Autor Thema: Meaningful Choices  (Gelesen 4100 mal)

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Offline tartex

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Re: Meaningful Choices
« Antwort #50 am: 6.05.2024 | 18:48 »
Sehe ich ähnlich; letztendlich kann ich mir schwer vorstellen, daß es wirklich Rollenspieler geben soll, die standardmäßig am Tisch ausdrücklich undramatische (also langweilige?) "Abenteuer" erleben wollen. ;)

Ich kenne tatsächlich (einen) Spieler des Typs Taktiker oder Planners, der behauptet er mag es am liebsten, wenn die Herausfoderung ohne Spannung möglichst undramatisch gelöst wird.
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Re: Meaningful Choices
« Antwort #51 am: 6.05.2024 | 19:51 »
Ich kenne tatsächlich (einen) Spieler des Typs Taktiker oder Planners, der behauptet er mag es am liebsten, wenn die Herausfoderung ohne Spannung möglichst undramatisch gelöst wird.

Ich vermute mal frech unbekannterweise, daß es selbst bei dem trotzdem noch eine lohnende Herausforderung sein soll, weil's ja langweilig wäre, wenn er automatisch immer gewinnen würde, ohne daß sein taktisch-planerisches Können überhaupt zum Tragen käme...okay, ich kann mich natürlich auch irren. ;)

Offline Tudor the Traveller

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Re: Meaningful Choices
« Antwort #52 am: 6.05.2024 | 19:56 »
Hmm, also Dramaturgie, Spannung und Spaßfaktor sind imo schon verschiedene Dinge.

Insofern ist undramatisch = langweilig imo nicht zwingend.
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Re: Meaningful Choices
« Antwort #53 am: 6.05.2024 | 20:55 »
Hmm, also Dramaturgie, Spannung und Spaßfaktor sind imo schon verschiedene Dinge.

Insofern ist undramatisch = langweilig imo nicht zwingend.

Ich weiß nicht, ob sich insbesondere Dramaturgie und Spannung tatsächlich so einfach trennen lassen...aber da landen wir unter Umständen schnell wieder in der Semantik. Soweit ich das jedenfalls überhaupt beurteilen kann, scheinen Menschen schon ganz von sich aus stark dazu zu neigen, in Geschichten zu denken und zu kommunizieren -- im Sinne von "Laß ein menschliches Gehirn eine prinzipiell beliebige Abfolge von Ereignissen verarbeiten und es wird ihm geeignet erscheinende dramatische Elemente praktisch schon im Reflex dazupacken, um ihnen mehr 'Sinn' geben, sie besser im Gedächtnis abspeichern, und sie bei Bedarf durch Erzählen weitervermitteln zu können".

"Dramaturgie" wäre nach diesem Verständnis also nicht einfach bloß ein Fach, das man vielleicht sechs Semester lang an der Elfenbeinturmuni studieren kann (auch wenn das möglicherweise beim Verbessern der individuellen Technik helfen mag ;)), sondern zuallererst mal ein alltäglicher Teil der menschlichen Denk- und Erfahrungswelt -- und entsprechend mit anderen Aspekten derselben wie z.B. "Spannung" oder "Spaß" durchaus mal mehr, mal weniger eng verknüpft.

Offline Tudor the Traveller

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Re: Meaningful Choices
« Antwort #54 am: 6.05.2024 | 21:09 »
Ich weiß nicht, ob sich insbesondere Dramaturgie und Spannung tatsächlich so einfach trennen lassen...aber da landen wir unter Umständen schnell wieder in der Semantik.

Ja, wahrscheinlich. Was ich meine: ein Fußballspiel (als Beispiel) kann sehr spannend sein, sowohl auf dem Feld als auch als Zuschauer. Man mag das als dramatisch bezeichnen, aber das ist imo im übertragenen Sinn gemeint, da das Fußballspiel ja keiner Dramaturgie folgt. Es entwickelt sich spontan.
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Offline Alexandro

