Ich verweise zum einen mal auf meinen Beitrag aus
Wie offen bist du gegenüber neuen (unbekannten) Systemen? und ergänze:
Als Schüler/Azubi hatte ich viel Zeit. Das war in etwa die Phase, wo ich auch am meisten Zeit in das "Nerdhobby" versenkt habe: ALLE Rollenspiele kennenlernen (wollen), bei allen wichtigen Serien mitreden, die richtigen Filme gucken (und ins Regal stellen), die wichtigen Spiele wenigstens mal anspielen.
Dann kam Beziehung und Umzug dazu, Alltag musste organisiert werden, Freundschaften außerhalb des Hobbys entstanden usw.
Irgendwann setzt ich mich an einem freien Tag an den Rechner, um zu "zocken". Aber es warteten soooo viele Spiele auf mich! All die Steam-Angebote der letzten Monate lauerten darauf, endlich mal beachtet zu werden.
Also tat ich das und beachtete sie. Jedes. Ungefähr 30 Minuten lang. Um herauszufinden, welches Spiel jetzt meine Aufmerksamkeit "voll und ganz" verdient hat...
Stellte sich bald raus: Es waren 2 Stunden vergangen und ich hatte
keinem wirklich Zeit gegeben.
Das war ein entscheidender Punk, an dem mir klargeworden ist: Ich
kann gar nicht überall mitmischen und alles kennenlernen. Dafür reicht die Zeit nicht aus. Wird sie nie. Ich muss mich also.. entscheiden. Und zwar bewusst für etwas ganz Konkretes!
Seitdem habe ich in mittlerweile knapp 10 Jahren einen immer rigoroseren Umgang mit meinem allgemeinen Medienkonsum entwickelt und radikal ausgeräumt. Keine DVDs, keine CSs, keine Schallplatten. Bücher kaufe ich nur selten, sondern leihe sie entweder oder tausche in Bücherschränken - mein "Möglichkeitsstapel" ist so groß genug und ich frage mich bei jeder Neuanschaffung "Wann wirst Zeit dafür haben? Wirst du es bis dahin irgendwo auch leihen können"? - und die Antworten sind meist: Irgendwann und ja.
Denn die Zeit ist begrenzt. Mittlerweile lebe ich mit meiner Freundin in einem Reihenhaus mit kleinem Garten und zwei Tieren. Die Freizeit, die nach 39h Arbeit + 5h Pendelzeit wird aufgeilt in: Paarzeit, Haushalt, Lebens-Organisation (Artztermine, Finanzielles, Reparaturen,...) , soziale Zeit (Familie und Freunde) - und am Ende ist noch Zeit fürs Hobby.
Und in der Zeit
spiele ich - und möchte so wenig wie möglich mit Vorbereitung und Lesen von Zeug, was ich nie spielen werde, verbringen.
Was mir zum Beispiel nie passieren wird: Ein Buch aus dem schweren, deckenhohen Regal voller Rollenspiele, Abenteuer, Kampagnen und Erweiterungen ziehen und mich Mit Whisky und
Zigarre dunkler Schokolade bei Kerzenlicht in meinen riesigen Ohrensessel setzen um hernach stundenlang darin zu schmökern.
Dementsprechend habe ich auch meine Rollenspiel-"Sammlung" deutlich reduziert. Wobei der Name anhand der damaligen Menge wahrscheinlich dem Großteil der Leute hier ein müdes Lächeln abringen würde. Das Problem: Rollenspiele findet man kaum irgendwo im Bücherschrank (wobei ich schon welche reingestellt habe!) oder in der Stadtbücherei.
Aber: Sie brauchen Zeit UND Leute, wenn man sie wirklich spielen will! Also ähnliches Problem wie Brettspiele.
Und da es ein Wildwuchs von Systemen, angefangenen Reihen und angestaubter Retrokram war, bin ich irgendwann alles durchgegangen und habe mich gefragt, ob ich wirklich vorhabe, das System nochmal zu leiten oder zu spielen. Und meinen Regalplatz dadurch effektiv auf ein Drittel reduziert.
Heute halte ich es so: Neue Rollenspielbücher kommen erst ins Regal, wenn ich Platz dafür habe. Es wird kein neues Regalbrett angefangen! Und digital kaufe ich auf Bedarf, wenn ich eine konkrete Runde vorbereite und etwas dafür benötige.
Es bleibt halt nur so viel Zeit. Und ich persönlich habe gelernt, dass echte "Qualitätszeit" die ist, die man mit anderen zusammen verbringt.
Das soll jetzt in keiner Weise ein Absolutheitsanspruch darstellen - mir ist klar, dass viele andere Lebensentwürfe und Prioritäten gibt. Aber vielleicht erkennen sich ein paar darin wieder und nehmen das zum Anlass, bei sich auch mal zu prüfen.
Denn es gibt auch ein paar Sachen Sache, die in Hobbies (nicht nur unserem!) sehr verbreitet ist, und die ich per se für schädlich halte: Das Kokettieren damit, das man (a) viel Zeit in Konsum gesteckt hat oder (b) älter ist - und durchaus auch, das man mehr Geld zur Verfügung hat.
Das ist mir immer mal wieder begegnet, als ich in meiner Einstiegszeit begeistert von einem System / Setting / Regelmechanismus / Spielwelt / Runde.... berichtet habe. Da gab es dann mitunter paternalistisch wirkende Bemerkungen, dass man selbst das ja schon seit den 90er, 80er, 70ern kennen würde. Oder das man Kamapgne X ja schon 2x gespielt habe und Kamagne Y und Z seien ja viel besser usw. Dahinter verbirgt sich vermutlich meist Geltungsbedürfnis, man meint es aber vermutlich "gut" indem man seine Erfahrung teilt.
Was aber rüberkommt ist: "Was du machst, reicht nicht" - zumindest bei mir damals. Und das hat meinen Konsum zumindest in Teilen in eine zu Anfang eher ungesunde Richtung entwickelt, von der ich mich glücklicherweise schnell lösen könnte.
Ich finde es grundsätzlich gut, sein Wissen und Erfahrung teilen zu wollen. Aber man sollte auch anerkennen, dass Andere mit ihrer Zeit und ihren Prioritäten anders umgehen - und auch wenn sie nur ein Bruchteil der Zeit (und Geld!) ins Hobby stecken, ebenso ein Teil davon sind. Und auch nicht weniger wert.