft alles und zerfasert im Nebel.
Potenzielle Geheimnisse vs. absolute Geheimnisse:Malmsturm z.B. macht mit seinem Setting und der Weise seiner Aufbereitung ("Stimmen aus ...", "Schriften aus..."; Zeichnungen uvm.), selbst ein Panorama
potenzieller Geheimnisse auf. Dass sie potenziell und nicht absolut sind, ist m.E. ein weiterer wichtiger Faktor, der die Modellierung von Geheimnissen (siehe oben) unterstützt.
Konzeptionelle Schwerpunktsetzung:Vielleicht ist noch grundsätzlich interessant zu reflektieren, welcher Aspekt der Geheimnisse besonders hervorstechen soll: liegt die Freude im Kreieren von offenen Fragen, oder soll es primär um das Auflösen von Geheimnissen gehen? Beides stellt jeweils eigene Forderungen an die Umsetzung.