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Re: Meaningful Choices
« Antwort #55 am: 6.05.2024 | 21:20 »
Ja, aber die guten Spiele (die, welche man sich immer wieder anschaut, auch wenn man das Ergebnis schon kennt) sind halt diejenigen, bei denen eine gewisse Dramaturgie entsteht (wenn auch ungeplant). Die restlichen Spiele (ohne Spannung und dramatischen Ablauf) nimmt man halt mit, aber diese schaut man sich eher nicht in der Wiederholung an, oder wenn man schon einen Zusammenschnitt in der Sportschau gesehen hat.
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Offline Maarzan

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Re: Meaningful Choices
« Antwort #56 am: 6.05.2024 | 21:51 »
Ja, aber die guten Spiele (die, welche man sich immer wieder anschaut, auch wenn man das Ergebnis schon kennt) sind halt diejenigen, bei denen eine gewisse Dramaturgie entsteht (wenn auch ungeplant). Die restlichen Spiele (ohne Spannung und dramatischen Ablauf) nimmt man halt mit, aber diese schaut man sich eher nicht in der Wiederholung an, oder wenn man schon einen Zusammenschnitt in der Sportschau gesehen hat.

Und was ein anständiger Spieler oder Fan noch weitaus mehr hasst als ein lahmes 0:0 ist ein verschobenes Spiel.
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Offline Alexandro

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Re: Meaningful Choices
« Antwort #57 am: 6.05.2024 | 22:24 »
Verschobene Spiele sind auch nicht dramatisch (außer natürlich das "Verschieben" (welches dann keines ist) erfolgt nicht nur einseitig, sondern sämtliche Spielende sind daran beteiligt - dann nennt sich das Sportfilm oder Live-Performance, und das kann durchaus genauso spannend (wenn nicht sogar mehr) sein, wie ein tatsächliches Spiel).
« Letzte Änderung: 6.05.2024 | 22:34 von Alexandro »
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Offline Shao-Mo

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Re: Meaningful Choices
« Antwort #58 am: 9.05.2024 | 17:52 »
Ich würde gerne Mal wissen, ob es einen Unterschied macht, ob die Entscheidung direkt oder indirekt einfluss auf die Situatiin hat.
ZB die Spieler überlegen einen Verbrecher zu befreien, weil er im Besitz von Wissen ist das sie brauchen. Sie Wissen das es evtl. mit der Freilassung zu Problemen in der Zukunft kommen kann, aber genau bekannt (Transparent) ist es nicht. Der SL weiß das ggf ebenfalls noch nicht.

Der Verbrecher kann in einem späteren Abenteuer zurück kehren und das Abenteuer positiv (Unterstützt) oder negativ (hilft der Gegenseite) für die Spieler beeinflussen.

Oder muss es direkt Einfluss haben, wie zB das Raumschiff explodiert, wenn die Türen zum Weltraum nicht sofort geöffnet werden - aber in dem Raum sind noch Personen eingeschlossen.
Transparenz: Hip oder Hop
Für eine "böse" Gruppe ist diese moralische Entscheidung weniger schwer. Für die "guten" ist das Abwägen der Personen im Raum, gegen alle anderen auf dem Schiff.
Aber welche Konsequenzen hat die Entscheidung? Das Schiff explodiert nicht. Toll! Ansonsten? Vielleicht sind da Personen drinnen die später helfen könnten ... Wissen die Spieler aber nicht (Transparenz).

Transparenz würde ich nur auf den Moment anwenden.

Sind beides meaningful choices?
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Offline nobody@home

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Re: Meaningful Choices
« Antwort #59 am: 9.05.2024 | 18:45 »
Ich überlege mittlerweile, ob es sich vielleicht lohnt, "meaningful choices" in spieler- und SL-seitige aufzuteilen. Soll heißen: als Spieler habe ich ja meist eh nicht den kompletten Überblick, "bedeutungsvoll" sind für mich da also noch am ehesten die Entscheidungen, die sich im konkreten Augenblick, in dem sie anstehen, für mich persönlich am meisten danach anfühlen. Das können aber ganz andere sein als die, die ich andererseits als Spielleitung mit meinen kompletten Vorbereitungen im Kopf als bedeutungsvoll für die weitere Entwicklung des Szenarios im Spiel einschätzen würde, potentiell völlig unabhängig davon, wie leicht oder schwer sich wiederum die Spieler mit ihnen tun mögen...

