Da hast du in meinen Augen ein sehr verqueres Verständnis von Story, Charakteren und Veränderungen, die diese durchmachen.
In keiner Iteration von D&D hast du irgendwelche Änderungen an den Werten, wenn dein Charakter die falsche Entscheidung trifft und dadurch Asmodeus die Seele seiner Schwester in die Hölle zieht.
Seine Werte werden sich mit gar nicht so geringer Wahrscheinlichkeit kaum bis gar nicht von denen unterscheiden, die der SC eines Spielers hat, dessen Runde Pathfinder als taktisches Skirmish-Tabletop spielt und "Story" nur in "Cutscenes" benutzt.
Hmmm... Also ich spiele nicht sonderlich viel D&D oder Pathfinder. In anderen von mir gespielten wertebasierenden Spielen verändert sich beim Charakter nach einem Abenteuer unter anderem durch das Erlebte. Zum einen, in dem ich mir Gedanken mache und deshalb meinen Charakter künftig etwas anders spiele.
Zum anderen, in dem ich die Erfahrungen des SCs in geänderten Werte darstelle. Er hat Herausforderungen hinter sich gebracht und wird deshalb besser... Und auch anders: Mitunter erwerbe ich vielleicht neue Nachteile oder Vorteile (je nachdem, was mir passiert ist).
In Fiasko dagegen geht es NUR um die Frage "Was macht das mit meinem Char und wie verändert er sich durch das Erlebte?" und Fiasko hat gar keine Werte.
Ich habe in Fiasko nur einmal kurz reingeschaut. Es las sich für mich so, dass ob man dass an einem Abend spielt und dann ist die Geschichte fertig. Das mag auch nett sein, aber wie kann ich dann feststellen, wie sich Charaktere daraus entwickeln? Es ging bei meinem Statement nicht darum, wie sie kurzfristig auf eine Veränderung reagieren, sondern was das im Verlauf der darauffolgenden Sitzungen mit ihnen macht. Charakterentwicklung als langfristiges Element einer Kampagne.
Das hat mit Rollenspiel eigentlich kaum etwas bis nichts zu tun. Das, was du da anführst, hat man in diversen Brettspielen auch. Es wird nur eine komplexe Narration um ein mechanisches Ereignis gestrickt, das in sich selbst noch gar kein Rollenspiel darstellt.
Das mag daran liegen, dass du eben eine ganz eigene Meinung davon hast, was ein Rollenspiel ist. Es gibt ja nicht umsonst verschiedene Spielertypen. Und ich möchte mich auch nicht darum streiten, was die richtige Definition eines Rollenspiels ist.
Hier ist meine: Ich übernehme die Rolle eines von mir ausgestalteten Charakters, entwickle ihn und seine Fähigkeiten über einen längeren Zeitraum (20 Sitzungen Minimum) innerhalb einer Kampagne. Ich versuche dabei, die Welt zu erleben und seine Entwicklung durch seine Handlungen und Verhaltensweisen darzustellen. Für mich (das mag für Dich nicht gelten) ist die Progression und Verbesserung meines Charakters integraler Bestandteil des Spiels. Und dazu sind Werte irgendwie schon schön
Weil mir keine bessere Analogie einfällt, hier eine aus der Welt der Computerspiele: Ein Spiel, bei dem ich in eine Rolle schlüpfe und welches keine Progession ermöglicht, ist aus meiner Sicht ein Adventure (die bekannten Point&Click-Adventures alla Monkey Island). Sie sind auch schön und spiele sie gerne, aber eben eine andere Art von Spiel. Ein RPG verfügt hingegen meistens über Werte, weil es eben Steigerungen und Verbesserungen ermöglicht. Aber das ist wie gesagt nur meine Auslegung. Sie ist nicht besser oder schlechter, nur anders.
Die Willkürlichkeit in wertelosen Runden ist übrigens ein Punkt, den du dir herbeifantasierst. Da hängst du dich an einem nicht existenten Problem auf. Versuchst du damit zu beweisen, dass das für manche einfach nicht spielbar sei?
Ich versuche gar nichts zu beweisen. Jeder soll spielen, was ihm Spaß macht. Ich habe lediglich gesagt, dass es nicht das Richtige für mich ist. Wenn ich eine bestimmte Fähigkeit habe, dann mag ich zwar einen gewissen Zufallsfaktor, aber dieser sollte nicht auf Münzwürfe hinauslaufen.
Versteh mich nicht falsch: Yes, but... Yes, and... No, but... Help is needed... usw... sind spannende Konzepte, aber sie sollten doch beim Lehrling mit anderer Häufigkeit auftauchen als beim mächtigen Erzmagier. Denn das ist neben ihren Charaktereigenschaften nunmal unzweifelhaft einer der Hauptpunkte, bei dem sie sich unterscheiden: Ihre Kompetenz. Sonst verliert der Unterschied sämtliche Bedeutung.
Vergleichbarkeit finde ich auch einen merkwürdigen Punkt.
Auf der einen Seite sollen die SCs sich ja alle bitte unterscheiden, auf der anderen Seite dürfen sie das aber nur in einem engen Regelkorsett tun.
Ich habe nie unterschiedlichere SC gehabt als in meinen diversen Itras-By-Hacks. Einfach weil die Spieler keine Punkte schieben müssen, um in XYZ nun Anfänger, Experte oder Meister zu sein. Es ist für eine gute Story völlig unwichtig, ob der magische Charakter nun der blutigste Lehrling oder der mächtigste Erzmagier ist. Klar, die Stories der Beiden werden sich unterscheiden, aber ob sie "gut", also unterhaltsam, lustig, traurig oder episch sind, liegt nicht an ihren Zahlenwerten.
Ich persönlich habe niemals behauptet, dass sich die SCs nur in einem Regelkorsett unterscheiden sollen. Aber jeder hat nun mal unterschiedliche Fähigkeiten und das ist nunmal einer (nicht der einzige!) der Punkte, an denen sie sich ausdifferenzieren. Ein gutes RPG (Achtung: nur meine Meinung!) bietet die Möglichkeit, das auch darzustellen.
Dass sie zusätzlich auch andere Charaktereigenschaften mit sich bringen sollen, ist doch ganz klar.
Deine Einschätzung, dass die Charaktere sich mehr unterscheiden, WEIL sie keine "Punkte schieben" müssen, teile ich hingegen nicht. Das eine hat mit dem anderen mal so überhaupt gar nichts zu tun. Ich kann mir doch ein gutes Charakterkonzept ausdenken und Werte haben, die die Fähigkeiten abbilden. Die Werte sind somit ein Bonus zur weiteren Differenzierung und nichts, was die anderen Aspekte ersetzt. Ich kann aus meiner Praxis (25 Jahre RPGs, oft klassische Systeme wie DSA) sagen, dass viele Spieler hervorragend differenzierte Charaktere hinbekommen haben, die sich oft wie eigene Persönlichkeiten anfühlten.