Autor Thema: Religion in Mittelerde (und auch in "Rings of Power")  (Gelesen 1771 mal)

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Offline Zed

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Im "Rings of Power"-Thread wurde schon letzte Woche von Lyonesse darauf hingewiesen, dass Tolkien Religion in Mittelerde ohne Tempel und Klerikale wollte.

Ich finde das Thema so spannend, dass ich dachte, dass es einen eigenen Thread wert wäre.

Nicht wenigen Elben in Mittelerde, den Noldor, sind die Valar ja sehr vertraut: Sie lebten gemeinsam in einem Land, und sie bewunderten gegenseitig ihre Kunstwerke, seien es magische Bäume, seien es Silmaril. Der Machtunterschied zwischen Valar und Noldor war geringer, als man es zuerst vermuten könnte: Zwar konnten nur die Valar Leben erschaffen, aber zumindest der Noldor Feanor hatte mit den Silmaril Gemmen kreiert, die sogar Valar in den Bann ziehen konnten und die immerhin als Gestirn taugen. Und dann waren die Noldor auch noch Waffengefährten im Kampf gegen Morgoth.

Valar und Elben sind äußerst langlebig, wobei die Valar zusätzlich unzerstörbar sind. Und auch als Kämpfende konnten die Elben mit den Valar bemerkenswert mithalten: Wenn sie Morgoth auch nicht töten konnten, so hat der Noldor Fingolfin Morgoth immerhin sieben Wunden zufügen können, bevor er im Duell mit Morgoth getötet wurde.

Die Valar sind für manche Elben Waffengeschwister gewesen und reale Nachbarn, keine entrückten Gottheiten. Vielleicht gab es keine sonntäglichen Spaziergänge im Park der Zwei Bäume, bei denen sich Vala und Noldo traf und eine freundliches Schwätzchen hielt - aber etwas ähnlich Vertrautes muss es zwischen beiden Gruppen gegeben haben.

(Natürlich gibt es auch den einen oder anderen Hinweis auf ein gutes Maß an Distanz zwischen Noldor und Valar, so war beim bedeutungsschweren Silmaril-Schwur durch Feanor anscheinend kein Valar anwesend (zumindest nehme ich nicht wörtlich, dass die Noldor für den Schwur Manwe als Zeugen herbeigerufen haben).)

Ich will darauf hinaus: Für seine Nachbarn und Waffenbrüder baut man keine Tempel. Die Valar müssen zumindest für die Noldor ein erhebliches Maß an Alltäglichkeit gehabt haben. Und selbst wenn Du kein Noldo bist, so kennst Du vielleicht einen, der mit Tulkas im hübschen Valmar vielleicht mal "einen saufen" war.

Könnte diese gelebte Nahbarkeit der Gottheiten im ersten Zeitalter dafür verantwortlich sein, dass die Valar zu wenig entrückt waren, um ihnen Tempel zu bauen?

Klärung, was ich dirskutieren möchte (Edit):
Ich will darüber sprechen:

•   Wie hat Tolkien den Status von Religion in seinem Werk beschrieben?
•   Welche (evtl sogar widersprüchliche) Beispiele von Religion und Göttlichkeit in Mittelerde gibt es?
•   Funktioniert das Ganze innerweltlich, und wo knarzt es?
•   Warum hat Tolkien das so konzipiert und nicht anders? Was hat er sich dabei gedacht?

Insbesondere das Verhältnis Gottheiten zu Sterblichen (inkl. Elben) in Mittelerde interessiert mich.

Kurz: Religionsworldbuilding des Fantasy-Meisters: Wie hat er es warum gemacht?
« Letzte Änderung: 20.09.2024 | 16:25 von Zed »

Offline Isegrim

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Re: Religion in Mittelerde (und auch in "Rings of Power")
« Antwort #1 am: 20.09.2024 | 15:46 »
Im "Rings of Power"-Thread wurde
Könnte diese gelebte Nahbarkeit der Gottheiten im ersten Zeitalter dafür verantwortlich sein, dass die Valar zu wenig entrückt waren, um ihnen Tempel zu bauen?

