Indiana Jones und das Königreich des Kristallschädels ist ein guter "Indiana Jones"-Film.
Und das kann ich beweisen (wie sehr man halt ein Geschmacksurteil "beweisen" kann).
Ich habe mit meiner Frau, die noch keinen Indy vorher kannte, "Jäger des verlorenen Schatzes" geguckt. Sie war nicht begeistert. Und ich auch nicht mehr so richtig. Der Film ist nicht sonderlich gut gealtert. Er wirkt gleichzeitig gehetzt und langatmig. Das Frauenbild ist unterirdisch, selbst für einen Film der 80er (und Marianne ist deshalb auch so eine fürchterlich überflüssige und unangenehm infantilisierte Figur... und Alkoholikerin, die Frau ist
definitiv Alkoholikerin). Der Film ist voller Plotlöcher. Leute überleben Sachen, die sie eigentlich umbringen müssten. Und die Nazis sind auf eine Weise inkompetent, die kein Gefühl von Bedrohung aufkommen lässt. Vergleiche ich das z.B. mit "Krieg der Sterne", dann stinkt Indy da völlig ab. Mal abgesehen davon, dass Dr. Jones eine Mary Sue ist auf einem Level, die jene, die deshalb in gleichem Maß über Rey "Skywalker" oder She-Hulk motzen, eigentlich beschämen sollte. Warum der Kerl Teufelskerl und Archäologieprofessor gleichzeitig sein kann – ohne, dass wir eine Trainingsmontage gesehen hätten – ist eine Frage, die man sich schon mal stellen könnte.
Klar, "Jäger des verlorenen Schatzes" hat auch seine guten Seiten.
Aber, und das ist das Ding, all diese guten Seiten hat "Königreich des Kristallschädels" eigentlich auch. Ich hatte einen Verdacht und habe zu meiner Frau gesagt "okay, schau noch einen weiteren Indy-Film mit mir: Nummer 4." Haben wir dann gemacht. Und mein Verdacht bestätigte sich:
Sie fand Teil 4 besser als Teil 1. Und ich weiß auch genau warum: Der Film ist in vielen Fällen wirklich ganz genau so wie der 1, nur moderner gedreht und geschieben. Die Verfolgungsjagden sind so gut geschossen wie in Teil 1. Die Exotik der Schauplätze ist gut eingefangen und die Bauten sehen super aus. Die Sprüche von Indy sitzen. Ich finde sogar, dass die Figur Indy im direkten Vergleich gewonnen hat. Jones' Dialoge sind geschliffener, irgendwie punchier und er wirkt mehr wie ein ausgeformter Charakter als er es im ersten Film tut – ich mag den knodderigen, etwas älteren Indy, der schon erste Ermüdungserscheinungen erkennen lässt; den finde ich viel interessanter ("Nimm die Hände runter, du machst uns ja lächerlich!" wird immer ein Lieblingssatz von Indy für mich sein).
Das Einzige, was der "Kristallschädel"-Film nicht tut, ist ein Genre aufmachen und der erste seiner Art sein. Und die Eröffnungsszene von "Jäger" – die ist auf einem Niveau, das der vierte nie erreichen kann. Aber es gibt sogar Elemente, die der vierte Indiana-Jones-Film besser beherrscht. Man kann zum Teil regelrecht sehen, wie Steven Spielberg seit Teil 1 gewachsen ist, wie viel gekonnter er Action timt und mit seinem Director of Photography bessere Bilder aus dem Stoff rausholt.
Und da wären noch die Schurken: Cate Blanchett ist eine gute Bösewichtin. Sie bringt eine unterschwellige Kompetenz in die Figur, die die Schurken in Indy 1 nicht haben. Indys französischer Rivale war noch ein guter Bösewicht, wenn auch etwas
one note (immerhin ist er verantwortlich für die einzige wirklich gute Dialogzeile in Indy 1, wo er entlarvt, dass Dr. Jones die Bundeslade doch genauso gerne geöffnet sehen will wie alle anderen auch). Aber wenn ich dann Blanchetts Pseudo-Psi-Kommunistin mit diesem Nazi im schwarzen Mantel vergleiche, dann gewinnt Team KGB auch noch nach 6 Gläsern Wodka. Mehr als ominös in der Gegend stehen kann der Schwarzmantelnazi nämlich nicht (abgesehen vielleicht von der Stelle mit dem Kleiderbügel, die war effektiv) – man könnte sagen, er ist der Boba Fett des Indy-Universums. Derweil ist Blanchett Teil der Action und setzt den anderen Figuren auch durchaus mal zu. Und sogar ihre rechte Hand, der russische Hüne, obgleich der wenig Dialog hat, ist wesentlich erinnerungswürdiger inszeniert als die Indy 1-Nazis.
Aaaaaaaber, werdet ihr sagen: Was ist mit
Nun, bei denen war meine Frau sich auch unsicher, ob sie die mag. Und ich bin es ein stückweit auch. Aber ich fand diesen Punkt schon im damaligen Diskurs wirklich überrepräsentiert, denn...
...
Präastronautik ist ja tatsächlich eine Parawissenschaft, die an der Archäologie dranhängt und dass das Paranormale im Indy-Universum existiert, ist gut etabliert. Ja, Spielbergs Bildersprache war da vielleicht die eine Umdrehung zu viel. Aber auch im Kontext der Pulp-Literatur und ihrer großen Vorbilder, sind Phantastik- und Science-Fiction-Elemente nicht immer klar getrennt gewesen sondern haben sich regelmäßig die Hand gereicht. Im Rahmen der Herleitung im Film ist das nicht weniger hanebüchen und nicht weniger rund als die Sache mit der Bundeslade.
Letztlich rechne ich es Spielberg und den Autoren des Films sogar hoch an, dass sie da eben ein Risiko eingegangen sind und das trotzdem noch so gut zusammenpasst. Sie hätten einfach eine seelenlose "Alles nochmal dasselbe"-Indy-Parade auffahren können. Aber das haben sie nicht. Sie haben was Neues ausprobiert. Das kann ich für sich selbst schon honorieren.
Allein, Marianne ist leider als weibliche Figur noch genauso flach und uninteressant wie in Teil 1. Manche Altlasten wird man einfach nicht los.