So, ich bin zurück und gehe meine Notizen durch. Außerdem schraube ich an einer schlüssigen, halbwegs unterhaltsamen und zielführenden Erläuterung, wie es zu dem Setting kommen konnte. Bisher sieht das Ganze so aus:
Die Geburt der Hell Bowl lässt sich auf die Minute genau bestimmen, auch wenn sich die Dinge schon Jahrzehnte vorher abgezeichnet haben. Am 20.09.2042 um 9.32 Uhr begann Walther Hardman seinen Vortrag bei Kensington Agriculture, einem unbedeutenden Tochterunternehmen von Kensington Investments, an der wiederum mehrere Hegdefonds beteiligt waren. Walther hatte eine Entscheidung getroffen. Natürlich nicht einfach so, ein Manager muss sich ja den Rücken freihalten. Er hatte seine KI-Assistenten dutzende Studien und Gegenstudien anfertigen lassen, diverse Wetter- und Klimasimulationen beauftragt und sich die Zahlen immer wieder angesehen. Gewinn- und Verlustrechnungen, Umsatz- und Wetterprognosen und Bewässerungskosten bildeten ein buntes Miteinander in dreidimensionalen Flow Charts, Diagrammen und Tabellen. Und alle sagten sie das gleiche aus: Jedwede weitere Kreditvergabe in den Great Plains bedeutete Verlust. Der Ackerbau war dort nicht mehr rentabel und würde in absehbarer Zukunft nur noch Kosten verursachen. Alleine die Kreditausfälle könnten Kensington Milliarden kosten. Kensington hatte in den 30ern begonnen an Farmer günstige Kredite auszugeben, oft verbunden mit Abnahmegarantien und sogenannten Systemverträgen, in denen sich die Farmer verpflichteten, das CleanUp-System zu verwenden.
CleanUp-Viren waren dazu konzipiert Unkräuter zu verdrängen oder abzutöten, während die eigens dafür geschaffenen, genetisch modifizierten Feldfrüchte wie Mais, Weizen oder Soghum-Hirse gegen den Virus immun waren. Zudem kamen die Pflanzen mit relativ hohem Salzgehalt in den Böden klar und waren resistent gegen die meisten Pflanzenschutzmittel. Die Farmer erhielten so für die Aussaat Kredite, mit ihren Farmen als Sicherheiten, kauften bei Kensington Agriculture Saatgut, CleanUp und Düngemittel, und zahlten ihre Kredite zur Ernte mit ihren eingebrachten Erträgen wieder ab.
Walther beendete diese Praxis. Für keinen seiner Vorgesetzten kam Walthers Empfehlung überraschend. Es ging nie um das Ob, sondern nur um das Wann. Die Grundwasservorkommen, allen voran der Ogallala Aquifer, waren erschöpft. Ein klassisches Beispiel der Almende-Klemme. Jeder Farmer wusste, dass der Vorrat endlich war, und der Salzgehalt früher oder später selbst für das CleanUp-System zu hoch werden würde. Aber lieber er pumpte das Wasser auf sein Feld als sein Nachbar.
Die Klima- und Wetterdaten sahen wenig vielversprechend aus. 5-10 Inches Regen pro Jahr, mit dem Risiko von jahrelangen Dürren und vereinzelten Starkwetterereignissen. Beim Niederschlag in den östlichen Rocky Mountains sah es wenig besser aus. Kensington hatte die Farmer mit Medienkampagnen bei der Stange gehalten. Denn wer würde schon seine Existenz an eine Region hängen, der in absehbarer Zeit das Wasser ausgehen würde? Man verbreitete einseitige Studien, fabulierte über böswillige Aktivisten, Wetterkontrollsysteme und oft genug auch über göttliches Wirken. Dabei wussten die Farmer genau, was sie erwartete. Sie wussten, wie tief ihre Brunnen schon reichten, und sie hatten den steigenden Salzgehalt genau im Blick. Sie machten schlicht weiter, weil sie mussten, weil ihre Kinder aufs College gehen und die Kredite abbezahlt werden mussten. Sie wussten ganz genau, dass früher oder später aus dem Land nichts mehr herauszuholen war. Sie wussten nur nicht, wie lange es noch gut gehen würde. Nun wussten sie es. Die Aussaat war gestrichen, Kredite eingefroren und Abnahmeverträge beendet.
Das Ende mit Schrecken
In den nächsten Jahren rutschten zehntausende Farmer in die Insolvenz. Ohne Kredite keine Aussaat, kein Treibstoff und keine Arbeiter. Mit dem Austrocknen des Landes wurden ihre Farmen wertlos. Tausende gaben auf und zogen an den Rand der großen Metropolen, nach Denver, Dallas oder Oklahoma City, oder verdingten sich als Wanderarbeiter weiter im Osten oder an der Westküste. Andere wollten nicht aufgeben und versuchten der Dürre zu trotzen. Die Zahl von Selbstmorden unter Farmern schoss in die Höhe. Die Dürre zog auch noch die letzte Feuchtigkeit aus der brach liegenden Bodenkrume. Das in den Äckern verbliebene CleanUp und eine Mixtur aus unterschiedlichsten Pflanzenschutzmitteln hemmten die Ausbreitung des Präriegrases, das den Boden sonst hätte halten können. Zu guter Letzt rissen Stürme den staubtrockenen Boden mit sich. Die ersten großen Staubstürme zogen im Frühjahr 43 über das Land und verdunkelten die Sonne.
Den Ranchern erging es kaum besser. Viele Farmer sattelten auf Viehzucht um, die in der Region eine lange Tradition hatte. Aber durch die Wirtschaftskrise nach dem Black-Second-Crash und den politischen Verwerfungen brachen die Preise für Rindfleisch immer wieder weg. Und auch an ihnen ging die Wasserkrise nicht vorbei. Selbst genügsame Rinder benötigen 40 Liter Wasser am Tag, und allein in Cimarron County, Oklahoma, wurden 2043 noch gut 70.000 Rinder gehalten, weit weniger als noch einige Jahrzehnte zuvor, aber immer noch zu viele, um sie mit Wasser zu versorgen. Da das Grundwasser aufgrund des gestiegenen Salzgehalts für Mensch und Tier ungenießbar war, baute jeder, der es sich leisten konnte, Entsalzungsanlagen, die meist mit Wind- oder Solarenergie betrieben wurden. Aber die Staubstürme dezimierten immer wieder die Rinderherden, und so zogen sich auch immer mehr Rancher aus dem Geschäft zurück. Das schon vorher dünn besiedelte Land war bald überzogen von aufgegebenen Farmen und schrumpfenden Dörfern, und weder die Regierung von Oklahoma noch die von Texas oder Kansas hatten ganz andere Probleme, als sich mit den Bewohnern dieser wirtschaftlich sowieso schon abgehängten Regionen zu beschäftigen. Und so wurde das weite Land zu einem kaum besiedelten, rechtsfreien Raum, der Hell Bowl.