Willst du diskutieren, warum Tolkien das so geschrieben hat, oder ob wir der Meinung sind, das sei eine logische Erklärung?
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Offline caranfang

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Re: Religion in Mittelerde (und auch in "Rings of Power")
« Antwort #2 am: 20.09.2024 | 15:52 »
Wenn Du Zugriff auf das alte MERS-Material hast, hast auch gleichzeitig eine kurze Beschreibung der religösen Praktiken der einzelnen Kulturen. MERS fällt allein dadurch aus dem Rahmen, weil ICE damals alles, was Tolkien über Mittelerde geschrieben hat, verwenden durfte. Deshalb kann man sagen, dass die dortigen Beschreibungen Tolkien Vorstellungen von Religion in Mittelerde am nähesten kommen.

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Re: Religion in Mittelerde (und auch in "Rings of Power")
« Antwort #3 am: 20.09.2024 | 16:07 »
Wenn Du Zugriff auf das alte MERS-Material hast, hast auch gleichzeitig eine kurze Beschreibung der religösen Praktiken der einzelnen Kulturen. MERS fällt allein dadurch aus dem Rahmen, weil ICE damals alles, was Tolkien über Mittelerde geschrieben hat, verwenden durfte. Deshalb kann man sagen, dass die dortigen Beschreibungen Tolkien Vorstellungen von Religion in Mittelerde am nähesten kommen.

Nicht wirklich, MERS hat einiges gemacht, was nicht unbedingt tolkienesk war - das Übermaß an D&D-artiger Zauberei und magischen Gegenständen hat mich immer befremdet. Dass die unter Saurons schatten geratenen Völker religiöse Kulte praktiziert haben, das ist schon korrekt, aber all die Religionen, die nach MERS bei den Völkern im westen üblich waren, entsprechen nicht besonders Tolkiens Darstellung.

Wobei ich das aber gar nicht mal so schlecht fand, weil Religion ein entschiedendes Kriterium menschlicher Kulturen ist. Dass das bei Elben und Numenorern vielleicht weniger stark ist, weil die teilweise einen Draht zu den Valar haben, okay, aber bei Breemenschen und Dunländern würde ich schon irgendwelche Religionen erwarten. Diese Leute müssen sich um das Überleben und Gedeihen kümmern, da hätte man gerne Beziehungen zu den amtierenden Mächten, wie immer man sich die auch vorstellt.
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Re: Religion in Mittelerde (und auch in "Rings of Power")
« Antwort #4 am: 20.09.2024 | 16:24 »
Willst du diskutieren, warum Tolkien das so geschrieben hat, oder ob wir der Meinung sind, das sei eine logische Erklärung?
Ich will darüber sprechen:

•   Wie hat Tolkien den Status von Religion in seinem Werk beschrieben?
•   Welche (evtl sogar widersprüchliche) Beispiele von Religion und Göttlichkeit in Mittelerde gibt es?
•   Funktioniert das Ganze innerweltlich, und wo knarzt es?
•   Warum hat Tolkien das so konzipiert und nicht anders? Was hat er sich dabei gedacht?

Insbesondere das Verhältnis Gottheiten zu Sterblichen (inkl. Elben) in Mittelerde interessiert mich.

Kurz: Religionsworldbuilding des Fantasy-Meisters: Wie hat er es warum gemacht?

Offline caranfang

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Re: Religion in Mittelerde (und auch in "Rings of Power")
« Antwort #5 am: 20.09.2024 | 16:53 »
Tolkien hat versucht ein sehr katholisches Buch zu schreiben, ohne dabei auf das Thema Religion einzugehen. Und auch der Konflikt, um den es eigentlich geht, ist der zwischen dem wahren Glauben (an Eru und die Valar) und einer falschen Religion (Saurons Morgoth-Kult) und nicht, wie viele annehmen, zwischen Freiheit und Knechtschaft. Dies wird aber nirgends im Roman expilizit erwähnt.

Nicht wirklich, MERS hat einiges gemacht, was nicht unbedingt tolkienesk war - das Übermaß an D&D-artiger Zauberei und magischen Gegenständen hat mich immer befremdet. Dass die unter Saurons schatten geratenen Völker religiöse Kulte praktiziert haben, das ist schon korrekt, aber all die Religionen, die nach MERS bei den Völkern im westen üblich waren, entsprechen nicht besonders Tolkiens Darstellung.

