Ich habe die G7 zweimal gespielt, einmal nur als Spieler, dann die meiste Zeit als Spieler/Spielleiter. Beim ersten Mal haben wir sie (auch noch in der ersten Auflage) recht straight Abenteuer für Abenteuer gespielt, bei der zweiten Runde ist sie im Prinzip zur Rahmenhandlung geworden, in die wir alle anderen Abenteuer, die wir auch noch spielen wollten, eingebaut haben.
Ich finde sie echt gut.
Ja, viele der Abenteuer sind für sich klassische DSA-Märchenonkelei – hier ist euer Prophezeiungs-Hook, jetzt geht los, murkst ein bisschen im Umfeld des Geschehens herum und nehmt dann, was das Schicksal für euch bereithält. Kann man blöd finden, SOLLTE man sogar blöd finden.
Jetzt das große Aber:
Hintergrund und Storybogen sind der Hammer. Ja, Prophezeiungen sind eine billige Nummer, um Bedeutungsschwere zu erzeugen aber da ist noch so viel mehr an historischer Tiefe, an Verästelungen, in die man (auch unter Einsatz anderer Abenteuer reingehen kann), und der Konflikt Borbarad/Rohal hat auch eine echte philosophische Fundierung, also nicht nur: Einer ist böse, sondern es geht schon auch ein bisschen um das jeweilige Menschen- (Ähm, MenschenZwergeElfenOrksAchazEtc-)Bild dieser beiden. Ich kenne keinen anderen Rollenspieltext, der eine so dichte und konsistente Verknüpfung von Geschichte, Kosmologie, In-Game-Philosophie, Sightseeing und Meeting Famous People liefert.
Ja, es ist ein Text, um den spielbar zu machen, muss man noch Gestaltungsarbeit reinstecken und darf nicht zu viel Respekt vor dem Material haben. Aber das Material gibt es her, da nicht nur auf Schienen durchzufahren. Es gibt gerade am Anfang ein paar Flaschenhälse, die genommen werden müssen, aber gerade später, wenn es beispielsweise um Missionen geht wie die Trolle zu mobilisieren, darf auch vieles anders laufen, ohne, dass irgendwas an der Kampagne dadurch in die Brüche geht.
Zu den Abenteuern der Reihe, die ich geleitet habe: Unsterbliche Gier kommt sogar tendenziell als Sandbox (bzw. Snowbox) daher, da können die Charaktere ja nach Lust und Laune als Vampirjäger:innen durch Weiden gondeln, nur am Ende muss das davon weitgehend unabhängige Finale halt genau so laufen, damit die Kampagne nicht geschrottet ist. Wieder mal: Kann man doof finden, aber eigentlich hat das Abenteuer echt Spaß gemacht, wenn man akzeptiert, dass das Ende halt eine Cut-Scene ist.
Dann habe ich noch Goldene Blüten auf Blauem Grund geleitet, und ja: Lena Falkenhagen ist doch eher Romanautorin (und zwar eine sehr gute!), das merkt man dem Text an. Aber ich habe den mit verhältnismäßig geringem Aufwand massiv gehackt, und siehe da, es ist zu einem schön apokalyptischen Kriegsabenteuer geworden, in dem die Charaktere sich ziemlich frei bewegt haben. Das Material ist da, wenn man das einfach hernimmt und was draus macht, anstatt sich künstlich über den DSA-Abenteuerstil aufregt, den man doch längst kennt, dann bekommt man echt was geboten.
Das größte Problem der Neuauflage unter der 4E ist wahrscheinlich, dass es einfach so unglaubliche Mengen von Text sind. Die Anhänge sind gut und machen die Sache halbwegs übersichtlich, aber trotzdem – heutzutage würde ich das nicht mehr durchlesen, und damals habe ich es auch nie ganz durchgelesen … Das ist halt der Preis des Komplettismus. Aber trotzdem ist das, was die damalige Redaktion da abgeliefert hat, einfach ein erschlagendes Meisterwerk, dass, wenn man die Arbeit reinsteckt, sicher zu den besten epischen Kampagnenframeworks gehört, die je entwickelt wurden. Da können Dragonlance und irgendwelche Pathfinder-Abenteuerpfade gleich zurück ins Planschbecken hüpfen.