Offline Maarzan

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Re: Meaningful Choices
« Antwort #60 am: 9.05.2024 | 20:06 »
Das meaningful scheint mir hier nahe an einem "false friend" bei der Übersetzung, also nicht Bedeutung im Sinne von bedeutsam oder folgeschwer sondern "bewusste und sinnvolle Entscheidungen zu treffen."
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Offline manbehind

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Re: Meaningful Choices
« Antwort #61 am: 10.05.2024 | 09:59 »
Ich komme hier noch mal auf die u. a. eingangs zitierte Quelle von Brice Morrison zurück. Das mache ich nicht, weil ich ein großer Fan von Brice Morrison bin (ich kenne ihn nicht), sondern weil mich die Konzepte überzeugt haben.

Morrison selbst ist Videospiel-Designer und hat seine Gedanken hier in einem Blog präsentiert; der Beitrag stammt aus 2013. Er hat beim Spielen u. a. von „The Walking Dead“ die Feststellung gemacht, dass bestimmte Entscheidungen bedeutsamer sind als andere und geht der Frage nach, was genau eine bedeutsame Entscheidung ausmacht und wie sie sich also von nicht-bedeutsamen Entscheidungen unterscheidet.

In seinem Blog schreibt er:

Zitat von: Brice Morrison
Meaningful choice requires the following four components:

1.   Awareness - The player must be somewhat aware they are making a choice (perceive options)
2.   (Gameplay) Consequences – The choice must have consequences (that are both gameplay and aesthetically oriented)*
3.   Reminders – The player must be reminded of the choice they made after thay made it
4.   Permanence - The player cannot go back and undo their choice after exploring the consequences

* Klammersetzung von mir

D. h. wenn jeder der vier Punkte erfüllt ist, dann ist die Entscheidung per Definition bedeutsam. Wenn einer oder mehrere der vier Punkte nicht erfüllt sind, dann ist die Entscheidung per Definition nicht bedeutsam.

Auf mein Kaffee-Beispiel aus diesem Beitrag würde Morrison also erwidern:

„Hier sind die Punkte 1, 2 und 4 erfüllt, aber weil Punkt 3 nicht erfüllt ist, handelt es sich per Definition nicht um eine bedeutsame Entscheidung.“

Mit dieser Definition kann man arbeiten und konkrete Antworten auf ebenso konkrete Fragen finden:

Ich würde gerne Mal wissen, ob es einen Unterschied macht, ob die Entscheidung direkt oder indirekt einfluss auf die Situation hat.

*snip*

Laut obiger Definition:

1)   Der Begriff “Situation” kommt in der Definition nicht vor, trotzdem wäre das „Verbrecher-Beispiel“ nach Morrison eine bedeutsame Entscheidung.
2)   Die Definition unterscheidet auch nicht zwischen „direktem oder indirektem Einfluss auf die Situation“. Die Entscheidung muss Konsequenzen haben, und die Spielwelt muss die Spieler daran erinnern, dass sie die Entscheidung getroffen haben. Im zweiten Beispiel kommt es darauf an, ob die Entscheidung für die Spieler Konsequenzen hat. Das könnte z. B. dann der Fall sein, wenn ein Dritter sich später an anderen für die Entscheidung rächt. Wichtig ist, dass sich jeder der vier Punkte identifizieren lässt.

Ich überlege mittlerweile, ob es sich vielleicht lohnt, "meaningful choices" in spieler- und SL-seitige aufzuteilen. Soll heißen: als Spieler habe ich ja meist eh nicht den kompletten Überblick, "bedeutungsvoll" sind für mich da also noch am ehesten die Entscheidungen, die sich im konkreten Augenblick, in dem sie anstehen, für mich persönlich am meisten danach anfühlen. Das können aber ganz andere sein als die, die ich andererseits als Spielleitung mit meinen kompletten Vorbereitungen im Kopf als bedeutungsvoll für die weitere Entwicklung des Szenarios im Spiel einschätzen würde, potentiell völlig unabhängig davon, wie leicht oder schwer sich wiederum die Spieler mit ihnen tun mögen...

