Autor Thema: Ein Schloß? Hier gibt es kein Schloß!  (Gelesen 1149 mal)

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Ein Schloß? Hier gibt es kein Schloß!
« am: 11.07.2004 | 01:31 »
Da ich ein Fan des Gothic Horror bin, mußte ich mir mal wieder die Dracula Filme der Hammerfilm Studios ansehen. Ich erwartete eigentlich keinen echten Horror  sondern vor allem Atmosphäre. Folgende Filme habe ich abgearbeitet: Dracula, Blut für Dracula, Dracula has risen from the Grave, Taste The Blood of Dracula, Scars of Dracula und Dracula und seine Bräute. Alles Ärafilme und leider keiner davon wirklich gut. Auf der Habenseite stehen nette Settings und Kostüme und die Schauspieler sind passabel bis erträglich. Christopher Lee ist in seiner berühmtesten Rolle leider der Störfaktor schlechthin. Sein Dracula spricht wenig bis gar nicht und dann auch nur Sätze mit drei bis maximal vier Wörtern. Er verläßt sich mehr auf seine beeindruckende Präsenz und unterstreicht das monsterhafte seiner Figur - welche Verschwendung.
Abgesehen davon, daß man sich die Schockwirkung, die diese Filme vor 40 Jahren hatten nicht mehr vorstellen kann, sind die Hammer-Vampirfilme unglaublich formelhaft. Die Geisterjäger wissen genau welche Mittel gegen Vampire wirken und werden an deren Einsatz nur durch eklatante Drehbuchschwächen bis zum Finale gehindert. Lee's Dracula hat sehr wenig zu tun und tritt meist nur sporadisch auf und zu sagen hat er, im Gegensatz zu Polanski's Graf von Krolok aus Tanz der Vampire, gar nichts. Einziger Lichtblick ist in dieser Hinsicht David Peel, der als Baron Meinster Dracula und seine Bräute unsicher macht. Im Vergleich zum Hammer-Dracula ist dieser Vampir die Eloquenz in Person. Ein weiteres Problem des Grafen ist: Er kann nichts. Gut, er schmeißt u.a. Van Helsing etwas durch die Gegend und hat auch Spaß daran, männliche Kontrahenten bis zur Besinnungslosigkeit zu würgen. Der Hypnoseblick funktioniert bis zu einem gewissen Grad, aber das ist dann auch schon alles. Wo sind die Wölfe? Was ist mit der Nebel- oder anderer Gestalten oder dem Wände hoch- und runterlaufen? Nichts von alledem, da man dafür ja einen Spezialeffekt einsetzen müßte und das geht einfach nicht und hält man ihm ein Kreuz vor die Nase, dann ist Transsylvanien in Not. Schlimmer ist aber noch, das Draculas Motivationen ziemlich undurchschaubar sind, er ist eigentlich die meiste Zeit auf Rache aus, für die eigentlich kein Grund vorhanden ist und durch dieses Rachestreben führt er immer wieder seinen eigenen Untergang herbei. Man fragt sich schließlich, warum Christopher Lee seine Paraderolle, die ihm eigentlich nicht gefiel so oft verkörpert hat? Angeblich soll ihn das Filmstudio fast erpresst haben, immer wieder mitzuspielen, nach dem Motto: Wenn du nicht mitspielst Chris, dann müssen wir halt ein Dutzend Leute entlassen. Wie glaubwürdig diese Geschichten sind, muß jeder selbst entscheiden. Tatsache ist, das Lee ein bekannter B-Movie Schauspieler ist, was sich für mich auch mit Saruman nicht geändert hat, und eben in jener Zeit alle zwei Jahre einen Draculaauftritt mitnahm. Dann sollte er aber auch dazu stehen, denn jeder hat doch Verständnis dafür, daß auch er seine Miete bezahlen mußte.
Welche Filme kann man sich aus dieser Reihe überhaupt ansehen? Ich empfehle Dracula und seine Bräute ohne Christopher Lee und mit einem soliden Peter Cushing als Geisterjäger. Dieser ist noch mit Abstand der Beste. Anschauen kann man sich auch noch Dracula has risen from the Grave und Taste the Blood of Dracula, aber Meilensteine sind sie nicht gerade. Blut für Dracula bemüht sich noch am meisten darum ein Gothic-Horrorfilm zu sein, aber er kommt leider viel zu schwer in die Gänge, wie fast alle der Draculafilme der Hammerstudios.
Der allerbeste Film aus diesem Genre, den man nicht genug loben kann, ist die Parodie auf das Ganze, die mich auch erst wieder dazu gebracht hat, mir die ernstgemeinten bzw unfreiwillig komischen Filme anzusehen. Ich spreche von Roman Polanski's Tanz der Vampire. Diese Horrorkomödie enthält alle Gothic-Elemente. Bei aller Komik bleibt aber auch immer ein leicht unangenehmes Gefühl zurück. Die Charaktere sind großartig ge- bzw überzeichnet. Ferdie Mane gibt einen tollen Vampir (der auch keine übernatürlichen Fähigkeiten besitzt oder sie zumindest nicht zeigt), der etwas zu tun und vor allem zu sagen hat. Das Wirtshaus und das Schloß haben eine Klasse-Atmosphäre und eine Sequenz wie den Vampirangriff auf Sharon Tate im Badezuber oder die Verfolgungsjagd zwischen Alfred und dem Sohn des Grafen Herbert, haben die Hammer-Studios nie zustande gebracht. Die Musik von Christoph Komeda ist ebenso ungewöhnlich wie passend für Polanski's Film und steht in starkem Gegensatz zu der übertrieben dramatischen Musik der Hammerfilme. Und bei allem märchenhaftem im Tanz der Vampire, bleibt dennoch eine Aussage, die sich fast durch Polanskis ganzes Werk zieht: Anstand und Tugendhaftigkeit sind ungeeignete Eigenschaften um gegen organisiertes Übel zu bestehen. Schön ist auch die Ausarbeitung des Master and Servant Themas etwa zwischen Professor Abronsius und Alfred um nur eine der Konstellationen zu nennen.
Eigentlich war Coppola der erste, dem eine ernstgemeinte Draculaverfilmung gelang. Sein Film hat Atmosphäre und Stil, inklusive eines seriösen und gesprächigen Draculas. Man sollte aber auch die Draculaverfilmung aus dem Jahre '79 von John Badham nicht vergessen, die ebenfalls sehr passabel, wenn auch weniger aufwendig ist und mit Frank Langella, einen sehr charismatischen und gutaussehenden Dracula vorstellt.

