Flow beutet für mich: wenn beim Rollenspiel die Realität (man sitzt am Tisch und spielt ein Spiel) in den Hintergrund rückt und man durch die eigene Vorstellung die Bilder im Kopf sehr eindrücklich erlebt und dabei in der Lage ist spontan und intuitiv seine Rolle "in character" zu erleben und in ihr zu agieren.
Passiert mir Flow? Ja, hatte ich. In den letzten 35 Jahren entsprechend oft und auch jetzt immer noch mal.
In unterschiedlichsten Systemen, auch regelschweren. Deswegen fokussiere ich jetzt weniger auf ein System, sondern mehr auf Faktoren:
Flow hängt bei mir ganz oft von folgenden Faktoren ab:
1. möglichst wenig Metagaming. Je weniger Ressourcen (Gummipunkte, Lebenspunkte, Astralkonto, ....) ich verwalten muss, desto besser. Ganz schlimm: Ressourcen, die man sich gegenseitig zuschustern kann.
Wenn ich drüber nachdenken muss, ob ich den erspielten (erwürfelten) Vorteil einem Mitspieler (und wem) zu teilen kann/darf/muss, bin ich "raus". Battlemap, Miniaturen und taktische Überlegungen aus der "Vogelperspektive" sind oft auch eher hinderlich. Bewegungsweite und Reichweite sind ja auch Metagaming-Ressourcen in Verbindung mit der Battlemap.
(klingt so als würde ich das verteufeln. Nee, ist nicht der Fall. Ich habe auch viel Spaß mit Battlemap und Taktieren. Aber das ist dann eben eine andere Art von Rollenspiel... ich finde Gefallen an beidem)
2. der richtige Charakter (ich muss mich in meiner Rolle "wohlfühlen". Je mehr "ich" in der Rolle, desto besser. Je fremder mir die Rolle erscheint, desto weniger kann ich sie intuitiv führen/spielen.
3. der richtige Spielleiter. kurz gesagt: der muss es einfach drauf haben, muss seine Regeln beherrschen, muss für möglichst wenig Ablenkung ("ich schlage die Regel eben noch mal nach", "wie hiess der NSC noch gleich") sorgen. Je flüssiger das Spiel läuft, desto besser.
4. ich muss die Spielregeln gut beherrschen und eigentlich nicht über die Abwicklung von Proben oder so nachdenken. Und vermutlich genau da plädieren dann viele Leute für regelarme Systeme. Halte ich nicht für notwendig. Man kann auch mit regelschweren Systemen Flow erleben. Man muss nur auch da eben die Regel gut beherrschen, was eben mehr Investition erfordert.
5. die richtige Stimmung. ich mein jetzt nicht schummrige Beleuchtung und Musik (auch wenn das manchmal (!) hilft, ebenso oft stört), sondern die Gruppe, ich selbst, die Abenteuersituation, etc. muss passen
6. die richtige eigene Verfassung. Nicht zu müde, aber auch nicht zu aufgekratzt (Koffeein und Zuckerschock), nicht zu albern, nicht zu gestresst...
7. Wenn die Spielsituation spannend, bedrückend, ... intensiv wird, klappt es bei mir mit dem Flow besonders gut und oft.
Den letzten wirklich intensiven Flow hatte ich (kurz vor Corona) in einem SciFi Homebrew in dem die Charaktergruppe eine "Pitch Black" Horror Situation über 80 Tage Spielzeit überstehen musste (das ging entsprechend auch mehrere Sitzungen lang). Die Monster wurden von Energiequellen angezogen und kamen "aus dem Nichts" und waren auch nur mit wenig zu verletzen. Mit abgedunkeltem Spielraum, sehr unterschwelliger Musik und wirklich sehr tollen Szenen und Ereignissen, war das einer meiner intensivsten Situationen seit langem. Als dann die Sonne wieder "erschien" und wir mit dem Raumschiff abflogen und der Spielleiter die Beleuchtung wieder "hochdimmte" war das ein wirklich erhellendes und erleichterndes Gefühl.
Flow ist mir in dem Rollenspiel und mit diesem Spielleiter bisher ziemlich leicht gefallen. Und das Regelwerk ist kein Leichtgewicht.
Etwas OT, deswegen gespoilert...
Ich habe kürzlich etwas konsumiert (gelesen / Podcast / Youtube, weiss nicht mehr mit Sicherheit - deswegen: Hörensagen und unsauber wiedergegeben], was sich allgemein mit Flowerlebnissen (auch im Sport (laufen, schwimmen, Rad fahren) oder in anderen Tätigkeiten (Programmieren, Lesen) beschäftigt hat. Wie wissenschaftlich das war, kann ich nicht sagen, aber einiges hörte/las sich für mich sehr plausibel (an):
1. Flow entsteht in einer Tätigkeit, die man gern macht, in einer Phase, wo man in seiner Tätigkeit weder unterfordert noch überfordert ist.
(konkretes Beispiel
2. In jungen Jahren fällt es leichter in Flow zu fallen, je älter man wird, desto schwerer wird es.
3. je öfter man bereits die "in Flow" Situation erlebt hat, desto leichter fällt es, diesen Zustand wieder zu erreichen.
Ich würde daraus folgern, wenn man erst spät mit Rollenspiel begonnen hat, ist es gar nicht so einfach, dieses Flow Erlebnis zu bekommen.
Wenn man jung mit RSP angefangen hat, aber in Umständen, dafür sorgte, dass man flow nicht erlebt hat, wird man ein Stück weit auch geprägt, dass man aus der erlernten Rollenspiel-Routine das auch später mit passenden Umgebungsvariablen nicht mehr erreicht. Und wer hingegen das Glück hatte jung die passende Rollenspielrunde zu haben und das sehr oft erleben durfte, dem fällt es auch später leicht.
Ich möchte das als Thesen in den Raum stellen, denn wie gesagt, empirisch ist das alles nicht. Ich finde es aber zu relevant, als das ich das einfach im Sand (Gedächtnis) verlaufen lasse...
Wer das diskutieren möchte - bitte separaten Thread aufmachen, um die Umfrage hier nicht zu kapern.