Ich dachte bei meinem Bezug auf den "Zeitgeist" gar nicht so sehr an pbtA und Ähnliches, sondern eher an Systeme wie die genannten 2d20/Year Zero. Die kommen mir nicht so nischenmäßig vor (vielleicht täuschen mich da aber auch die großen Lizenzen wie Star Trek, Dune oder Tales from the Loop, die damit umgesetzt werden). Das sind ja eigentlich recht herkömmliche Systeme, die letztendlich aus der gleichen Tradition wie Splittermond stammen und halt hier und dort eine Geste in Richtung pbtA/Fate und Konsorten machen.
Aber klar, der Mainstream sind wahrscheinlich in Deutschland nach wie vor DSA, Shadowrun und Cthulhu und inzwischen auch D&D. Wobei man "Mainstream" auch wieder von "Zeitgeist" unterscheiden muss ("Zeitgeist" ist eher das, was spekulativ als vorausweisend herumwabert, "Mainstream" das, was tatsächlich stattfindet).
Letztendlich haben aber alle hier Recht: Es ist natürlich überhaupt nichts schlechtes daran, den Zeitgeist oder den Mainstream zu verfehlen und was ganz anderes zu machen. Worauf ich bei Splittermond hinauswollte, war eher, dass man da mit was Neuem angetreten ist, aber für mein Gefühl nicht das bedient hat, was die meisten anderen anderen mit explizit "Neuem" derzeit bedienen. Year Zero ist eben nicht fundamental anders als Splittermond (zumindest nicht so fundamental anders wie pbtA), aber man sieht schon, dass da von einem ähnlichen Ausgangspunkt her (klassisches Spiel mit Attributen, Skills, Trefferpunkten) in eine andere Richtung gegangen wurde. Und die meisten Systeme, die vergleichbar komplex sind wie Splittermond und in den letzten Jahren erschienen, sind halt neue Editiionen alter Systeme, die immer auch schon eine nostalgische Kernkäuferschaft in der Hinterhand haben.
Insofern ist es eine tolle Leistung, dass Splittermond den Zeitgeist verfehlen konnte und trotzdem so viel Hype erzeugen und so langfristig erfolgreich sein konnte/kann. Ich kann mir halt vorstellen, dass, sobald dem Verlag die Puste beim ständigen Nachbuttern ausgeht, auch die Begeisterung schnell schwindet. Ist andererseits bei "zeitgeistigen" Systemen auch nicht anders.
Unterm Strich finde ich es vor allem interessant, dass Splittermond mit seinem komplexen Regelwerk es als ganz neues Rollenspiel überhaupt geschafft hat, eine feste Spielerbasis zu gewinnen.