Autor Thema: [Rant] H.P. Lovecrafts Kurzgeschichten  (Gelesen 2631 mal)

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Offline Zanji123

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Re: [Rant] H.P. Lovecrafts Kurzgeschichten
« Antwort #26 am: 30.10.2024 | 12:22 »
Lovecraft funktioniert für mich immer dann, wenn er die Atmosphäre der Umgebung einfängt und ein Detail der Umgebung so leicht verdreht ist und das den Protagonisten in eine völlige andere, surreale Welt zieht. In der Musik des Erich Zann finde ich die Vorstellung dieser seltsamen Mauer in der Stadt und Haus zwischen den vielen Gassen so eigentümlich, wie ein Erinnerung an Etwas, was ich so nicht erlebt habe. Aber ich kenn so eine Stimmung von nächtlichen Spaziergängen in der Altstadt wo der Mond manchmal halb hinter Wolken ist und man so ganz allein auf der Straße ist... da passt es dann schon. Auch Träume im Hexenhaus kann sich vielleicht eher erschließen, wenn man sich mal mit fraktaler Geometrie befasst hat und was das in der Mathematik der damaligen Zeit so angerichtet hat. Dazu dass Gefühl der Entfremdung, wenn man nachts im Halbschlaf in einem Hotelzimmer aufwacht und das nicht einordnen kann.
Das sind für mich so eine Mischung aus Beschriebenem was einem Fremden passiert und eigenen Erinnerungen, da kann ich voll eintauchen und Lovecraft schafft da was bei mir (ähnlich wie King, der das aber imho perfektioniert hat), was ich nicht "Grusel" nennen würde sondern eine Art "angenehme Beklemmung" (angenehm durch das Distanzierte).

Dann gibt es aber andere Geschichten wie das berüchtigte Berge des Wahnsinns der Langeweile durch das ich mich gequält habe und wo ich die erste Hälfte wirklich unerträglich und überflüssig fand und das was danach kommt hat nicht gerade entschädigt.
Dann finde ich den Bodyhorrer in Das Ding auf der Schwelle sehr Cronenberg-mäßig und gelungen, weil es aus der Sicht der Person geschrieben ist, der das gerade zustößt.

Für all das muss man aber schon eine Art "literarischen Zugang" haben, um mit der altertümlichen, umständlichen Schreibe -"barock" finde ich tatsächlich sehr schön umschrieben- klarzukommen.
Ist bei zeitgenössischen Autoren aber auch nicht anders. Der Schwarm hat viele Fans - ich dagegen (und da bin ich nicht der Einzige) fand 2/3 des Buchs langatmig und überflüssig und fand die Frauenfiguren zum Fremdschämen peinlich geschrieben.


;-) einfach die Cthulhu Geschichten als Comic bzw. Manga lesen

https://www.carlsen.de/softcover/hp-lovecraft-manga-cthulhus-ruf/978-3-551-76716-5?srsltid=AfmBOop8ZN2ix__gQ-cJBiks9WUU8hxGCiX7iYIWUhkxB-OpGOi81OcA

Tatsächlich ist das ne ziemlich gelungene Umsetzung, besitze den ersten Band und wollte da immer mal mehr von kaufen  :d
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Re: [Rant] H.P. Lovecrafts Kurzgeschichten
« Antwort #27 am: 30.10.2024 | 12:33 »
Das Mindset finde ich faszinierend, in dem Erkenntnisgewinn sich als Fehler herausstellt. Im schlimmsten Fall kannst jetzt deinen eignen Eindruck zu einem Autor wiedergeben, der eindeutig Kanon ist und den man daher auf jeden Fall mal gelesen haben sollte. Die ikonischen Geschichten verlangen jetzt ja auch nicht stundenlanges Knacken. Und nebenbei hast du noch einen Stil kennengelernt, der für dich nichts ist und kannst dich literarisch besser positionieren.

