Zurück zum Thema: wie oben gesagt, nein, das Rollenspiel schafft sich nicht ab. Ganz im Gegenteil. Es blüht und gedeiht. Zumindest im anglo-amerikanischen Segment.
Ich denke ebenfalls, Ulisses verwechselt hier "Unser Verlag macht harte Zeiten durch" mit "Der Rollenspielbranche geht es schlecht". Und noch weniger gilt "Rollenspiel ist tot", meiner Wahrnehmung nach gibt es durch den D&D-5 Hype sowie durch die zunehmende Verbreitung des Hobbies in Social Media immer mehr Rollenspieler
Sehe ich beides auch so.
Produziert ihr selber Nacheuchs Rollenspielende und es spielen mehr Leute als Zuvor, sie fallen aber nicht so auf in der Masse weil vieles Online stattfindet und man nicht mehr die Menge an DSA Grundboxen verkaufen muss um die Summe an Spielern zu erfassen? Man kauft eher englisches Zeug als deutsch und muss zur Zeit auch noch sparen bei Hobbies?
Ich führe im kleinen privaten Rahmen, ebenso wie in unserem Verein und über lokale Cons und Events wie den GRT ständig Neulinge in das Hobby ein. Und viele davon wurden langfristige Spieler:innen bzw. SL. Allein in den letzten paar Jahren direkt (Leute die bei mir anfangen) und indirekt (Leute, die bei Leuten anfangen, die bei mir angefangen haben) sicher im dreistelligen Bereich.
Und ich erlebe gerade aktuell einen gewaltigen Boom. Jugendliche wollen nach den Corona-Lockdowns mehr soziale Hobbies vor Ort ausleben, gleichzeitig wurde Online-Spiel etabliert und Rollenspiel über Critical Roll, Stranger Things und Rocket Beans deutlich bekannter. Und "Nerd-Hobbies" (Pen & Paper, Cosplay, LARP,...) werden von einer stetig steigenden Anzahl an Personen akzeptiert oder sogar ausgeübt. Auch in den Medien werden sie immer positiver dargestellt.
Wenn wir Events veranstalten, sind die immer gut besucht, in unserem Verein kommen ständig Neulinge, die uns von sich aus anschreiben und Anschluss an die Pen & Paper - Szene (und/oder Gruppen) suchen. Und wir sind de fakto im deutschsprachigen Raum ein kleines Kaff (Klagenfurt, ~100k Einwohner im Süden Österreichs).
Insofern habe ich mir mit Markus' Erklärungen wirklich schwer getan, weil sie einfach nicht meiner aktuellen persönlichen Erfahrung entsprechen.
Ja, es ist sicher ein Problem, dass Neulinge mehr und mehr nur D&D5 kennen. Aber meine Erfahrung nach ist es sehr einfach, Leute, die von D&D gehört haben, zu anderen Rollenspielen zu bringen, indem man sie ihnen einfach zeigt. Praktisch alle neuen Spieler:innen bei uns stürzen sich begeistert auf jede Gelegenheit, weitere neue Rollenspiele kennen zu lernen.
Insofern sehe ich hier tatsächlich ein Kommunikationsproblem. Ich halte nichts von Ulisses Bashing, Ulisses leistet große Beiträge für die deutsche Rollenspielszene, aber ihre Probleme sind hausgemacht. Ulisses konzentriert sich nach meinem Empfinden zu sehr auf die eigene vorhandene Community und die Retro-Spieler.
Gefühlt schottet sich Ulisses auch stark ab, während z.B. zwischen Uhrwerk, System Matters und Pegasus mehr Kooperation (z.B. GRT, bei dem Ulisses als einziger "großer" Verlag nicht mit macht) spürbar ist.
In diesem Zusammenhang habe ich auch Markus' Meldung, dass ja niemand in Läden oder bei Events spielen will, überhaupt nicht verstanden. Wir haben vergangenen Herbst mit einem lokalen Laden und einem anderen Jugendclub zusammen einen eigenen GRT veranstaltet und kombiniert mit der langen Nacht der Museen bis nach Mitternacht hinaus gezogen. Und wir waren gut besucht. Und das war nur eines von drei ähnlichen Events, die wir 2022 veranstaltet haben.
Wenn das sogar bei uns funktioniert, kann ich mir nicht vorstellen, dass das in deutschen Großstädten nicht machbar ist.
Man muss nur wieder mehr auf die potentiellen Neuspieler:innen zugehen und sie abholen, anstatt nur zu hoffen, dass sie von selbst zu einem kommen.
Auch die Aussage von Markus', dass Kinder-RP nicht ziehen und deswegen Äventyr nicht fortgeführt wird, hat für mich keinen Sinn ergeben, wenn gleichzeitig der Uhrwerk-Verlag So Nicht Schurke! als eines ihrer erfolgreichsten jemals erschienenen Produkte erklärt und ich bei örtlichen Spieletagen die Begeisterung von Kindern und Familien unmittelbar erlebe (Persönlich fand ich vor allem das Artwork von Äventyr wenig ansprechend bis hin zu verstörend, aber das ist natürlich stark Geschmackssache).
Ulisses würde ich ja als Lösung empfehlen, Aventurien komplett auf D&D umzustellen. Die Welt ist tiefgründig und sehr gut ausgearbeitet. Jetzt noch ein System drauf, dass die Kunden auch wirklich spielen wollen, und der Verlag kann das Ruder evtl rumreißen.
Danke
Ich habe Ulisses angeboten, meine Conversion gemeinsam zu professionalisieren. Interesse 0. Aber ich hab natürlich auch kein echtes Gespür, wie weit das in der Praxis ziehen würde, oder ob ich die kleine tatsächliche Zielgruppe eh schon praktisch vollständig erschlossen habe. Und ich bin Ulisses natürlich dankbar, dass ich meine Fanconversion über ihre Plattform vertreiben kann.
Was man aber schon sagen muss: Es ist bei der Werbung von Neulingen durchaus merkbar, dass komplexe Systeme wie DSA (wir bieten diese bei unseren Vereinsabenden und Events durchaus auch an) nur eine Minderheit der Rollenspiel-Interessierten ansprechen. Einfachere Systeme kommen gerade bei Neulingen deutlich besser an. Insofern sehe ich das durchaus als Teil von Ulisses' Problem.
Und auch wenn ich persönlich kein großer Savage Worlds - Fan (mehr) bin, begrüße ich Savage Hexxen und sehe es als einen Schritt in die richtige Richtung. Ich hoffe, es wird ein Erfolg und weitere Unterstützung von Ulisses' Systemen (DSA, DSK, Torg) folgen.
Ich sehe den Erfolg von D&D5 durch zwei Faktoren bestimmt: Zugänglichkeit des Systems (ja, es gibt noch leichtere Systeme, aber die meisten Neulinge kommen mit D&D5 gut zurecht) und eine klare Ausrichtung der Bewerbung auf Neukunden. Und an beiden mangelt es Ulisses/DSA momentan.
Und ja, mir ist klar, dass WotC natürlich eine deutlich bessere Ausgangsposition in Hinblick auf Markt- und Finanzmacht hat.
@Würfelmumien
YMMD!
+1