Wobei ich das aber gar nicht mal so schlecht fand, weil Religion ein entschiedendes Kriterium menschlicher Kulturen ist. Dass das bei Elben und Numenorern vielleicht weniger stark ist, weil die teilweise einen Draht zu den Valar haben, okay, aber bei Breemenschen und Dunländern würde ich schon irgendwelche Religionen erwarten. Diese Leute müssen sich um das Überleben und Gedeihen kümmern, da hätte man gerne Beziehungen zu den amtierenden Mächten, wie immer man sich die auch vorstellt.
Regeltechnisch hat man bei MERS viel falsch gemacht, aber MERS hat den Vorteil, dass es anders als alles andere, was unter irgendeiner Mittelerde-, Herr Der Ringe-  oder Hobbit-Lizenz veröffentlicht wurde, alles verwendet. Ich bin mir sicher, dass einige der Fehler in der Hintergrundbeschreibung, die Du bemängelts, allein der Tatsache verschuldet sind, dass noch nicht alle Bände der History of Middle-Earth veröffentlicht wurden.

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Re: Religion in Mittelerde (und auch in "Rings of Power")
« Antwort #6 am: 20.09.2024 | 16:57 »
Tolkien hat versucht ein sehr katholisches Buch zu schreiben, ohne dabei auf das Thema Religion einzugehen.
Das scheint mir eine zu knappe und vielleicht gar nicht treffende Zusammenfassung zu sein. Das würde ich gerne im Detail besprechen!

Offline KWÜTEG GRÄÜWÖLF

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Re: Religion in Mittelerde (und auch in "Rings of Power")
« Antwort #7 am: 20.09.2024 | 16:58 »
Ich bin mir sicher, dass einige der Fehler in der Hintergrundbeschreibung, die Du bemängelts, allein der Tatsache verschuldet sind, dass noch nicht alle Bände der History of Middle-Earth veröffentlicht wurden.

Nee, nicht wegen Widersprüchen zu History of Middle Earth - ich empfand das damals schon beim Erscheinen von MERS-Publikationen so, da gab es die HoME ja noch gar nicht.

MERS hat einen Spagat versucht zwischen dem, was im Fantasyrollenspielbereich der damalige Standard war , und der Welt Tolkiens.
Da haben sie dann jede Menge Magic User mit klassischen RPG-Zaubern zugelassen, die aber nicht dem Wesen der Zauberei entsprechen, wie es bei Tolkien vorgegeben ist. Kein zauberisch affiner Charakter bei Tolkien teleportiert, oder verwandelt Gegner in Statuen etc., aber mit MERS-Charakteren geht sowas.

Und jede Location wimmelt von magischen Gegenständen, Runen, die Feuerstrahlen spucken usw.
Ist ja nicht so, dass bei Tolkien selber nicht vieles zauberisch wäre, aber viel subtiler.  :)
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Re: Religion in Mittelerde (und auch in "Rings of Power")
« Antwort #8 am: 20.09.2024 | 17:02 »
Ich will darüber sprechen:
•   Wie hat Tolkien den Status von Religion in seinem Werk beschrieben?

Soweit ich gelesen habe kaum bis gar nicht.
Die Vala Situation ist ja kompliziert.
Der Schöpfer Iluvater brachte den Valar (die er selbst schuf) das Lied der Schöpfung bei und erschuf so die Welt und deren Geschichte im gemeinsamen Gesang.
(Da gewinnt das Wort Kanon eine ganz neue Bedeutung...)
Einer sang schief und wurde aus dem Chor rausgeworfen. Aber die Disharmonie war angerichtet und bahnte sich quasi durch Melkor als personifiziertes Böse seinen Weg auf die Welt.
Genau genommen ist also der Vala Singsang die Story aus dem Silmarillion selbst. Und Melkors disharmonische Death Black Metal Einlagen quasi die Geschichte um Morgoth und Sauron. Da der Gesang durch das Eingreifen von Iluvatar ("Melkor? Schnauze! Raus! An jetzt singt der Chor ohne Dich! Tulkas, Du bleibst und singst weiter, Melkor braucht keine Abreibung, jedenfalls jetzt noch nicht...!") ja am Ende wieder harmonisch ausgeht, gibt es ein Happy End im Ringkrieg.

