So wie ich‘s mir gedacht habe: Man kann halt über Geschmacksurteile nicht diskutieren…
Ich hab ja Indy 1 jetzt auch nicht verrissen. Du hast natürlich Recht, dass er das Genre nicht begründet hat... ich hätte wahrscheinlich eher revialisiert schreiben sollen. Das hat er nur eben so gekonnt getan, dass er seine eigenen Standards gesetzt hat, selbst wenn er nicht unbedingt innovativ sein wollte. Er war es, auf seine Art.
Und trotzdem bleibe ich dabei, dass Indy 4 eigentlich irgendwo schon dieselbe Art Film ist – oder sich doch zumindest nahtlos in die Reihe einordnen kann. Und egal ob jetzt Peter Lorre den Mantelnazi spielt oder nicht… die Figur ist vergessenswürdig, meines Erachtens nach. Was da an Coolness wahrgenommen wird von vielen Fans, passiert halt im Headkanon (wie bei Boba Fett) – in den Plot eingearbeitet? Wo denn? Der hat eine Konfrontation mit Indy in Nepal. Da stellt er sich nicht sonderlich kompetent an und sein Versuch nach dem glühendheißen Amulett zu greifen hat mir ob des unwürdigen Gequietsches, das er da von sich gibt, ein Lachen entlockt. Der tut die ganze Zeit über gar nichts, außer bedrohlich daherzureden und im Hintergrund rumzustehen. Die Russin kann immerhin mit dem Säbel umgehen. So viel cooler.
Und Cate Blanchet hat schon das Maximum aus dieser Pulpschurkin rausgeholt (and to be frank: Es ist eine Pulpschurkin… aus denen ist nicht viel rauszuholen. Femme Fatale? Die Lady ist von Minute 1 an ein kalter Fisch. Die Tatsache, dass die Figur überhaupt ein nennenswertes erotisches Charisma hat, liegt an der Schauspielerin.)
Indy 4 ist kein perfekter Film. Er ist nicht so gut wie Indy 1. Aber er ist doch ein guter Indiana Jones-Film. Weil schon Indy 1 nicht sooooo toll ist, insgesamt. Es ist eine Frage des Maßstabs. Wenn der Plot keine Rolle spielt und es nur um die Action geht, dann muss man konstatieren: Die Action in "Indiana Jones 4" ist insgesamt gut. Und zum Teil auch recht einfallsreich.
Und warum bitchen eigentlich so viele Fans über Shia LeBouef? Die Figur war doch völlig in Ordnung und auch gut ausgeleuchtet. Klar, ein Halbstarker, der plötzlich eine Schlägerei vom Zaum bricht. Aber ist ja nicht so als wäre das in den 50ern völlig abwegig – und Indy hätte wohl in dem Alter das Gleiche getan. Und der Charakter hat mit Indy auch ein paar gute Gespräche. Überhaupt die Tatsache, dass Indy im vierten Teil tatsächlich substanzielle Gespräche mit Menschen führt, sich öffnet, Leuten Ratschläge gibt und zugibt, wenn er nicht weiterweiß. Der Indy im ersten Teil ist im Vergleich dazu nicht mal wirklich ein Charakter. Er und Marianne haben 0 Chemie und sprechen eigentlich nur oberflächlich über ihre Vergangenheit.
Womit wir beim Thema wären: Marianne wirkt auf mich wie eine Alkoholikerin, weil sie bei jeder Gelegenheit, die sich bietet, ihre Trinkfähigkeiten unter Beweis stellen muss. Das Letzte, was sie in Teil 1 zu Indy sagt, ist, dass sie ihn auf einen Drink einladen will. Ich zähle da nur 1 und 1 zusammen. Ist natürlich spekulativ. Aber es gibt auch funktionale Alkoholiker, denen man diese Krankheit nicht an der Nasenspitze ansieht. Die völlig aufgeräumt wirken, aber trotzdem bei Gelegenheit nach der Flasche greifen. Aber vielleicht war das nur eine zusätzliche Spitze von mir, weil ich die Figur nicht mag, zugegeben. Marianne langt in "Jäger" sicherlich ein paar Mal zu, aber das passiert selten und wenn sie es tut, wirkt es immer unbeholfen. Viel öfter hingegen wird sie entführt und schreit "Indiana"... ständig, die ganze Zeit. Sie ruft um die Hilfe eines Mannes, der sie erst sitzen gelassen hat und der sich dafür noch nicht einmal wirklich entschuldigt oder sein eigenes Fehlverhalten aufarbeitet. Stattdessen reichen ein paar Feuergefechte mit den Nazis und schon ist alles vergessen. Reden wir nicht mehr drüber, denn Indy ist ja so charmant. Sie schmeißt sich an ihn ran – sie leiht sich dafür vom Kapitän eines Cargo-Frachters (!) sogar ein kurzes, sexy Satinleibchen aus, in dem sie sich dann herumräckeln kann, nachdem unser Held sie zum 100ten Mal gerettet hat. Marianne Ravenwood ist die Karikatur einer starken Frauenfigur (ich mach das so deutlich, weil es nichts gibt, was mich an der Indy-Reihe so sehr stört wie die Frauendarstellung in "Indiana Jones" 1). Die lebt weder ihre Sexualität selbstbewusst, noch geht sie erwachsene Bindungen ein, noch kann sie wirklich in Ärsche treten, noch bleibt sie ihren Prinzipien treu, noch rollt sie auch nur mit den Augen, wenn sie alle (wirklich alle!) männlichen Figuren im Film sie immer nur als "das Mädchen" bezeichnen. Wir haben aktivere, glaubwürdigere Frauenfiguren in vielen anderen Filmen dieser Zeit und früher gesehen: Leia (abzüglich Star Wars 6 vielleicht), Ripley, heck sogar Ingrid Bergmann in "Casablanca" – der eine Paardynamik hat, auf der das, was "Jäger" da erzählen will, wahrscheinlich basiert, aber nicht mal ein bisschen da ranreicht.
Und du kannst doch nicht auf der einen Seite sagen, eine Marianne Ravenwood dürfe eindimensional sein (ist ja Adventure Pulp) und dann anderen Figuren wie etwa der Blanchetts russischer Schurkin oder LeBoeufs Pomadenhannes dieselbe Eindimensionalität nicht zugestehen. Gerade beim Beispiel LeBoeuf finde ich den Charakter durchaus facettenreicher als seine Mutter, die wenig Substanzielles in Teil 4 beizutragen hat und sich augenblicklich wieder in Indy verguckt (den Kerl, der sie jetzt zwei Mal (!) sitzen gelassen hat).