Genau da würden unsere Auffassungen von Spaß schon gewaltig divergieren. Ich empfinde SIMs ungefähr so spaßbringend wie ne Steuererklärung. Insofern ist das bestimmt ein Qualitätsmerkmal, was du da ansprichst, aber halt ein rein subjektives.
Sorry, vielleicht hätte ich klarstellen sollen: "freies" Rollenspiel macht grundsätzlich erstmal Spaß. Also Rollenspiel, das stattfindet, während Regeln gerade garkeine Rolle spielen. Und solchen freien Spielverlauf gibt es ja in eigentlich allen Rollenspiel-Genres. Aber falls du im speziellen nur an narrativem Rollenspiel Spaß hast, will ich dich hier garnicht vom Gegenteil überzeugen. Ich will nur sagen, dass es auch außerhalb der reinen Sim-Welt eine große Rollenspielszene gibt, die Spaß an essentiellen Rollenspiel-Phasen hat, in denen die Regeln das Spiel nicht, oder nur ganz marginal beeinflussen.
Damit sind wir auch schon bei der Krux des Ganzen. Ich glaube, dir schwebt ein sehr freies Spiel vor, in dem Spieler ihre kreativen Ideen von vorne bis hinten verwirklichen können.
Ich denke, das kann man so sagen, ja.
Es gibt Spiele die das können.
Ja, aber ich kenne nur jene, die die anderen Bedingungen nicht erfüllen tbh.
Aber nicht alle Spiele müssen das unterstützen.
Ich stimme voll und ganz zu. Nicht jedes Rollenspiel muss das tun. Man kann beliebige Einschränkungen bei allen möglichen Sachen vornehmen, und Zusatzregeln a la "Jeder Spieler darf in jeder Szene nur 5 Wörter sagen" einführen. Das kann ein gutes Spiel sein. Aber im speziellen geht es mir hier ja um "Spaßgrenzen". Stellen an denen die meisten Rollenspielsysteme dann doch einen bitter-enttäuschenden Beigeschmack hinterlassen, wenn man merkt, dass das Rollenspiel etwas, das man gerne hätte, nicht leistet. Und das muss es nicht zu einem schlechten Spiel machen. Spaßgrenzen schließen nicht Spaß aus, sie begrenzen ihn nur. Und wenn man nie über diese grenze hinausspielen WILL, als Spieler, dann bemerkt man sie nichtmal. Aber für einige Spieler, und innerhalb der Systeme, sind sie eben grundsätzlich erstmal da.
Denn nicht alle Spieler wollen so etwas spielen.
Ja, aber wie gehabt: Es gibt viele, die erstmal die freien Spielpassagen der meisten Rollenspiele mögen.
Ich zum Beispiel hätte absolutes Nullinteresse dran und will Spiele haben, die mit einer gewissen Grundprämisse ins Feld ziehen - und genau die unterstützen und im Umkehrschluss auch sauber abgrenzen.
Ich weiß nicht, ob das eine das andere ausschließt. Shadowrun z.b. gehört zu den Spielen, bei denen ich die Spaßgrenzen durch Spezialisierungsineschränkung als sehr sehr sehr weit weg beschreiben würde. Und trotzdem ist Shadowrun eins der Spiele, die auch mir positiv durch einen sehr interessanten Fokus auffallen.
Oder in abstrakt formuliert: Man muss ein Spiel nicht auf 5 Werte reduzieren, wenn man in einer düsteren Steam-Magic-Stadt okkulte Intrigen aufdecken will. Auch ein "Töpfern" Talent zerstört diesen Fokus nicht notwendig. (Was NICHT heißt, dass jedes Spiel, das diesen Spielstil verfolgt auch ein Töpfern-Attribut haben muss. Wir reden hier von Freiheiten, die den Fokus nicht notwendig einschränken. Und NICHT von Notwendigen Bedingungen für Spaß)
Okay, danke für die Erläuterung. Ich glaube aber nicht, dass das in den Spielen, die du auch als Beispiel für den Strategen nennst, wirklich gewollt ist (okay, sans DSA, da werde ich nie verstehen, was da die kohärente Spielprämisse sein soll).
Mag ja sein, dass es nicht gewollt ist. Aber ich empfinde das als Spaßgrenze.
Solche Charaktere gehören zu diesen Spielen nicht dazu. Weil die Spiele nicht dafür gemacht sind, Szenarien zu spielen, in denen so ein Charakter eine Rolle spielt.