Die anderen Vala widmeten sich ihren favorisierten Gebieten (suchten sich quasi ein Hobby), wodurch sie irgendwo zu spezialisierten Göttern wurden, so wie man das aus der griechischen und römischen Antike in etwa kennt.
Aber: Wenn die Valar auf Dere wandeln, sind es auch nur Wesen und vieles von ihren "göttlichen Fähigkeiten" geht ihnen dabei verloren. Unter anderem wissen sie auch nicht den Werdegang des Geschehens.
Das galt auch für Melkor / Morgoth, sonst hätte der ja gleich die Sache sein lassen können.

Dementsprechend haben die Elben die Valar ja nur in ihrer Wesen-gewordenen Version kennen gelernt und da dürften sie als äußerst mächtige Mentoren wahrgenommen worden sein und nicht als Götter.
Die Edain (Menschen) haben die Götter gewissermaßen gar nicht selbst wahrgenommen, weil die Valar nach deren Entstehen eigentlich nicht mehr wirklich (höchstens in der aller frühesten Zeit) in Mittelerde rummachten, sondern nur durch die Elben von ihnen gehört.
Naja und wie Menschen so sind, werden die wohl interpretiert haben und daraus kann je nach Volk dann entsprechend Religion entstanden sein.
Es gibt aber keine Beschreibung, dass die Númenorer oder die Menschen in Anor oder Gondor eine Religion gehabt haben. Ich meine, wäre auch komisch, an einem Altar jemandem anzubeten, von dem Deine etwas ältere Kumpeline aus dem Elbenvolk weiß, wie dieser Gott so war, weil die den aus Valinor noch persönlich kennt. "Was? Ja, der schnarcht schrecklich und putzt sich nie die Zähne. Warum? Hallo... Wassergott...?"
Ob die anderen Menschen vielleicht Morgoth angebetet haben, so aus lauter Angst (haben die Christen ja auch - Verdammnis und so) steht auch nirgends, wäre aber auch nicht unplausibel.

Und letztendlich könnte man auch sagen, dass die eigentlich wirkliche Gottheit Iluvatar wäre, weil der ja alles schuf, selbst die Valar. Aber der schert sich ja nicht, denn er hat in dem Lied, dass er mit den Valar musizierte ja den Werdegang erzählt und da wir quasi Teil seiner Musik sind (Na, Du D moll?), was soll ihn bitte da an Gebet erreichen? Das wäre ja wie ein verselbstständigtes Echo.
« Letzte Änderung: 20.09.2024 | 17:19 von Boba Fett »
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Re: Religion in Mittelerde (und auch in "Rings of Power")
« Antwort #9 am: 20.09.2024 | 17:04 »
<Parallel zu Boba Fett gepostet>

Eine These dazu, wie Tolkien Religion in den Alltag der sterblichen Völker eingeflochten haben könnte:

Die Lieder.

Zum einen ahmt Gesang ja schon im Grundsatz in Mittelerde die Erschaffung der Welt nach. Alleine das Singen schon könnte in Mittelerde als parareligiöser Akt gelten (ohne dass das nach meinem Wissen irgendwo ausgesprochen wird).

Ich kenne jetzt die Lieder, die in Tolkiens Werken angesprochen werden, nicht in-und-auswendig, aber in einigen werden doch Sterne, Bäume und andere "Stand-Ins" der Schöpfung genannt, richtig? Das würde meine These stärken, meine ich.

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Re: Religion in Mittelerde (und auch in "Rings of Power")
« Antwort #10 am: 20.09.2024 | 17:09 »
Dementsprechend haben die Elben die Valar ja nur in ihrer Wesen-gewordenen Version kennen gelernt und da dürften sie als äußerst mächtige Mentoren wahrgenommen worden sein und nicht als Götter.
Das ist eine noch bessere Formulierung als ich sie hier versucht habe!

Zitat
Ich meine, wäre auch komisch, an einem Altar jemandem anzubeten, von dem Deine etwas ältere Kumpeline aus dem Elbenvolk weiß, wie dieser Gott so war, weil die den aus Valinor noch persönlich kennt. "Was? Ja, der schnarcht schrecklich und putzt sich nie die Zähne. Warum? Hallo... Wassergott...?"
...und eine lustigere Formulierung  ;D

