Ich habe nochmal nachgelesen und sehe nicht, wo ich hier explizit irgendwas auf eine realweltliche Ebene gehoben haben soll.
War es falsch von mir, davon auszugehen, anderen Usern Lesekompetenz in Bezug auf den Forenbereich zu unterstellen?
PS:
Falls ihr unbedingt die reale Welt diskutieren wollt bin ich raus!
Die Spitzen mal beiseitegelegt und zur Sache: Auch ein kleinerer Datingpool ändert nichts an der Erfahrung an sich. Aber thematisieren das die Schwertlesben, bzw. wird es irgendwie lösbar behandelt? Wie wird die queerness als Spiel umgesetzt? Einfach nur zu sagen dass der Charakter lesbisch wird es doch wohl nicht sein?
Okay, vorneweg: Ich besitze das Spiel nicht und habe nur ein wenig in der SRD gestöbert –
die beantwortet vielleicht auch ein paar Fragen zur Systemseite.
Aber, zwei Dinge habe ich getan:
1. Ein wenig in der SRD gestöbert.
2. Mir nochmal klar gemacht, was "Thirsty Sword Lesbians" eigentlich für ein Spiel ist und wie hier darüber diskutiert wird.
Und ich glaube, wir reden hier schon die ganze Zeit aneinander vorbei.
Ich glaube, dass das Spiel Prisma ein stückweit in seinen Überlegungen entgegenkommt. Nämlich insofern, dass das, was zu Anfang gesagt wurde, uneingeschränkt gilt: Queersein in diesem Spiel drückt sich nicht dadurch aus, dass man sich die Haare färbt oder beim Sprechen die Handgelenke einknickt. In dem Spiel
kann man sicherlich
auch Klischees vorkommen lassen, aber sie sind nicht der Dreh- und Angelpunkt des Spiels oder notwendig oder gesetzt. Die Charaktere bei "Thirsty Sword Lesbians" sind – ausweislich ihrer Playbooks, die bestimmte Themen vorgeben – eigentlich ganz normale Charaktere. Sie sind so designt, dass ihre Struggles anschlussfähig für Spieler:innen sind, die vergleichbare Struggles erlebt haben,
unabhängig davon ob sie queer sind oder nicht. Das Playbook
The Beast wird z.B. so beschrieben:
This playbook is designed to celebrate those of us who are treated as less than human because we don’t fall within the narrow confines of what is acceptable to a dominant group. The pressure to assimilate is real: the pressure to become invisible and to abandon our truth, culture, and history. When you choose this playbook, you signal that you’re interested in playing with that conflict.
Beim Playbook
The Seeker steht das:
You spent your formative years in a deeply toxic society. Spend some time fleshing out that society and the Authority that governs it. What is a symbol, custom, phrase, or other shibboleth associated with your society? When did you first have doubts?
Your answers will help the GM build the world the characters inhabit. If they have a pre-planned scenario in mind, they’ll work with you to make sure your Authority fits or give you some options for existing Authorities that might work well.
Diese Aspekte eines Charakters sind natürlich universell und knüpfen an allgemeingültige, menschliche Erfahrungen an. Jeder Charakter bei "Thirsty Sword Lesbians" ist, wie ich das verstehe, ein normaler Charakter, so weit entfernt oder nahe am Klischee, wie man eben möchte und es für die Gruppe okay ist.
Ihr merkt schon, es folgt ein "Aber"... Aber natürlich sind der Fokus von "Thirsty Sword Lesbians"
trotzdem queere Lebens- und Liebeswelten. Irgendein Charakter am Spieltisch soll also schon immer lesbisch, schwul, bi oder pan sein (bei ace bin ich mir grad nicht sicher, in welcher Weise das Spiel das thematisiert) – ich denke, das kann man als ein Bedürfnis ansehen, das die Autoren des Spiels haben, deckt sich ja auch mit den Aussagen oben.
Was heißt das?
Das heißt, dass "Thirsty Sword Lesbians" ein politisches Spiel ist. Denn
queer ist ein
Begriff mit einer dezidiert politischen Dimension. Da geht es um soziokulturelle Aspekte, um gesellschaftliche Aspekte. Um Fragen von Machtstrukturen, von Akzeptanz, von Zugehörigkeit. Das Spiel macht diese politische Dimension ganz explizit. Von dem aus, was ich bislang gelesen habe, stellt sich "Thirsty Sword Lesbians" für mich als ein Spiel dar, das verschiedene Tonalitäten anspricht: Es kann als eine Utopie gespielt werden, in der queere Liebe verbreitet und akzeptiert ist (explizit formuliert als eine eskapistische Fantasie, aber von innen bedroht) oder als eines, indem eine meist heteronormative, imperialistische oder patriarchale Macht queere Communities von außen bedroht. Das Spiel verwendet hier
Toxic Powers als Bezeichnung für diese Bedrohungen, was natürlich auch wieder ein Begriff ist, der aus dem gesellschaftspolitischen Kontext stammt.