Die Idee dahinter ist ja, das Spielerlebnis zu verbessern. In dem o. g. Blog findet sich eine Beschreibung des Problems:

Zitat von: Kyle Orland from Ars Technica
I rarely if ever stopped to consider a choice in Beyond: Two Souls...Instead, I mainly sleepwalked through a seemingly endless sequence of practically preordained story beats, struggling to care as I was dragged through a clichéd plot with no sense of meaningful agency.

D. h. eine Aneinanderreihung nicht-bedeutsamer Entscheidungen führt zu einem nicht-bedeutsamen Spielerlebnis; das ist jedenfalls die Prämisse hinter dem Konzept der "meaningful choice". Meiner Ansicht nach macht es immer Sinn, als Spielleiter zu überlegen, welche Konsequenzen die Handlungen von Spielern für sie zu einem späteren Zeitpunkt haben können, auch wenn sie diese Konsequenzen zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht absehen konnten.
« Letzte Änderung: 10.05.2024 | 10:07 von manbehind »

Offline haste nicht gesehen

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Re: Meaningful Choices
« Antwort #62 am: 10.05.2024 | 10:15 »
Das meaningful scheint mir hier nahe an einem "false friend" bei der Übersetzung, also nicht Bedeutung im Sinne von bedeutsam oder folgeschwer sondern "bewusste und sinnvolle Entscheidungen zu treffen."

Ja, der Gedanke ist mir auch gekommen. Vermutlich ist es einfach dem amerikanischen Sprachgebrauch geschuldet, starke Wörter zu nutzen. Im Deutschen ist das unüblich(er) und wird daher anders assoziiert. Ungefähr so, wie wenn im Englischen "I love..."  verwendet wird. Wir würden eher "mögen" verwenden, statt "lieben".

Ich denke daher, dass damit einfach "nur" gemeint ist, dass die Spieler Entscheidungen treffen können sollen, die Einfluss auf das Spielgeschehen haben. (Thema railroading, player agency usw.)

Und damit ist es dann auch praxistauglich, da es eben nicht immer um vorab konstruierte schwere Entscheidungen oder moralische Dilemmata geht, sondern darum die Freiheit zu haben zu wählen, was und wie man es tut und dass der SL das respektiert.
« Letzte Änderung: 10.05.2024 | 10:18 von haste nicht gesehen »

Offline 1of3

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Re: Meaningful Choices
« Antwort #63 am: 12.05.2024 | 19:39 »
Ich komme hier noch mal auf die u. a. eingangs zitierte Quelle von Brice Morrison zurück. Das mache ich nicht, weil ich ein großer Fan von Brice Morrison bin (ich kenne ihn nicht), sondern weil mich die Konzepte überzeugt haben.

Interessant ist da das Eingangsbeispiel mit dem toten NPC. Die Sache ist, wo war da die Entscheidung? Ich vermute das Spiel hat nicht gefragt "Möchtest du Boyd sterben lassen oder..." Im Gegenteil. Der Spieler hätte nur besser spielen müssen. Beim Spielen wurden möglicher Weise Entscheidungen getroffen, ich kenne das Spiel nicht.  Vielleicht hatte der Autor sogar genau eine Sache im Sinn, als er das aufgeschrieben hat. Das bleibt aber unbestimmt. Tendenziell nehme ich an, dass eine Reihe Dinge schief gehen müssen, bis eine solche Figur stirbt.

Die weiteren Beispiele sind, soweit ich das sehe, Dialog-Optionen, die gibt es in diesem Hobby so nicht.

Wir müssten also klären: Woran erkennen wir, dass eine Spieler*in gerade eine Entscheidung trifft?

Meiner Ansicht nach macht es immer Sinn, als Spielleiter zu überlegen, welche Konsequenzen die Handlungen von Spielern für sie zu einem späteren Zeitpunkt haben können, auch wenn sie diese Konsequenzen zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht absehen konnten.

Gottbehüte, nein. Also kann man machen. Es macht aber regelmäßig keinen Sinn das zu tun, bevor sie die Entscheidung getroffen haben. Schlimmstenfalls schubse ich sie dann unbewusst in eine Richtung, die ich für interessant halte.