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Re: Religion in Mittelerde (und auch in "Rings of Power")
« Antwort #11 am: 20.09.2024 | 17:09 »
MERS hat einen Spagat versucht zwischen dem, was im Fantasyrollenspielbereich der damalige Standard war, und der Welt Tolkiens.
Da du bei MERP alias Rolemaster Junior, aufgrund der unkalkulierbaren Tödlichkeit, so dringend
wie fast nichts anderes einen Heiler brauchtest, wurde diese Nische ja mit der Animistenklasse
besetzt; die kamen aber eigentlich auch recht unklerikal daher.
Aber es stimmt schon, in Bezug auf Religion in ME wird man wohl nirgendwo so fündig wie in dem
alten MERP-Material.
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Re: Religion in Mittelerde (und auch in "Rings of Power")
« Antwort #12 am: 20.09.2024 | 17:13 »
Zed's These gefällt mir. Singen ist also "gottgefälliges" Treiben...
Und genau genommen ist unser Wirken ja ohnehin Teil eines Liedes, also werden unsere Gesänge wohl die harmonischeren Teile unseres Wirkens sein und deswegen liegt im Singen eine besondere Macht (Heilung oder das Schenken von Hoffnung zum Beispiel).
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Offline Zed

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Re: Religion in Mittelerde (und auch in "Rings of Power")
« Antwort #13 am: 20.09.2024 | 17:21 »
Wenn Boba und ich mit dieser Analyse der nicht-entrückten Gottheiten richtig liegen, dann gibt es gegenteilige, irdische Beispiele von ähnlich kumpelhaften Verhältnissen zwischen menschlichen und göttlichen Wesen, die in der Mythologie gemeinsam kämpften, Kinder zeugten und wohl auch soffen, und wo trotzdem für die Gottheiten Tempel gebaut wurden: Siehe das alte Griechenland.

Ich denke, dass Athene, Zeus und Poseidon und das Verhältnis der Menschen zu diesen Gottheiten in Mythen und im Realen ziemlich ähnlich dem Verhältnis der Valar zu den Elben und Edain sind, richtig? (Gut, die Triebe der griechischen Gottheiten müssen wir abziehen, um die Valar in ihnen zu erkennen, hier mag der Katholizismus Tolkiens durch Abwesenheit von Gottheiten-Sex durchgeschlagen sein.)

Warum sorgten die irdischen Alltäglichkeiten der griechischen Gottheiten nicht dafür, dass den Menschen der Respekt fehlte, um ihnen Tempel zu bauen?

Offline Lyonesse

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Re: Religion in Mittelerde (und auch in "Rings of Power")
« Antwort #14 am: 20.09.2024 | 17:21 »
Einer sang schief und wurde aus dem Chor rausgeworfen. Aber die Disharmonie war angerichtet und bahnte sich quasi durch Melkor als personifiziertes Böse seinen Weg auf die Welt.

Ob die anderen Menschen vielleicht Morgoth angebetet haben, so aus lauter Angst (haben die Christen ja auch - Verdammnis und so) steht auch nirgends, wäre aber auch nicht unplausibel.
Wobei das tragische an einer Figur wie Melkor war, dass er wie Iluvatar erschaffen/kreieren wollte - er wollte
also wie Gott bzw. ein 'richtiger' Gott sein -, nur leider kam bei ihm nur ''Ausschuss'' dabei heraus.

Der Morgothkult wurde, soweit ich weiß, erst von Sauron zu seinen eigenen Zwecken installiert, und war so
schrecklich, dass er zum Untergang Numenors und der Verbrennung Saurons durch Eingreifen der Valar führte. 
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Re: Religion in Mittelerde (und auch in "Rings of Power")
« Antwort #15 am: 20.09.2024 | 17:22 »
MERS fällt allein dadurch aus dem Rahmen, weil ICE damals alles, was Tolkien über Mittelerde geschrieben hat, verwenden durfte.
Nein wie alle Spiele/Medien die von Middle-earth Enterprises(früher Tolkien Enterprises) lizensiert sind, hat MERS nur die Lizenz vom Hobbit und vom Herr der Ringe.

Offline Zed

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Re: Religion in Mittelerde (und auch in "Rings of Power")
« Antwort #16 am: 20.09.2024 | 17:27 »
Mit Tolkien-Material, "Rings of Power" und irdischen Vorbildern vom Verhältnis zwischen Gottheiten und Menschen haben wir schon genug zu vergleichendes Material.

Darum lasst uns MERS bitte hier raushalten.

Macht dafür doch einen eigenen Thread, so etwas wie "Wo ist MERS kein Tolkien mehr?" - wäre auch interessant.