So oder so: Die Entscheidung der Charaktere, Beziehungen zu suchen, die nicht hetero sind, wird in einigen (aber nicht allen Settings) als etwas dargestellt, das tatsächlich unter Druck steht und bedroht wird – es ist nicht selbstverständlich, dass Menschen das machen können.
Wir müssen es klar sagen: "Thirsty Sword Lesbians" ist nicht nur politisch – es
will politisch sein. Wir können also nicht darüber reden, ohne das wir über das Politische reden (und wir können, btw., auch nicht über Queerness reden, ohne dass wir über das Politische reden...
ich hoffe daran muss ich nicht erinnern...)
Hier muss ich Prisma gerade mal vehement wiedersprechen. "Barbaren!" ist wahnsinnig politisch. Es ist eine Satire auf den conan-esken Fantasybarbaren und das zugehörige Machismo, das daraus resultierende oberflächliche Frauenbild und das Abfeiern von beidem. Das lehnt sich hart in den Bereich von Männlichkeitsbildern und toxischer Maskulinität und Heteronormativität. Das sind gesellschaftspolitische und identitätspolitische Aspekte, von denen "Barbaren!" sich nicht freimachen kann. Wir sollen über diese aufgepumpten Muskelberge lachen. Und wenn wir das tun, ist das gleichzeitig ein Statement gegen Machismo, der als Kraft immer noch bestimmte politische und gesellschaftliche Gruppen bestimmt.
Überhaupt, mir fiele kein einziges satirisches Rollenspiel ein, das nicht eine auffällige gesellschaftspolitische Dimension hätte. Paranoia? Klar doch. Das Monty Python-Rollenspiel? Auf jeden Fall! Macho Women with Guns? You bet!
"Thirsty Sword Lesbians" ist auch als Versuch gedacht, queere Lebensentwürfe in Settings zu holen, in denen sie sonst keine Rolle spielen und weitab von "front and center" sind. Im SRD steht:
Take the premise of any story with swords and run it with Thirsty Sword Lesbians, and you’ll get a slashfic-style version of the original, meaning more melodrama, more kissing, and more queerness. If you’ve ever shouted at a show to “make it gay, you cowards”—this game is here to help. Are you a fan of samurai dramas?Highlander? Wxi novels and films? Arthurian legend? Lightsaber duels? Any of these can be the touchstones for a game of Thirsty Sword Lesbians.
This is not to say that you can uncritically import settings that marginalize queer identities, but the framework of the game will help you analyze and critique them. In much of the media celebrated under racist patriarchy, authorities are going to be Toxic Powers. You may need to invent the community that nurtures the PCs within the setting you have chosen.
Of course, we have a long tradition of transforming mass media to tell our stories.
Das ist der Kern!Leite "Vampire" und lass deine Vampire mit ihren sexuellen Identitäten experimentieren, denn hunderte Jahre immer nur am selben Set an Geschlechtsmerkmalen rumzugraben, wird ja auch schnell langweilig. Leite "Shadowrun" und sprenge nicht nur die Grenzen der Cyber- und Bioware, sondern auch der Beziehungsformen, diesem zensierenden, allmächtigen Konzern mit seinem Techbro-Aufsichtsrat zum Trotz. Leite "Der Herr der Ringe", aber Sam und Frodo sind diesmal nicht nur verklausuliert schwul.
Insofern gilt es auch, das Spiel als Ganzes zu betrachten und nicht nur zu gucken "Hmmm, welche Mechanik macht mich denn nun genau gay?" Oder zu sagen "Was denn, nur über das Setting, das ist ja lahm..."
Eben nicht "nur über", sondern "explizit über". Der Text des Spiels setzt die Mechaniken in einen Kontext. 1of3 würde womöglich jetzt sogar sagen, dass diese Settingsetzungen auch Regeln sind – und bei "Thirsty Sword Lesbians" stimmt das ganz besonders. "Whatever you do, make sure to kiss someone of your own gender on the way there" ist eine
Regel. Keine mit Zahlen und Würfeln dahinter. Aber eben eine Regel.
Das so als ein paar Gedanken von meiner Seite dazu.