Naja, also so kann man das ja jetzt auch nicht gerade sagen. Schließlich gibt es in beiden Systemen Regeln für Massenkämpfe, große Schlachten und Belagerungswaffen.
"Wir ziehen gemeinsam auf Abenteuer aus, besiegen Monster und finden Schätze" ist halt keine Prämisse, in der jemand seinen Platz findet, der weiß, wo er auf dem Schlachtfeld am besten seine leichte Kavallerie zu platzieren hat. Bei einem Spiel mit einer Prämisse, die so etwas unterstützt, würde ich deine Erwartungshaltung aber definitiv teilen.
Ja, wie gehabt. Es ist okay, wenn Spiele ganz generell einen Fokus setzen. Aber ich sehe nicht, wo DSA oder DnD unter einem Strategen "leiden" würden. Mal abgesehen davon, dass es den Entwicklungsaufwand hinsichtlich balancing etc intensivieren würde. Und ja, da beide Systeme durchaus am Spaßgrenzen-Symptom leiden, habe ich auch garkein PRoblem damit zu gestehen: Die Spiele haben einen Fokus, den sie wahrscheinlich gut setzen, aber den ich für spaßbegrenzend halte, und mir daher ein anderes System wünschen würde.
Ja, "Schwerter haben Aspekte" wäre eine sehr minimalistische Form davon. greift aber zu kurz. Wenn ich zum Beispiel ein Spiel mit Fate spielen möchte, dass von einer gewissen Form von Equipment-Porn lebt (hallo Shadowrun), dann sollten Ausrüstungsgegenstände Fertigkeiten, Stunts und von mir aus auch Aspekte haben. Gilt so auch für Mechas in einer Mechakampagne. Oder für Reiche im Baroniespiel und Schlachtenreihen für strategischen Kampf (um den Strategen von oben mal abzuholen).
Das finde ich grundsätzlich ja mega cool. Aber das bedeutet, dass Fate sagt: Ja, wir bieten diesen Grundmechanismus. Aber die ganzen einzelnen Aspekte und wie und wann sie relevant sind, das müsst ihr entscheiden liebe Spieler.
Das kann man mögen, und es kann gut funktionieren, wenn man enthusiastische und informierte Spieler hat. Aber im Endeffekt bedeutet es für viele Runden, dass man sich das Aventurische Arsenal aus den Fingern saugen muss, oder? Also es bietet erstmal genau das nicht: Viele Richtungen, in die ich meinen Charakter spielen kann. Sondern es bietet nur jene, für die ich mir die Mühe mache ein sehr umfangreiches Aspekte-Set auszudenken, für das ich mir Interaktions-Schemata aneigne.
Es sei an dieser Stelle angemerkt, dass es hier auch nicht um "Rulings" handelt, die man eben mal schnell improvisiert (Das gibt es auch, das meine ich hier aber nicht). Sondern viel eher um Regelmodule, die man gezielt vorbereitet, um bestimmte Spielelemente hervor zu heben und mit mehr Mechanik zu unterstützen. PbtA hat mit den "Custom moves" (Ausgang einer bestimmten Situation durch einen Move beschreiben, auf den ein Spieler in aller Regel würfeln muss) ein ähnliches Konzept.
Ah okay. Danke! Das löst natürlich das Problem des "aus den Fingern saugens", aber nicht das des Outsourcings sämtlicher Content-Erstellung an die Spielgruppe.
Also ich gestehe zu: Fate und PbtA eröffnen einige Möglichkeiten, mit viel eigenständiger Arbeit an den Spaßgrenzen zu rütteln. Aber ich bin nicht davon überzeugt, dass damit eine "gute" Lösung (also eine bessere als bspw. DSA, DnD, Sawo etc) für das Spaßgrenzen-Problem gefunden ist. Ich würde nach wie vor behaupten, dass ein System, das explizit versucht die Spaßgrenzen möglichst weitläufig aus dem Weg zu räumen, für Menschen die "relativ freies, regel-unterstütztes, nicht-unbedingt-narrativen-prämissen-folgendes" Rollenspiel mögen, ein erfüllenderes Spielerlebnis bietet. Weil das Problem mit dem Vorhandensein von Spaß eigentlich garnicht erst gegeben ist (außer man will unbedingt genau diesen einen Spielstil, wie bspw. Meta-Regeln), die Frustrationsfallen aber aus dem Weg geräumt sind.