Das Wort Fehler war ungünstig gewählt, gemeint war Enttäuschung. Denn du hast völlig recht, die Zeit war natürlich nicht verschwendet. Noch lieber hätte ich allerdings in der Zeit einen Autor kennen gelernt, an dem ich Freude habe.
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Re: [Rant] H.P. Lovecrafts Kurzgeschichten
« Antwort #28 am: 30.10.2024 | 13:10 »
Ich oute mich mal als Weirdo:
Ich fand Berge des Wahnsinns Klasse!  ;D

Für mich war das eben kein Roman, sondern eher ein Forschungsbericht und deswegen fand ich den trockenen beschreibenden Schreibstil auch sehr passend. Dazu kam dann das, was da so nüchtern beschrieben wurde und welche Implikationen das eigentlich hat. Das verursachte bei mir ein stärkeres Gefühl der "Beklemmung" (danke, First Orko), als die Fantasygeschichte Cthulhus Ruf.
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Re: [Rant] H.P. Lovecrafts Kurzgeschichten
« Antwort #29 am: 30.10.2024 | 13:32 »
Oh die Rollenspie-namensgebende Geschichte Ruf des Chtulhus fand ich tatsächlich von allen die Enttäuschenste  :P Sogar noch unter den Bergen...
Weiß nicht, hat mir so gar nix gegeben.
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Offline Lyonesse

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Re: [Rant] H.P. Lovecrafts Kurzgeschichten
« Antwort #30 am: 30.10.2024 | 13:58 »
Keine Kurzgeschichte und auch eher konventioneller Horror, aber Der Fall Charles Dexter Ward hat für mich immer ganz gut funktioniert.
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Re: [Rant] H.P. Lovecrafts Kurzgeschichten
« Antwort #31 am: 30.10.2024 | 14:32 »
Oh die Rollenspie-namensgebende Geschichte Ruf des Chtulhus fand ich tatsächlich von allen die Enttäuschenste  :P Sogar noch unter den Bergen...
Weiß nicht, hat mir so gar nix gegeben.

Mir hat sie vor allem die Erkenntnis beschert, daß (a) das bedrohlichste an Cthulhu eigentlich sein menschlicher Kult ist und (b) einige der am häufigsten hervorgeholten Mythos-Zitate eigentlich auch nur Kultistenpropaganda sind und allermindestens die meisten dieser Leute wohl auch nicht wirklich wissen, was da überhaupt abgeht. Aber sich neue Götter suchen und das tun, wovon sie sich zu wissen einbilden, daß die das wollen? Das können sie immerhin.... >;D

Wobei ich mir halt nicht sicher bin, inwieweit ich bei HPL unbedingt nach "Horror" suche. Persönlich sortiere ich sein Werk ja eher unter "Weird Fiction" ein -- Gruselelemente vorhanden, aber zumindest aus meiner Perspektive oft eher als eine Art von Nebeneffekt der Ereignisse, die sich "eigentlich" abspielen. Aber das ist natürlich subjektiv; der Original-"Dracula" beispielsweise ist ja aus meiner Sicht auch längst nicht sooo zum Bibbern geschrieben und der Vampirgraf schlechthin, wie wir ihn heute gerne im Kopf haben, recht deutlich sichtbar erst das Ergebnis jahrzehntelanger Evolution, nachdem Bram Stoker die Feder schon lange aus der Hand gelegt hatte.

Offline tartex

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Re: [Rant] H.P. Lovecrafts Kurzgeschichten
« Antwort #32 am: 30.10.2024 | 14:42 »
Für mich rockt schon der erste Absatz mehr als jedes Glibberwesen oder jeder Xenomorph.