Ebenso klappt das mit der Awareness nicht so ganz. In einem Computerspiel muss ich Leuten kommunizieren, was sie gerade tun. Am Spieltisch kann ich umgekehrt auf sie reagieren. Es ist also eher so, dass ich wissen muss, dass sie meinen, gerade etwas entschieden zu haben.
« Letzte Änderung: 12.05.2024 | 21:05 von 1of3 »

Offline Haukrinn

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Re: Meaningful Choices
« Antwort #64 am: 12.05.2024 | 20:37 »
Ich finde den Begriff zu schwammig. Auch in den eingangs zitierten Beispielen wirkt er auf mich wie ein unscharf definiertes Sammelbecken, mit dem man vielleicht versucht, in der Retrospektive zentrale Szenen einer Handlung von weniger wichtigsten Routinevorkommnissen abzugrenzen. Das ist IMHO für Spiel- und Abenteuerdesign überhaupt nicht hilfreich.

In der simpelsten Form würde ich tatsächlich sagen, eine bedeutsame Entscheidung hat einen klar erkennbaren Einfluss auf den weiteren Spielverlauf. Das ist recht wertfrei, sagt aber tatsächlich auch nichts über die Qualität dieser bedeutsamen Entscheidung aus. Das hängt von der Erwartungshaltung der Gruppe ab. Für die Taktiker mag es ja relevant sein, durch welchen Eingang man in die Festung kommt, aber die Storyteller kümmert das nicht.

Was ich sinnvoll finde ist sicherlich die Kostenfrage. Eine bedeutsame Entscheidung sollte unterschiedliche Kosten für die Gruppe mit sich bringen. Seien es taktische, strategische  oder soziale Ressourcen. Entscheidend wäre dabei für mich, dass es im Idealfall immer bei einer bedeutsamen Entscheidung auch um ein Dilemma geht. Es darf keine richtige und falsche Entscheidung geben. Das sind die schon mehrfach vorgebrachten Konsequenzen. Das wäre das klassische “what’s at stake”.

Für mich ist letzteres der zentrale Anker der Bedeutsamkeit. Dass kann ich designen und planen, egal, ob ich jetzt Abenteuer- oder Dramaspiel mache.
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Re: Meaningful Choices
« Antwort #65 am: 12.05.2024 | 21:21 »
Interessant ist da das Eingangsbeispiel mit dem toten NPC. Die Sache ist, wo war da die Entscheidung? Ich vermute das Spiel hat nicht gefragt "Möchtest du Boyd sterben lassen oder..." Im Gegenteil. Der Spieler hätte nur besser spielen müssen. Beim Spielen wurden möglicher Weise Entscheidungen getroffen, ich kenne das Spiel nicht.  Vielleicht hatte der Autor sogar genau eine Sache im Sinn, als er das aufgeschrieben hat. Das bleibt aber unbestimmt. Tendenziell nehme ich an, dass eine Reihe Dinge schief gehen müssen, bis eine solche Figur stirbt.

Die weiteren Beispiele sind, soweit ich das sehe, Dialog-Optionen, die gibt es in diesem Hobby so nicht.

Der Autor schildert hier ja seine Motivation für die Beschäftigung mit dem Thema, die Erfahrung, dass bestimmte Entscheidungen länger oder stärker im Spieler nachwirken als andere; im Falle von Boyd (Charakter im Spiel Fire Emblem = RPG, in dem man eine Party spielt) halt so, dass sich der Autor auf 10 Jahre später noch daran erinnert. Dass die Situation, in der der Charakter dann gestorben ist, aus irgend einer Entscheidung resultiert, halte ich hier grundsätzlich für nachvollziehbar.

Zitat
Wir müssten also klären: Woran erkennen wir, dass eine Spieler*in gerade eine Entscheidung trifft?

Nach Morrison: Sie müssen Optionen abwägen. Das Gegenteil sind Dinge, die man einfach "im flow" tut; z. B. mag jemand über die Straße gehen und vergisst, nach links zu gucken, war sich hierüber in dem Moment aber nicht bewusst, wird angefahren und fragt sich später vielleicht, warum er nicht erst stehengeblieben ist und dann nach links geguckt hat anstatt einfach so loszugehen; d. h. implizit hat er hier eine Entscheidung getroffen, aber da keine Optionen abgewägt wurden, eben nicht explizit.