Servus Lyonesse

ps: Es mußten wohl erst die 80er bzw 90er anbrechen und Bücher wie Interview mit einem Vampir von Anne Rice erscheinen um das ganze Potential dieser traditionellen Spukgestalt zu erfassen. Wobei die ultimative Umsetzung wohl mit Vampire the Masquerade bzw the Dark Age von White Wolf erreicht wurde. In diesem Sinne gute Nacht.  
« Letzte Änderung: 11.07.2004 | 12:20 von Lyonesse »

Offline Althalus

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Re: Ein Schloß? Hier gibt es kein Schloß!
« Antwort #1 am: 19.07.2004 | 09:10 »
Ähm, also Christopher Lee als "B-Movie Schauspieler" zu bezeichnen, ist doch schon ein wenig hart. Sein Hauptaugenmerk lag immer auf dem Theater, und seine Bühnenrollen enthalten u.a. King Lear, usw. Außerdem ist er ohnehin ein Multitalent (ausgebildeter Opernsänger, Sprachen, etc.).
Ich denke, Filme machte er früher mal des Geldes wegen, und heute weils ihm Spaß macht. Außerdem hatte er IMHO selbst als Dracula eine Präsenz, die nur von Bela Lugosi übertroffen wurde (und Max Schreck).

Die Hammer-Productions sind einfach ALT. Mein Gott, klar gibt´s da kaum Special Effects. Und Dracula läuft auch in Bram Stokers Buch nicht die Wände hoch.
Allerdings verbergen sich unter dem Label auch echte Perlen, wie die Edgar Allen Poe Verfilmungen mit Peter Cushing.
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Offline Vandal Savage

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Re: Ein Schloß? Hier gibt es kein Schloß!
« Antwort #2 am: 19.07.2004 | 13:24 »
Und Dracula läuft auch in Bram Stokers Buch nicht die Wände hoch.
Doch, tut er.

In allem anderen hast du aber schon recht ;)

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Offline Althalus

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Re: Ein Schloß? Hier gibt es kein Schloß!
« Antwort #3 am: 19.07.2004 | 15:59 »
Aus Frust über die bornierte viktorianische Gesellschaft? ;D
Könnt ich mich nicht erinnern, mag ich aber vergessen haben. ;)
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