Erst einmal Danke für den schönen Austausch. Da sind viele schöne Gedanken und Ansichten dabei.
Ich greife mal Punkte hervor, die für mich interessant sind.
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Für mich gehört zum Hobby Rollenspiel nämlich nicht nur das Spiel am Tisch, sondern auch die Beschäftigung mit dem Material - das umfasst sowohl Regeln als auch Setting. Dazu kommt noch, dass ich mir für dieses Material auch eine ansprechende Gestaltung (Layout, Bilder...) wünsche. Wie Vash im Ausgangspost schon schrieb, ist beides aber bei Eigenbau-Projekten nur selten in ausreichendem Umfang vorhanden; daher bin ich kein Freund von Homebrew-Spielen oder Konvertierungen - ein zentraler Aspekt meines Hobbys fällt dann (fast) komplett weg. ...
Danke insbesondere für einen solchen Einwurf, weil es den Aspekt aufzeigt, was die Spielenden zu leisten vermögen oder haben möchten. Ich finde hier bewegen wir uns ganz schnell im Spannungsfeld der Erwartungshaltung und der Ansprüche, die in den letzten Jahren sicherlich gestiegen sind, weil sich die Produkte enorm gewandelt haben (Layout, Farbe, Zeichnungen, Karten, Handouts usw.). Das macht dem einfachen DIY-Ansatz selbst bei der besten Schreibe - die ich ganz sicher nicht habe - zunichte, wenn der Rest ebenfalls nicht passt.
Zudem betont es einen anderen Aspekt, der mir im Diskussionsverlauf bis zu diesem Punkt sogar zu kurz kam: Die Sicht der Nicht-SL.
Ich denke, hier gibt es mehrere Formen. Die einen, die die Spielwelt auf mehreren Ebenen erfahren wollen und nicht nur am Tisch, beim Spielen. Sondern auch darüber hinaus, sich einlesen oder einspielen möchten. Und zum anderen jene, die die Regeln kennen und können wollen, was ebenfalls machen Spass kann oder sogar dafür entscheidend ist.
... Ein "Reiseführer Setting X" komplett in natürlicher Sprache, ganz ohne Referenz auf Spielwerte und andere Regelelemente? ...
Ein sehr spannender Ansatz! Anforderungen in natürlicher Sprache, sodass andere daraus eine Anwendung generieren können.
Okay, neben diesem sehr selektiven Lesens meinerseits, finde ich die Idee dennoch nachdenkenswert. Weil es seinerseits bedeutet, dass man die Käufer von Regelwerken dazu befähigen müsste, eine Anwendung aus Beschreibungen zu generieren. Oder die Leute müssten Pattern, Hilfen oder Hinweise erhalten bzw. sich selbst erarbeiten, wie sie zum Ziel kommen. Dies wäre ein Punkt, der beide Seiten, Regelschreibende und Settingsbeschreibende, beträfe.
Ich bin nicht so tief in generischen Systemen wie GURPS, Hero oder sogar Savage Worlds, aber ich kann mich nicht direkt daran erinnern, dort mal eine so deutliche Herangehensweise gefunden zu haben. Korrigiert mich bitte!
Daneben eröffnet es aber noch ein anderes Thema, dass mir nun im Kopf herum geistert, doch dazu braucht es wohl einen eigenen Thread.
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Das berührt aber imo direkt das Thema des Threads, da es ja unter anderem um die Frage ging, wer die Regeln bestimmen darf*. Wenn ein SL ein Homebrew System anbietet, sind die Regeln oft auch intransparent, wenn nicht alles nachlesbar ist. Und sie sind zuweilen unverbindlich, wenn ein SL "seine" Regeln kurzerhand ändert. Ich finde so etwas schwierig, weil es wie ein Vertrag ist, der einseitig einfach geändert werden kann. Das kann man schon machen, braucht aber enormes Vertrauen.
Bei einem veröffentlichten Regelwerk kann man vorher ergründen, worauf man sich einlässt, bei Homebrew oft nicht.
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Für mich sind hierbei zwei wichtige Punkte.
1. Erwartungen und Vermittlung derselben.
Dies betrifft vornehmlich das Spiel in der unmittelbaren Gruppe oder bei der Gruppenfindung. Wie die Einwürfe zu Warhammer Fantasy schon zeigten, können hierbei grosse Unterschiede existieren. Nun lässt sich das jedoch nicht immer aus den Regeln erlesen. Manche Spiele (bzw. Settings) werden von aussen anders wahrgenommen, als es die Regeln hergeben.
Mit anderen Worten: Regeln, die nicht zum Setting (oder den Erwartungen, der Wahrnehmung des Settings) passen, obwohl sie von den Machern kommen, also Original sind.
Dies ist ja gerade bei Magie - dies wurde, so glaube ich, hier schon erwähnt - oftmals ein Problem. DnD (Memorieren!) und Savage Worlds (Punkte!) sind hierbei Paradebeispiele. Jetzt sind diese Beispiele nun gerade generische Systeme.
Vampire dagegen wollte persönlicher Horror sein, bei dem es um die Kampf um die eigene Seele geht. Die Regeln geben das nur im geringen Masse her.
Shadowrun will eigentlich alle Facetten von Cyberpunk plus Fantasy abbilden, doch seit Jahren kenne ich nun die Aussage, dass man wichtige Elemente weglässt (Magie, Decken, Riggen) oder sogar so sehr verschiebt, dass andere Anteile ins Hintertreffen geraten (Stichwort: Magepunk statt Cyberpunk).
Es gibt also einige Spiele, bei denen die Machenden, die Regeln genommen haben, die sie 'kannten' oder verstanden und haben sie einfach für ihre Settings benutzt. Und anscheinend ohne sich zu fragen, was sie damit erreichen wollten.
Dagegen steht natürlich, dass insbesondere
grosse Spiele mehrere Facetten abdecken wollen und eben nicht den engen Rahmen der sogenannten Indie-Spiele gehen können oder gar wollen.
Dabei gibt es durchaus Beispiele die in eine andere Richtung gehen, wie Earthdawn, das seit jeher für die enge Verknüpfung aus Regeln und Setting gelobt wird.
2. Äussere Kommunikation.
Wie kann und wird mit anderen über das Spiel, die Regeln und das Setting kommuniziert?
Das ist ein Punkt, der bei
homebrew ungleich schwerer wird. Dazu kann es den gemeinschaftlichen Austausch behindern, weil erst eine Basis geschaffen werden muss. Das ist einfach bei nicht frei zugänglichen und einheitlichen Informationen schwierig. Und dies betrifft ja nicht nur die Regeln und das Setting, sondern auch die Erfahrungen mit Abenteuern/Kampagnen (im Sinne einer Reihe von Abenteuern).
Und hierbei frage ich mich, ob der aktuelle Erfolg von DnD nicht dazu beiträgt. Die Spielenden teilen sich die Regeln, die Settings, die Abenteuer und zudem die Videos, Podcasts und Let's plays. Alle können auf dasselbe Material zugreifen, es erleben und reflektieren.
Zugleich vermisse ich natürlich den Weg weg vom reinen Konsumenten. Doch dann sind wir wieder bei den obigen Erwartungen und Anspruchsgedanken.
Was denkt ihr? Wo sind Lücken oder Widersprüche in meinen Gedanken?