Zitat
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Offline Lyonesse

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Re: [Rant] H.P. Lovecrafts Kurzgeschichten
« Antwort #33 am: 30.10.2024 | 16:56 »
... der Original-"Dracula" beispielsweise ist ja aus meiner Sicht auch längst nicht sooo zum Bibbern geschrieben und der Vampirgraf schlechthin, wie wir ihn heute gerne im Kopf haben, recht deutlich sichtbar erst das Ergebnis jahrzehntelanger Evolution, nachdem Bram Stoker die Feder schon lange aus der Hand gelegt hatte.
Der Briefroman ist dafür ja auch denkbar ungeeignet. Allerdings ist Dracula auch bei Stoker schon ziemlich übel.
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Offline Megavolt

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Re: [Rant] H.P. Lovecrafts Kurzgeschichten
« Antwort #34 am: 30.10.2024 | 19:20 »
Aber das ist natürlich subjektiv; der Original-"Dracula" beispielsweise ist ja aus meiner Sicht auch längst nicht sooo zum Bibbern geschrieben und der Vampirgraf schlechthin, wie wir ihn heute gerne im Kopf haben, recht deutlich sichtbar erst das Ergebnis jahrzehntelanger Evolution, nachdem Bram Stoker die Feder schon lange aus der Hand gelegt hatte.

Das ist ein wichtiger Gedanke und am Ende vielleicht auch der rettende. Diese ganzen frühen Fantastiker stecken ja unbekanntes Land ab und sind quasi literaturproduzierende Helden im entsprechenden Heldenzeitalter. Sie probieren literarische Dinge aus erleben literarische Abenteuer. Bis daraus dann mal eine literarische Klassik wird, in der die ganzen von den Helden tief im unbekannten Land gefundenen Formen aussortiert, benannt, erkannt und geschliffen werden, da brauchts halt noch viel Zeit, viel Arbeit, viel Feintuning und vor allem viele mitdenkende Hirne. Und am Ende hat man dann Cthulhu-Inszenierungen, die einfach besser on point und packender sind als das schnarchige Geschwallere vom ollen Lovecraft.

Aber das entwertet ja das Heldenzeitalter mit seinen ganzen Heldentaten nicht.

Den Übertrag in Richtung Rollenspielliteratur kann man locker machen. Die Abenteuer vom Gygax sind auch ziemliche Gurken, quasi wie rohes Erz, das noch sehr stark verarbeitet werden muss. Aber gefunden ist es halt immerhin schon einmal, diese Leistung kann man ja nicht in Abrede stellen.

DSA ist dann irgendwann rollenspiel-literarischer Barock (überbordend, kathedralenhaft, schwülstig und bleischwer), Splittermond ist Rokkoko, OSR wäre gerne Renaissance, ist aber Romantik, Fate ist neue Sachlichkeit (nüchtern & lame), ptbA ist nasse-Nudeln-an-die-Wand-werfen und darin dann lustige Muster suchen, oder sowas wie der Joseph Beuys, also dass man zwei Ecken im Wohnzimmer stundenlang mit Schmalz beschmiert und sagt, es sei Kunst, aber eigentlich ist es schamloser Betrug, der nur noch mit den Eitelkeiten der Leute spielt.  ~;D
« Letzte Änderung: 30.10.2024 | 19:36 von Megavolt »

Online Sashael

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Re: [Rant] H.P. Lovecrafts Kurzgeschichten
« Antwort #35 am: 30.10.2024 | 19:50 »
Ich wäre ja dafür, für diese völlig unnötigen und vom Thema komplett losgelösten Spitzen eine Ermahnung zu verteilen.
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Offline Megavolt

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Re: [Rant] H.P. Lovecrafts Kurzgeschichten
« Antwort #36 am: 30.10.2024 | 19:52 »
Ich wäre ja dafür, für diese völlig unnötigen und vom Thema komplett losgelösten Spitzen eine Ermahnung zu verteilen.

Phänomenal! ~;D

Ermahne du mich halt?

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Re: [Rant] H.P. Lovecrafts Kurzgeschichten
« Antwort #37 am: 30.10.2024 | 19:59 »
Phänomenal! ~;D

Ermahne du mich halt?
Du hältst dich für lustig. Bist du aber nicht. Du bist beleidigend und arrogant.

