(Das ist ja für Menschen, die ihre Geschlechtlichkeit selbst definieren wollen, ja auch wichtig... die möchten nicht von außen etikettiert werden.)
Da sehe ich ein wesentliches Problem. Ohne irgendeine Form von Konsens gibt es da völlig ungestörten Wildwuchs. Und da viel Vielfalt viele Probleme bringt, wird es keine praktikable Lösung geben; denn wer wollte dann darüber befinden, was ein akzeptables Pronomen, eine akzeptable Anrede etc. ist?
Konkret: Wo hört es auf, wenn jeder selbst definieren darf, wie er/sie/sier/clownself angeredet und pronominalisiert werden möchte? Und - um die Sprachakrobatik mal weiter zu treiben - was, wenn ich jetzt z.B. finde, dass die Sprache mir Gewalt antut, wenn ich im Objekt stehe? Ich will kein Objekt sein! Etc.
Es ist ja schwer genug, im Rahmen der Normalsprache die passenden Anreden, das passende Register, die richtige Höflichkeitsstufe zu finden.
Und nochmal, trotz des möglichen Eskalationspotentials: Für einen Teil der Verfechter dieser Sprachneuerungen ist es ein Teil ihrer Identität, dauerhaft verletzt, gestört, beleidigt etc. zu sein. Ich unterstelle, dass man es einigen Leuten nicht recht machen können wird, weil die Leute gar nicht wollen, dass man es ihnen recht macht. Wo zieht man da die Grenze?
Natürlich berührt das grundsätzliche Diskussionen um Rechte und Freiheiten von Individuen und zu den Formen von deren Verwirklichung. Zur Illustration: Gibt es z.B. ein Recht auf Krankheit? Auf selbstverletztendes Verhalten? Auf fremdverletztendes Verhalten, wenn das "Tradition" oder "Kultur" ist (Beschneidung, körperliche Züchtigung in Ehe und Kindererziehung, Duelle, Ehrenkonflikte)?
Ich kann mich einer sehr breiten, notwendig ins Absurde führenden, Auslegung des Begriffs persönlicher Freiheit nicht anschließen. Persönliche Freiheit muss ein Kompromiss sein und die Regeln müssen verständlich und anwendbar bleiben, sonst sind sie wertlos. Und ich meine, wir scheitern als Gesellschaft schon jetzt an einem übermäßig breitem Begriff persönlicher Freiheit, welche schon jetzt nicht mehr sinnvoll umsetzbar ist.