Chill - erschien 2015 in dritter Auflage (hier ein Quellenbuch) von Martin Caron - gegenüber ist das Cover der ersten Regelbox von 1985
Wenn's tatsächlich um irgendwie geartete moralische Bedenken geht, würde ich von der dritten Chill-Edition abraten (die Autor:innen sind wohl extrem fragwürdige Gestalten,
https://forum.rpg.net/index.php?threads/cryptworld-vs-chill-3rd-edition.871218/page-2#post-23547946).
Ansonsten würde ich auch
Esoterrorists empfehlen, falls ihr Lust darauf habt, kompetente Agenten gegen das Grauen zu spielen, oder
Fear Itself, das im Prinzip dasselbe Setting nutzt, nur leicht anders interpretiert und mit Ottonormalperson als Held:in. In jedem Fall in Kombination mit dem großartigen
Book of Unremitting Horrors, ein gemeinsames Bestiarium für beide Systeme, das im Anhang auch noch einen Haufen ausgearbeiteter Abenteuer und Abenteuerskizzen enthält (abgesehen davon, dass wirklich jedes Monster darin schon ein Abenteuer für sich ist). Schöne Mythologie, die nicht so ausgelutscht ist wie der Cthulhu-Mythos, und eine eigene Atmosphäre, die leicht an Hellraiser erinnert.
Eventuell wäre auch "The Yellow King" (ebenfalls Gumshoe-System) einen Blick wert, das GRW ist aber recht teuer, und die Grundidee ist schon eher speziell: Chambers "Yellow King" Mythos wird hier komplett aus dem Cthulhu-Brei herausgelöst, in den er im Rollenspiel üblicherweise mit reingematscht wird, und zur Grundlage von gleich vier miteinander verbundenen Settings: Belle Époque Paris, in dem man Kunststudent:innen spielt, die den unheimlichen Folgen der Verbreitung des Yellow-King-Theaterstücks nachgehen; The Wars, ein bizarrer Alternate-History-Weltkrieg in den 50ern; Aftermath, ein Setting nach dem Sturz einer hundertjährigen paranormalen Diktatur durch den King in Yellow in den USA; und This is Normal Now, unsere Welt mit bizarren Inkursionen aus den Parallelrealitäten. So richtig Horror ist davon wohl nur "This is Normal Now", das andere schwankt zwischen Horror und surrealer Phantastik. Ich finde es sehr empfehlenswert als gute Lektüre, als System habe ich es erst einmal im One-Shot getestet und fand es funktional, aber ich denke, so richtig glänzen kann es nur in einer längeren Kampagne, die sich über die verschiedenen Realitäten erstreckt.
Kein System, aber tolle Horror-Universalabenteuer in den USA der 1930er: No Security
https://www.drivethrurpg.com/en/product/122756/no-security-horror-scenarios-in-the-great-depression. Haben zwar durchaus Cthulhu-Feeling,aber sind in keiner Weise mit der Cthulhu-Mythologie verbunden, sondern eigenständiger Cosmic Horror.
Falls ihr doch in Richtung kritische Auseinandersetzung mit Lovecraft und dem Cthulhu-Mythos gehen wollt, bietet sich übrigens auch Marvels & Prodogies an (
https://www.drivethrurpg.com/en/publisher/26616/marvels-and-prodigies?keyword=marvels%20and%20prodigies). Das basiert zwar auf dem Cthulhu-Mythos, setzt sich aber mit der Spannung von Xenophobie und Xenophilie bei Lovecraft auseinander und kommt dabei auch zu einer ganz anderen Interpretation des Settings und der Charaktere darin (die im Prinzip Wissenssuchende sind) als jedes andere Lovecraftianische Rollenspiel, das mir je untergekommen ist. Das System liest sich sehr interessant und funktional für Horror, und inhaltlich steckt da eine sehr tiefgreifende Auseinandersetzung mit Lovecraft's Rassismus drin, ohne dass jemals der Zeigefinger erhoben wird. Der ganze Text ist in Sachen Rassismuskritik und Inklusion ein ganz großes "Do, don't talk" und klopft sich kein einziges Mal dafür auf die Schulter.