So weit so gut. Ich habe mich aber dazu verleiten lassen, dass ich die Zeit relativ fair getracked habe. Dann waren die Spieler mit ihren Aktionen so gut, dass sie so schnell waren, dass sie schon wieder weg waren, bevor der Feind ankommen konnte.
Ich gönne meine Spielern den Erfolg, aber ich hatte das Gefühl, dass es sich am Tisch etwas antiklimatkisch anfühlte. Sie sind über die spannende, taktisch interessante Battlemap gelaufen und waren dann irgendwie etwas verwundert, dass es nicht den Kampf gab, den jeder erwartet hat. 2h Vorbereitung für die Battlemap waren auch im Ofen. Aber aus rein taktischer Sicht war es ein Erfolg; nur die Belohnung war - weniger Spaß.
Been there, done that. Sowohl als SL wie auch als Spieler.
Als Spieler denke ich immer wieder gern an den Dungeon-Endkampf zurück, bei dem wir als Gruppe eine Fraktion auf unsere Seite gezogen haben und ihnen geholfen, ihren bösen Herrscher zu überwinden. Dadurch wussten wir sehr exakt, wann er wo sein wird und haben uns zwei (sehr kurze) Spielabende darauf vorbereitet und einen relativ komplexen Plan ausgearbeitet, bei dem wir unsere Ressourcen (Fähigkeiten und gesammelte Gegenstände) geschickt kombiniert haben. Die Erwartung war, dass es ein harter Kampf werden könnte... was aber keiner am Tisch geahnt hat: Dass unsere Operation in der ersten Kampfrunde zu 100% erfolgreich verläuft (dank ein paar explodierender Würfel auf der richtigen Seite
) und der "Endkampf" in den ersten 30 Minuten des Spielabends vorbei war. Das wirkte zwar antiklimatisch einerseits, aber auch unglaublich befriedigend andererseits weil alle wussten, dass viele andere SL an der Stelle "eingegriffen" hätten und damit unser Planung mindestens teilweise entwertet.
Aus SL-Sicht kann ich dir sagen: Der inhärente Vorteil eines offenen Leitstils kommt erst dann und mit der Zeit zum Vorschein, wenn man der Linie treu bleibt. Wer "nur mal so probiert" wie du es ja anscheinend gemacht hast, wird in genau solche Situationen laufen, die der eigenen Erwartung ("Jetzt wird es voll spannend!") entgegen laufen. Spannung entsteht bei offener Leitung eher weniger durch konkrete Situationen als vielmehr durch Planungsfreiheit. Sobald Spielende verstanden haben, dass sie völlig frei agieren können und unabhängig werden von durch Szenarien und Spielleiter-Vorstellungen implizit vorgegebene Handlungsweisen, setzen sich Erkenntnisse durch wie: Wir können uns
Hilfe nehmen?! Wir können Gegenspieler
erstmal ignorieren oder uns zurückziehen?! Wir können
langfristige Aktionen planen!
?
Dann erst kommt die Spannung auf, weil man als SL überrascht wird von ganz anderen Betrachtungsweisen auf ein Problem, für das man glaubte, dass es nur DIE EINE Lösung gibt! Und dann kommt offene Spannung auf: Weil man selbst nicht weißt, ob deren Plan aufgehen wird...
... der Preis dafür ist aber imho: Langeweile. In dem Sinne, dass das, was einem üblicherweise eine Spannungskurve über den Spielabend verspricht, nicht mehr auftritt. Weil mal ein Abend nur für Diskussion über die zukünftigen Schritte ansteht. Weil statt eines Endkampfes der Böse Baron durch einen drei Spielabende geplanten Plot an einem einzigen Abendessen durch den präparierten Wein vergiftet wird. Sobald das Abendessen beginnt, ist klar, dass der Plan aufgeht - weil die Gruppe richtig geplant hat und zBsp den Vorkoster unbemerkt mit Gegengift versorgt hat usw.
Der Spielstil ist imho in der Tendenz langwieriger, langweiliger (s.o.), behäbiger, mit sehr viel Initialaufwand verbunden und fordert die SL auf ganz andere Weise. Dafür hat man als Spielende die Sicherheit, dass die eigene Planung auch
relevant ist - egal,
was man plant, auch wenn sie dadurch nicht automatisch erfolgreich sein muss - DAS hängt dann an den Würfeln!
Da ich mit sehr begrenzter Vorbereitungszeit auskommen muss, arbeite ich als SL irgendwo dazwischen, setze auf offenes Würfeln (... und würfle als SL grundsätzlich grauenhaft schlecht!), offene Plots (Probleme und Verwicklungen ohne vorgegebenen Lösungsweg), reagiere spontan auf Entscheidungen und Vorgehensweisen der Spielgruppe, improvisiere, bleibe aber dabei möglichst transparent und versuche keine "neutrale, stimmige" Welt vorzugeben, weil diese zu designen für mich(!) viel zu aufwändig ist, achte aber schon so gut ich kann auf Kohärenz und Motivationen von NSC. Grundsätzlich wissen meine Spielenden, dass sie zwar alles ausprobieren können, aber immer irgendeine Hürde zu überwinden sein wird. Manche höher, manche niedriger.
Und das ist vielleicht der grundlegende Unterschied: In der modelierten Sandbox können sich "goldene Wege" ergeben, in denen eine Spielgruppe zBsp gar nicht mehr würfeln muss und das Problem erledigt sich aufgrund einer geschickt angestoßenen Kettenreaktion von selbst. Ob einen das befriedigt oder nicht, ist dann wohl am Ende reine Geschmackssache.