Aber ich halte mich für zu befangen in Bezug auf deine Person, um da eine Entscheidung zu fällen. Also übergebe ich das an andere Mitglieder des Mod-Teams.
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Offline Megavolt

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Re: [Rant] H.P. Lovecrafts Kurzgeschichten
« Antwort #38 am: 30.10.2024 | 20:04 »
Ich finde das voll in Ordnung. Deine Befangenheit braucht dir keinerlei Zurückhaltung abzunötigen.

Online schneeland

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Re: [Rant] H.P. Lovecrafts Kurzgeschichten
« Antwort #39 am: 30.10.2024 | 21:28 »
Deutlich zu negative Schwingungen hier - ich mache entsprechend mal zu, bis ich oder ein anderer Mod Zeit hatte, sich Gedanken darüber zu machen.
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Offline Timberwere

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Re: [Rant] H.P. Lovecrafts Kurzgeschichten
« Antwort #40 am: 5.11.2024 | 07:49 »
Nachdem das Thema im Team besprochen und moderiert wurde, mache ich hier wieder auf und bitte darum,  höflich und sachlich zu weiterzudiskutieren.
Zitat von: Dark_Tigger
Simultan Dolmetschen ist echt kein Job auf den ich Bock hätte. Ich glaube ich würde in der Kabine nen Herzkasper vom Stress bekommen.
Zitat von: ErikErikson
Meine Rede.
Zitat von: Shield Warden
Wenn das deine Rede war, entschuldige dich gefälligst, dass Timberwere sie nicht vorher bekommen hat und dadurch so ein Stress entstanden ist!

Offline flaschengeist

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Re: [Rant] H.P. Lovecrafts Kurzgeschichten
« Antwort #41 am: 12.11.2024 | 23:58 »
Ich habe einen weiteren Versuch gewagt und zusätzlich "Die Musik des Erich Zann" sowie auf besondere Empfehlung eines Freundes "Der Schatten aus der Zeit" gelesen. Dabei ist mir noch ein Aspekt klar geworden, der mir bei Lovecraft fehlt: Keine Figur wird so beschrieben, dass ich eine Bindung zu ihr aufbauen kann. Dementsprechend ist mir auch egal, was diesen Figuren geschieht. Im Schatten aus der Zeit flieht beispielsweise im letzten Abschnitt der Protagonist vor einem diffusen Schrecken. Im Grunde spannend aber halt nur, wenn einem sein Überleben (und seine geistige Unversehrtheit) nicht am Allerwertesten vorbei geht.
« Letzte Änderung: 12.11.2024 | 23:59 von flaschengeist »
Perfektion ist nicht dann erreicht, wenn es nichts mehr hinzuzufügen gibt, sondern dann, wenn man nichts mehr weglassen kann (frei nach Antoine de Saint-Exupéry). Ein Satz, der auch für Rollenspielentwickler hilfreich ist :).
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Offline Irian

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Re: [Rant] H.P. Lovecrafts Kurzgeschichten
« Antwort #42 am: 13.11.2024 | 11:06 »
Definitiv, Lovecraft hat kaum Charaktere geschrieben, mehr... Leute, durch die man das ganze "erlebt". Also die Personen fungieren als Dinge, denen etwas zustößt. Das "zustoßende" ist das zentrale, die Personen sind austauschbare Menschen.
Hinweis: Nein, ich will dir nicht verbieten, X, Y oder Z in deinem Rollenspiel zu tun. Nein, ich habe dich keinen Rassisten genannt. Ja, du darfst X, Y oder Z auch weiterhin tun (außer es ist illegal, dann ist es aber auch nicht mein Problem). Wenn du denkst, es gibt eine einflussreiche oder auch nur mäßig große Gruppe hier im Forum oder in der dt. Szene, die dir dein Rollenspiel verbieten will, liegst du sehr wahrscheinlich falsch, insb. weil es idR keinen interessiert, was du so tust.