Zitat
Ebenso klappt das mit der Awareness nicht so ganz. In einem Computerspiel muss ich Leuten kommunizieren, was sie gerade tun. Am Spieltisch kann ich umgekehrt auf sie reagieren. Es ist also eher so, dass ich wissen, dass sie meinen, gerade etwas entschieden zu haben.

Awareness bezieht auf die Wahrnehmung von Optionen in einer Situation, d. h. hier ist es nach Morrison ausreichend, wenn den Spielern klar ist, dass sie unterschiedlich in einer Situation reagieren können.

Zitat
Gottbehüte, nein. Also kann man machen. Es macht aber regelmäßig keinen Sinn das zu tun, bevor sie die Entscheidung getroffen haben. Schlimmstenfalls schubse ich sie dann unbewusst in eine Richtung, die ich für interessant halte.

Mein Punkt ist eher, dass es sinnvoll ist, sich zu überlegen, was für Konsequenzen bestimmte Entscheidungen der Spieler haben könnten, um sie später - d. h. z. B. in einem späteren Abenteuer - damit zu konfrontieren; damit meine ich Entscheidungen, die die Spieler getroffen haben.

« Letzte Änderung: 12.05.2024 | 21:27 von manbehind »

Offline 1of3

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Re: Meaningful Choices
« Antwort #66 am: 12.05.2024 | 22:14 »
OK. Dann gehe ich soweit mit. Dann können wir den Ratschlag auch ganz allgemein formulieren: Bau auf dem auf, was passiert ist.

Awareness bezieht auf die Wahrnehmung von Optionen in einer Situation, d. h. hier ist es nach Morrison ausreichend, wenn den Spielern klar ist, dass sie unterschiedlich in einer Situation reagieren können.

Beim Rollenspiel nehmen wir doch an, dass man jederzeit alles tun kann oder?

Wir müssten eine Art Situation bestimmen, über die wir reden. Es gibt so Situationen, wo die SL sagt: "Möchtet ihr X, Y oder Z?" Das passiert auch implzit. Also indem zum Beispiel mehrere Auftraggeber, die offensichtlich um die selbe Sache konkurrieren, die Gruppe anheuern wollen. Oder die Gruppe hört mehrere Gerüchte mit interessantem Inhalt. Oder auf der Karte sind mehrere spannende Landmarken eingezeichnet.

Das sind dann aber sehr ausgewählte Situationen, die kommen nicht unbedingt jeden Abend vor und ganz sicher anders als Luke Hart das beschreibt, bestehen Rollenspielabenteuer nicht aus sowas.

Meistens ist es aber nicht so klar umrissen. Wenn da ein kaputtes Raumschiff ist, gebe ich als SL normalerweise keine Liste mit Dingen, die alle kaputt sind, und frage: "Welches wollt ihr denn zuerst reparieren?" Ich beschreibe grob die Situation und frage: Was wollt ihr tun? Vielleicht versuchen sie auch sich zur nächsten Siedlung durchzuschlagen und geben das Schiff auf oder Jean benutzt ihre Verbindung um Scott zu kontaktieren oder was weiß ich.

Offline Isegrim

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Re: Meaningful Choices
« Antwort #67 am: 12.05.2024 | 22:48 »
Oft sind es doch Hinweise, die die SL gibt, und die dann zu mehreren möglichen Entscheidungen führen können. Verdächtige Personen, denen die SCs mit mehr oder minder großer Priorität hinterherspüren können, mehrere Orte, die sie in einer Situation aufsuchen kann, oder mehrere NSCs, die sich Hilfe oder Ratgeber oder weitere Informationsquelle anbieten. Das ist nicht ganz so aufs Auge wie "Nehmt ihr Auftrag A, B oder C an?", aber dennoch eine implizite Wahl, vor die die SL die Spieler stellt.

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Re: Meaningful Choices
« Antwort #68 am: 12.05.2024 | 23:12 »
Ich bin nach wie vor eher bei: "Meaningful Choices" sind beim Szenariodesign kaum planbar, vielmehr ist ein Szenariodesign, das wenig konkrete Entscheidungsbäume, aber viele Konflikte und gut strukturierte Informationen vorgibt, am besten geeignet, um "meaningful choices" zu produzieren.