Offline Lyonesse

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Re: Religion in Mittelerde (und auch in "Rings of Power")
« Antwort #17 am: 20.09.2024 | 17:27 »
Warum sorgten die irdischen Alltäglichkeiten der griechischen Gottheiten nicht dafür, dass den Menschen der Respekt fehlte, um ihnen Tempel zu bauen?
Weil auch die griechischen Götter so unberechenbar waren, dass man sie besänftigen musste.
Was sonst sollte man auch gegen Missernten, Krankheiten, Seuchen, Kriege, Unwetter, etc ... machen?
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Re: Religion in Mittelerde (und auch in "Rings of Power")
« Antwort #18 am: 20.09.2024 | 17:28 »
Religion ist in Welten mit real existierenden Göttern halt immer so eine Sache. ;)

Speziell bei Tolkien kann ich mich tatsächlich nicht an ausdrücklich beschriebene "religiöse" Praktiken in den Romanen erinnern. Das ergibt aus meiner Sicht auch einen gewissen Sinn: Eru als der eine "richtige" Gott, dem gegenüber die Ainur eher so was wie seine Engel (samt abtrünniger Luziferfigur Melkor/Morgoth) darstellen, hält normalerweise eher Abstand von der Welt, in der seine Geschöpfe spielen, und sein berühmtester direkter Eingriff führte direkt zum Untergang von Numenor -- so jemanden verehrt man, wenn überhaupt, lieber leise und aus der Ferne, als daß man ihn ständig um Gefallen anbettelt. Und natürlich ist er als ganz realer Schöpfer von allem sonst, was existiert, auch nicht wirklich jemand, der auf ausdrückliche Anbetung irgendwie angewiesen wäre...wir sind hier ja in Mittelerde und nicht z.B. auf Faerûn. :)

Offline caranfang

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Re: Religion in Mittelerde (und auch in "Rings of Power")
« Antwort #19 am: 20.09.2024 | 17:34 »
Nee, nicht wegen Widersprüchen zu History of Middle Earth - ich empfand das damals schon beim Erscheinen von MERS-Publikationen so, da gab es die HoME ja noch gar nicht.

MERS hat einen Spagat versucht zwischen dem, was im Fantasyrollenspielbereich der damalige Standard war , und der Welt Tolkiens.
Da haben sie dann jede Menge Magic User mit klassischen RPG-Zaubern zugelassen, die aber nicht dem Wesen der Zauberei entsprechen, wie es bei Tolkien vorgegeben ist. Kein zauberisch affiner Charakter bei Tolkien teleportiert, oder verwandelt Gegner in Statuen etc., aber mit MERS-Charakteren geht sowas.

Und jede Location wimmelt von magischen Gegenständen, Runen, die Feuerstrahlen spucken usw.
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Wir reden hier eindeutig aneinander Vorbei. Du redest von den Regeln, nicht von den Hintergrundbeschreibungen, von denen ich aber die ganze Zeit rede. Ignoriere die Werte. Ignoriere die von D&D ispirierten magischen Gegenstände. Ignoriere die Zauber. Schau nur auf die Beschreibungen. Hier hat man sich sehr viel Mühe gegeben. Bei jedem Volk gibt es eine kurze Kulturbeschreibung, inklusive Religion.
Außerdem irrst Du Dich, was das Veröffentlichungsdatum von HoME betrifft. Der erste Band erschien 1983, die erste Edition von MERP 1984. Im gleichen Jahr in dem die zweite Edition von MERS veröffentlicht wurde, erschien auch der zehnte Band.
Soweit ich gelesen habe kaum bis gar nicht.
Die Vala Situation ist ja kompliziert.
Der Schöpfer Iluvater brachte den Valar (die er selbst schuf) das Lied der Schöpfung bei und erschuf so die Welt und deren Geschichte im gemeinsamen Gesang.
(Da gewinnt das Wort Kanon eine ganz neue Bedeutung...)
Einer sang schief und wurde aus dem Chor rausgeworfen. Aber die Disharmonie war angerichtet und bahnte sich quasi durch Melkor als personifiziertes Böse seinen Weg auf die Welt.
Genau genommen ist also der Vala Singsang die Story aus dem Silmarillion selbst. Und Melkors disharmonische Death Black Metal Einlagen quasi die Geschichte um Morgoth und Sauron. Da der Gesang durch das Eingreifen von Iluvatar ("Melkor? Schnauze! Raus! An jetzt singt der Chor ohne Dich! Tulkas, Du bleibst und singst weiter, Melkor braucht keine Abreibung, jedenfalls jetzt noch nicht...!") ja am Ende wieder harmonisch ausgeht, gibt es ein Happy End im Ringkrieg.