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Re: [Rant] H.P. Lovecrafts Kurzgeschichten
« Antwort #43 am: 13.11.2024 | 11:51 »
Ja spannend! Die Protagonisten sind tatsächlich ziemlich hohl, wie Hüllen. Ich glaube, gerade deshalb fällt es mir immer leicht, mich selbst in der Situation vorzustellen, da die Figur so leer ist, dass keine Distanz möglich ist... aber ja, wenn ich einen Schritt zurückgehe, dann ist mir das Schicksal der Personen auch total egal. Nur halt nicht, wenn ich es auf mich beziehe.
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Online Philipp.Baas

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Re: [Rant] H.P. Lovecrafts Kurzgeschichten
« Antwort #44 am: 13.11.2024 | 12:08 »
Ich habe mal einen sehr intelligenten Kommentar zu den Twilight Romanen gelesen, der ungefähr so ging:

Die Hauptfigur wird nirgends beschrieben, sie hat wenige bis gar keine Emotionen und bietet generell wenig identifizierbare Fläche. Der Grund ist ganz einfach, dass das Zielpublikum, junge (in dem Fall weibliche) Teenager sich durch die Figur austauschen können. Mir wurde dort dieser literarische Trick erst bewusst, aber bei Lovecraft empfinde ich die Figuren auch als ähnlich hohl ... Menschen ohne Eigenschaften (Pun intended). Ich springe auch nicht so richtig drauf an, aber vielleicht hängt das vom Genre ab, ob ein Leser drauf anspringt. Willst du dich in dieser Figur/Situation sehen oder nicht.
« Letzte Änderung: 13.11.2024 | 12:12 von Philipp.Baas »

Offline tartex

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Re: [Rant] H.P. Lovecrafts Kurzgeschichten
« Antwort #45 am: 13.11.2024 | 12:14 »
Ich lese ihn genau deshalb. Weil der so eine entspannende Distanz zu anderen Personen in den Stories schafft - inklusive dem Erzähler. Ich muss eh schon regelmäßig mit Leuten in Realtime reden. Da brauche ich nicht noch 'natürlichen' Dialog in der Literatur.  Es gibt viele Gespräche in den Lovecraft-Geschichten, aber auch nicht in der direkten Rede - sondern aus der Distanz

Und mein Lovecraft-Lektüre fördert eigentlich viel Action zu Tage - halt auch aus der Distanz. Es ist sehr entspannend das zu lesen.

Deshalb fand ich Lovecraft als Teenager auch nur schnarchig und habe ihn erst später zu schätzen gelernt, als ich nicht mit der Erwartung ranging mich zu gruseln, sondern einfach was altmodisches, traumartiges lesen wollte. Der Traumbezug kommt ja öfters vor. Kein Zufall würde ich behaupten.

Das ist eindeutig mit viel Talent geschrieben. Das Talent wird halt nicht dazu benutzt einen Thriller zu verfassen.

Action sieht bei Lovecraft halt so aus:

Zitat
     Actually, the horrified pause of the men was of comparatively brief duration. Duty came first; and although there must have been nearly a hundred mongrel celebrants in the throng, the police relied on their firearms and plunged determinedly into the nauseous rout. For five minutes the resultant din and chaos were beyond description. Wild blows were struck, shots were fired, and escapes were made; but in the end Legrasse was able to count some forty-seven sullen prisoners, whom he forced to dress in haste and fall into line between two rows of policemen. Five of the worshippers lay dead, and two severely wounded ones were carried away on improvised stretchers by their fellow-prisoners. The image on the monolith, of course, was carefully removed and carried back by Legrasse.

Bei anderen Autoren würde gerade der Teil über 20 Seiten gehen, mit Anschleichen und Spannungsaufbau, Heranzoomen an Gesichter und Emotionen, etc, etc. Aber sowas habe ich schon dutzendemale so ausführlich gelesen. Da habe ich lieber die elegant ausformulierte Zusammenfassung.
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Offline Horsinand

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Re: [Rant] H.P. Lovecrafts Kurzgeschichten
« Antwort #46 am: 13.11.2024 | 12:33 »
So hohl finde ich die Erzähler/Protagonisten bei HPL garnicht. Über den Hauptcharakter bei Schatten über Innsmouth erfährt man so einiges - später auch zur Familiengeschichte (was natürlich der Clou ist).