Ich würde den Begriff am ehesten als "ernsthafte Entscheidungen" übersetzen, also Entscheidungen, die tatsächlich überdacht werden und bei der die entscheidende Person auch mögliche Konsequenzen in Erwägung zieht. und mit welchen Entscheidungen das geschieht und mit welchen nicht, ist halt nur sehr bedingt voraussehbar. Die Aufgabe des SL besteht also viel mehr darin, wahrzunehmen, welche Entscheidungen für die Spieler/Charaktere ernsthaft sind und ihnen und ihren Konsequenzen dann entsprechend Gewicht zu verleihen. Das hat mehr mit der SL-Ausgabe, das Spotlight auf bestimmte Aspekte des Spiels flexibel zu steuern, zu tun, als mit der Vorfertigung von Handlungsalternativen.
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Offline tartex

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Re: Meaningful Choices
« Antwort #69 am: 13.05.2024 | 12:00 »
Ich bin nach wie vor eher bei: "Meaningful Choices" sind beim Szenariodesign kaum planbar, vielmehr ist ein Szenariodesign, das wenig konkrete Entscheidungsbäume, aber viele Konflikte und gut strukturierte Informationen vorgibt, am besten geeignet, um "meaningful choices" zu produzieren.

[...]

Die Aufgabe des SL besteht also viel mehr darin, wahrzunehmen, welche Entscheidungen für die Spieler/Charaktere ernsthaft sind und ihnen und ihren Konsequenzen dann entsprechend Gewicht zu verleihen. Das hat mehr mit der SL-Ausgabe, das Spotlight auf bestimmte Aspekte des Spiels flexibel zu steuern, zu tun, als mit der Vorfertigung von Handlungsalternativen.

Also man kann schon NSCs gestalten, die höchstwahrscheinlich solche Choices triggern werden, ohne dass man Handlungsalternativen vorfertigen muss.
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Re: Meaningful Choices
« Antwort #70 am: 13.05.2024 | 13:14 »
Ich bin da bei Swanosaurus.

Z.B. hiermit:

Oft sind es doch Hinweise, die die SL gibt, und die dann zu mehreren möglichen Entscheidungen führen können. Verdächtige Personen, denen die SCs mit mehr oder minder großer Priorität hinterherspüren können, mehrere Orte, die sie in einer Situation aufsuchen kann, oder mehrere NSCs, die sich Hilfe oder Ratgeber oder weitere Informationsquelle anbieten. Das ist nicht ganz so aufs Auge wie "Nehmt ihr Auftrag A, B oder C an?", aber dennoch eine implizite Wahl, vor die die SL die Spieler stellt.

Es geht ja darum, dass die Wahl von Bedeutung ist. Ich kann A, B und C total unterschiedlich darstellen, aber am Ende läuft es doch auf das Gleiche hinaus. Weil ich als SL alle Mittel habe, um im Prinzip jederzeit die in Aussicht gestellten Konsequenzen so hinzudrehen, wie ich will. Heißt: nur weil die Gruppe eine Wahl trifft, auf Basis bestimmter Informationen und in der Erwartung bestimmter Konsequenzen, kann ich die als SL nach der Entscheidung völlig eigenmächtig überschreiben. Wenn ich es gut mache und alle dafür sind, heißt das dann "überraschende Wendung". Wenn ich es nicht gut mache und das auf Ablehnung trifft, heißt das dann "SL Willkür" ;)

In beiden Fällen kann die Wahl aber rückblickend bedeutungslos gewesen sein, weil die Gruppe nur augenscheinlich den Fortgang bestimmt hat.

Beispiel: die Gruppe kann sich einer der beiden verfeindeten Fraktionen A oder B anschließen. Die Erwartung wäre, dass die jeweils andere Fraktion dann auch zum Feind der SC wird, was eine bedeutsame Weiche für den weiteren Verlauf der Kampagne wäre.
Ob aber B wirklich zum Feind wird, wenn sich die SC A anschließen, entscheidet ganz allein die SL.