Die anderen Vala widmeten sich ihren favorisierten Gebieten (suchten sich quasi ein Hobby), wodurch sie irgendwo zu spezialisierten Göttern wurden, so wie man das aus der griechischen und römischen Antike in etwa kennt.
Aber: Wenn die Valar auf Dere wandeln, sind es auch nur Wesen und vieles von ihren "göttlichen Fähigkeiten" geht ihnen dabei verloren. Unter anderem wissen sie auch nicht den Werdegang des Geschehens.
Das galt auch für Melkor / Morgoth, sonst hätte der ja gleich die Sache sein lassen können.

Dementsprechend haben die Elben die Valar ja nur in ihrer Wesen-gewordenen Version kennen gelernt und da dürften sie als äußerst mächtige Mentoren wahrgenommen worden sein und nicht als Götter.
Die Edain (Menschen) haben die Götter gewissermaßen gar nicht selbst wahrgenommen, weil die Valar nach deren Entstehen eigentlich nicht mehr wirklich (höchstens in der aller frühesten Zeit) in Mittelerde rummachten, sondern nur durch die Elben von ihnen gehört.
Naja und wie Menschen so sind, werden die wohl interpretiert haben und daraus kann je nach Volk dann entsprechend Religion entstanden sein.
Es gibt aber keine Beschreibung, dass die Númenorer oder die Menschen in Arnor oder Gondor eine Religion gehabt haben. Ich meine, wäre auch komisch, an einem Altar jemandem anzubeten, von dem Deine etwas ältere Kumpeline aus dem Elbenvolk weiß, wie dieser Gott so war, weil die den aus Valinor noch persönlich kennt. "Was? Ja, der schnarcht schrecklich und putzt sich nie die Zähne. Warum? Hallo... Wassergott...?"
Ob die anderen Menschen vielleicht Morgoth angebetet haben, so aus lauter Angst (haben die Christen ja auch - Verdammnis und so) steht auch nirgends, wäre aber auch nicht unplausibel.

Und letztendlich könnte man auch sagen, dass die eigentlich wirkliche Gottheit Iluvatar wäre, weil der ja alles schuf, selbst die Valar. Aber der schert sich ja nicht, denn er hat in dem Lied, dass er mit den Valar musizierte ja den Werdegang erzählt und da wir quasi Teil seiner Musik sind (Na, Du D moll?), was soll ihn bitte da an Gebet erreichen? Das wäre ja wie ein verselbstständigtes Echo.
Im Prinzip hast Du recht, aber die wenigsten Noldor hatten überhaupt Kontakt mit den Valar. Außerdem gab es in Armenelos auf Numenor ein Heiligtum für die Valar, welches später von Sauron mit einen Tempel für Morgoth überbaut wurde, und dann natürlich das Eru-Heligtum auf dem Gipfel des Meneltarma. Soweit ich weiß, ist dies die einzigen Beispiele für Heiligtümer der Valar oder Erus in Tolkiens Werk.

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Re: Religion in Mittelerde (und auch in "Rings of Power")
« Antwort #20 am: 20.09.2024 | 17:35 »
Weil auch die griechischen Götter so unberechenbar waren, dass man sie besänftigen musste.
Was sonst sollte man auch gegen Missernten, Krankheiten, Seuchen, Kriege, Unwetter, etc ... machen?
Sehr guter Punkt!

Da hat Tolkien wohl "getrickst": Obwohl wir annehmen können, dass es in Mittelerde auch Stürme gibt, die Schiffe versenken, wird nach meiner Erinnerung Ulmo nie angefleht, er möge sich beruhigen. Er wird einfach nicht beschuldigt, also muss er auch nicht besänftigt werden, also hat er keine "böse Seite".

Für die meisten Katastrophen sind letztlich sowieso Hexenkönige, Spinnen, Sauron oder Morgoth Schuld.