Bei The case of Charles Dexter Ward erfährt man auch so einiges zu den Protagonisten etc.

Die Angaben reichen mir da völlig.

Online Philipp.Baas

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Re: [Rant] H.P. Lovecrafts Kurzgeschichten
« Antwort #47 am: 13.11.2024 | 12:51 »
Die Hintergrundgeschichte ist nicht das Problem. Es ist der Blick in den Spiegel, der verhindert wird. Ebenso wie die emotionale Verdichtung, die über die Grundemotion des Genres hinausgeht. Bei Lovecraft Angst, Panik und Verwirrung. In meiner Erinnerung sind die Figuren nicht wütend, gekrängt, euphorisch, fröhlich sondern (wie hier schon mehrmals gesagt) distanziert außer es geht um die Grundemotion.
 

Offline Megavolt

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Re: [Rant] H.P. Lovecrafts Kurzgeschichten
« Antwort #48 am: 13.11.2024 | 19:06 »
Vielleicht sind die Erlebnisse mit den Texten vom Lovecraft auch deshalb so unterschiedlich, weil es so viele gibt, und weil sie schon eine erkennbar unterschiedliche Qualität haben. Es ist vermutlich relevant, ob man "die fünf besten" kennt oder "die fünf grottigsten". Vielleicht reden wir hier letztlich über unterschiedliche Texte, die erst mal nur das Label verbindet.

Vielleicht sollte jeder mal seine Lieblingsgeschichten nennen (oder sein meistgehasstestes Stück), dann könnte man auch bei einer erneuten Annäherung ein bisschen sortieren und hätte vielleicht einen insgesamt günstigeren Zugang.

Ich denke, ich mag die Farbe aus dem All am liebsten und ich halte Berge des Wahnsinns für das exemplarische Stück, an dem man Lovecrafts viele Mängel sehr klar sehen kann und sie auch ziemlich komplett und gebündelt vor sich liegen hat.

Anekdote: Ich habe letzthin (nicht zuletzt angeregt durch diesen ebenfalls sehr exemplarischen Tanelorn-Thread) mal im Hintergrund ein paar Lovecraft Geschichten in der YouTube Playlist dudeln lassen und sie semi-aufmerksam angehört. Und irgendwann dachte ich so: Okay, DAS ist aber mal eine coole Geschichte, wie heißt die denn? Und als ich nachgesehen habe, stellte sich heraus, die war nicht vom Lovecraft, der Algorithmus hat mich stattdessen zu einem besseren Schriftsteller weitergeleitet.  ~;D

Offline Niniane

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Re: [Rant] H.P. Lovecrafts Kurzgeschichten
« Antwort #49 am: 13.11.2024 | 21:11 »
Ich habe einen weiteren Versuch gewagt und zusätzlich "Die Musik des Erich Zann" sowie auf besondere Empfehlung eines Freundes "Der Schatten aus der Zeit" gelesen. Dabei ist mir noch ein Aspekt klar geworden, der mir bei Lovecraft fehlt: Keine Figur wird so beschrieben, dass ich eine Bindung zu ihr aufbauen kann. Dementsprechend ist mir auch egal, was diesen Figuren geschieht. Im Schatten aus der Zeit flieht beispielsweise im letzten Abschnitt der Protagonist vor einem diffusen Schrecken. Im Grunde spannend aber halt nur, wenn einem sein Überleben (und seine geistige Unversehrtheit) nicht am Allerwertesten vorbei geht.

Spannend, "Der Schatten aus der Zeit" war meine allererste Lovecraft-Geschichte, und ich hab mich soooo gegruselt. Dass der Protagonist so austauschbar war, hat mich gar nicht so gestört, ich fand die Beschreibung und die Auswirkungen ziemlich beklemmend.
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