Edit: anderes Beispiel:
Der Dungeon hat zwei Teile mit einer Stelle, wo die Gruppe sich entscheiden muss  ob sie erst links oder erst rechts lang will. Als SL habe ich mir vorher keinen Kopf über die Reihenfolge gemacht, weil irrelevant.
Jetzt fängt die Gruppe aber intensiv an über die Richtung zu diskutieren und malt Szenarien und mögliche Konsequenzen aus, die davon abhängen, ob sie links oder rechts gehen.
Als SL kann ich da sagen: "ist egal" und die ganze "schwere" Entscheidung der Gruppe war irrelevant. ODER ich greife das auf und gebe der Entscheidung doch Relevanz, anders als vorher geplant.
« Letzte Änderung: 13.05.2024 | 13:23 von Tudor the Traveller »
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Re: Meaningful Choices
« Antwort #71 am: 13.05.2024 | 13:38 »
In beiden Fällen kann die Wahl aber rückblickend bedeutungslos gewesen sein, weil die Gruppe nur augenscheinlich den Fortgang bestimmt hat.

Sicher, wenn man das unbedingt will. Aber wenn man den Spielern Hinweise gibt, führt das eigentlich immer dazu, dass man ihnen implizit verschiedene Wahlmöglichkeiten anbietet, wie sie weitermachen können. Ob nun beim Abenteuer schreiben geplant, oder on the fly improvisiert. Und wenn  man sich dessen bewusst ist, kann das zumindest nicht schaden.

Entwerten kann man als SL so gut wie alles, aber das ist ne Binsenweisheit...
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« Antwort #72 am: 13.05.2024 | 13:49 »
[...] Und wenn  man sich dessen bewusst ist, kann das zumindest nicht schaden.

Entwerten kann man als SL so gut wie alles, aber das ist ne Binsenweisheit...

Ja. Imo geht es genau darum. Nenne es einen Aspekt des "Guten Spielleitens".

Ps: ich hatte dich nur als beliebiges Beispiel zitiert. Das war keine inhaltliche Antwort auf deinen Beitrag.
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Re: Meaningful Choices
« Antwort #73 am: 13.05.2024 | 15:15 »
Also man kann schon NSCs gestalten, die höchstwahrscheinlich solche Choices triggern werden, ohne dass man Handlungsalternativen vorfertigen muss.

Eben das meinte ich ja mit Konflikte und gut strukturierte Informationen.
Wenn zwei NSC es auf denselben McGuffin abgesehen habe, hilft mir eine gute und präzise Beschreibung ihres jeweiligen Interesses und ihrer Vorgehensweisen mehr, als eine Szene, die darum gestrickt ist, dass die Charaktere sich zwischen den beiden entscheiden müssen - weil die Szene eventuell gar nicht erfasst, wie die Charaktere mit dem Konflikt umgehen oder ob sie den Konflikt überhaupt als relevant empfinden. Kann ja auch sein, dass sie es sofort völlig klar finden, dass sie für NSC x arbeiten und nicht für NSC Y oder das sie ihr eigenes Ding drehen und beide NSC reinlegen oder sie ganz ignorieren - eine vorgefertigte "Entscheidungsszene" kann das gar nicht in der Gänze erfassen.

Manche Abenteuer doppeln auch und liefern gute Grundinformationen und "Entscheidungsszenen" (mir fällt da das Mythras-Abenteuer "Hessarets Schatz" ein, das sie NSC und ihre Konfliktlinien wirklich vorbildlich aufbereitet und gleichzeitig extrem viele Szenen vorfertigt und ausgiebig erörtert ist). Meine Erfahrung damit ist, dass ich die Szenen einmal lese und dann nicht wieder darauf zurückgreife, sondern stattdessen in den NSC-Profilen nachlese.
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Offline tartex

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Re: Meaningful Choices
« Antwort #74 am: 13.05.2024 | 15:27 »
Meine Erfahrung damit ist, dass ich die Szenen einmal lese und dann nicht wieder darauf zurückgreife, sondern stattdessen in den NSC-Profilen nachlese.

Tja, viele Kaufabenteuer werden halt zum Großteil an Leute verkauft, die sie eher lesen als spielen werden. Und in dieser Hinsicht sind vorgefertigte Szenen wohl eher im Sinne der Käufer.
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