Ich finde diesen Thread aus mehreren Gründen interessant.
Vor einer entsprechenden Frage stand ich schon häufiger und auch in letzter Zeit wieder.
Bei mir ist der Fall gerade so, dass ich letzten Sommer mal zu einer relativ lockeren, kurzen "Bier und Brezel" Spielrunde zwischendurch EZD6 mitgebracht habe, eigentlich nur zum Ausprobieren - nach Möglichkeit einen Abend die Charaktere bauen (dafür brauchen meine Spieler auch bei Mini-Rollenspielen immer recht lang) und einen Abend einen One-Shot spielen.
Dann hat es sich aber ergeben, dass EZD6 bei meinen Spielern so gut angekommen ist, dass sie über den One-Shot hinaus als unser regelmäßiges (Haupt-)Fantasy-Rollenspiel spielen wollten. Vor der Weihnachts- und Neujahrspause waren wir gerade irgendwo im zweiten Abenteuer und demnächst soll es dort weitergehen.
Das Auffällige ist dieses Mal, dass die Spieler offenbar gar kein Problem mit dem einfachen Regelwerk haben (und ich habe dort einige Leute mit einem D&D5-Background usw.), aber ich Grund zu Bedenken habe:
Schon im ersten Abenteuer mit einem normalen (unmodifizierten) EZD6 und vier bis fünf Spielercharakteren habe ich gesehen, dass die Charaktere auch gegen relativ große und mächtige Gegner und Monster schnell durchmarschierten. Der Krieger ist dort so angelegt, dass er praktisch schon von Anfang an alle möglichen Gegner wegprügeln und eliminieren kann. Der Magier hat quasi von Beginn an zumindest theoretisch Zugriff auf alle möglichen Zauber seiner Zauberschule oder Zaubertradition und kann sich selbst frei im Abenteuer neue Zauber ausdenken - diese werden dem SL kurz beschrieben, der SL sagt, ob sie zu der Zaubertradition des Charakters (und zur Spielwelt) passen oder nicht, legt einen Schwierigkeitsgrad fest, und der Spieler darf es versuchen. Im Grunde genommen war genau so etwas vom Prinzip her immer mein Traumsystem: Alles schon enthalten und alles kurz und kompakt und leicht verständlich.
Aber in einem System, in dem nur die Zahlenergebnisse von 1 bis 6 vorkommen, noch nicht einmal mehrere W6 addiert werden oder andere Kombinationen vorkommen, ist aus meiner Sicht einfach zu viel möglich und zu viel schon gleich zu Anfang. Ich habe die Mühe, Gegner wirklich massiv bedrohlich zu machen. Die Charaktere kamen schon gegen einen großen Troll, mehrere Oger und gegen einen gestaltwandelnden Erzmagier gut voran. Alles schön und lustig, es wirkte aber dennoch eine Spur "zu leicht".
Dazu kam, dass die Spieler eben echte Rollenspieler sind und sehr schnell herausgefunden hatten, wie sie durch geschickte Wahl von Talenten (Bonusfähigkeiten) und das Teamwork von Krieger, Schurke, Magier, Barbar und anderen überaus effizient wurden. Dazu haben sie auch verflixt gut gewürfelt. Und was einmal vorkommt, kann ja beim nächsten Abenteuer jederzeit wieder vorkommen. Ich habe jetzt begonnen, Gefahren und Monster einzubauen, die zum Beispiel geisterhaft und immateriell sind oder nicht durch herkömmliche Waffen verwundbar, nur durch magische.
Aber es kommt noch dazu, dass EZD6 eben keine Stufen hat und zumindest im unmodifizierten Regelwerk kein festes System des Aufsteigens oder Dazulernens.
Ich selbst würde eigentlich gern eine härtere, etwas strengere und herausforderndere Fantasy-Kampagne leiten - etwas Halbrealistisches wie Mythras oder vielleicht auch Castles & Crusades oder wenigstens The Black Hack (wo ja der typische Anfänger-Charakter auch wirklich mal schnell weg sein kann) - aber meine Spieler mögen eben EZD6. Dabei kommt wenig Realismus heraus, man hat fast immer eine Mischung aus amerikanischem Superheldencomic, Fantasy-Slapstick und ganz stark vereinfachtem D&D. Das ist ja eigentlich auch ganz toll, eben für einen One-Shot auf einer Con oder für Bier & Brezel-Runden, aber ich sehe das nicht als die Ideallösung für eine Kampagne.
Im Moment lohnt es sich für mich nicht, ein anderes System vorzubereiten, weil es allen außer mir zu viel zu lesen ist und weil im Moment auch niemand "umdenken" möchte. Die Spieler sind mit dem minimalistischen System fast vollständig zufrieden. Ich muss wohl gucken, wie sich das dann über ein Jahr oder länger entwickelt, ob dann Ernüchterung einkehrt, weil sich die Spielercharaktere nicht merklich weiterentwickeln oder nicht mehr viel dazugewinnen können, nicht in Form von Gegenständen oder Reichtum und nicht in Form von Attributen.