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Re: Religion in Mittelerde (und auch in "Rings of Power")
« Antwort #21 am: 20.09.2024 | 17:39 »
Nein wie alle Spiele/Medien die von Middle-earth Enterprises(früher Tolkien Enterprises) lizensiert sind, hat MERS nur die Lizenz vom Hobbit und vom Herr der Ringe.
Falsch, denn dann hätte man die Bücher der Lord of Middle-earth-Reihe nicht veröffentlichen dürfen, denn in diesen werden u.a. Charaktere aus dem Silmarillion und den Nachrichten aus Mittelerde beschrieben.

Offline Zed

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Re: Religion in Mittelerde (und auch in "Rings of Power")
« Antwort #22 am: 20.09.2024 | 17:39 »
Das ergibt aus meiner Sicht auch einen gewissen Sinn: Eru als der eine "richtige" Gott, dem gegenüber die Ainur eher so was wie seine Engel (samt abtrünniger Luziferfigur Melkor/Morgoth) darstellen, hält normalerweise eher Abstand von der Welt, in der seine Geschöpfe spielen, und sein berühmtester direkter Eingriff führte direkt zum Untergang von Numenor -- so jemanden verehrt man, wenn überhaupt, lieber leise und aus der Ferne, als daß man ihn ständig um Gefallen anbettelt.
Ja, Eru ist so entrückt, und die Valar sind so präsent, dass Eru quasi gar nicht beachtet wird.

Die Valar können aber Kreaturen erschaffen: Ents und Zwerge zB. Sie mögen vom Status her Engel sein, die manchmal selber raten, was Eru von ihnen will - Manwe geht dann doch immer meditieren, aber vom Machtlevel her sind sie schon Gottheiten, würde ich sagen.

Offline Zed

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Offline andymk

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Re: Religion in Mittelerde (und auch in "Rings of Power")
« Antwort #24 am: 20.09.2024 | 17:45 »
Ich werfe mal eine andere und vielleicht etwas ketzerische Hypothese in den Raum: Tolkien ist (nach heutigen Maßstäben) kein besonders tiefer World Builder gewesen.

Ja, er hat eigene Sprachen und Mythologien für seine Welt entwickelt, gut für ihn. Aber der Rest - Politik, Wirtschaft, Entfernungen, Bevölkerungsdichte, und eben auch Religion - ist doch sehr schemenhaft geblieben. Warum auch nicht? Der Herr der Ringe ist eben der Vorfahre, nicht der Archetyp, moderner Fantasy-Sagen, und hat seine eigenen Vorbilder in Heldenepen, Sagen und Märchen, die alle ohne allzu konsistente Welterzählungen auskommen. Solche Geschichte schwimmen in einem Meer von angedockter Mythologie, und verwenden daraus, was sie für ihren Handlungsbogen brauchen. So verhält es sich auch bei Tolkien und seiner selbsterfundenen Hintergrundmythologie. Er hat überhaupt kein Interesse, den HdR jenseits dieser vagen Andeutungen in einer konsistenten Welterzählung zu verwurzeln. Er ist eben kein Sanderson, kein Martin, kein Rothfuss - also Autoren, bei denen die Ausgefallenheit und Konsistenz der Welt mindestens so wichtig ist wie die Story darin. Mittelerde hingegen ist konzeptionell nichts anderes als eine verfremdete, fantastische Version von Tolkiens Heimat - eine Technik bzw ein Setting, das auch schon (früh)mittelalterliche Autoren von Sagas, Eben und Ritterromanen angewendet haben.

Vielleicht macht gerade dieses Vorgehen den HdR so zeitlos.

Will sagen: Man sollte an Tolkien den Weltbauer keine allzu hohen Maßstäbe anlegen - ohne ihn damit als Autor zu entwerten. Wenn er sich für den Inhalt seiner Erzählung nicht für Aspekte wie Religion interessiert hat, dann muss man da nicht allzu viel reininterpretieren oder versuchen, aus irgendwelchen Apokryphen doch noch ein konsistentes Konzept zu erfinden. Seine Geschichte enthält Elemente seiner eigenen religiösen Überzeugungen, ist aber sicherlich keine große katholische Metapher, sondern eben eine Heldengeschichte mit Fokus auf dem Kampf einer unwahrscheinlichen Gruppe von Individuen gegen das gesichtslose Böse. Das kann man auch völlig weltlich interpretieren.