
„Also dann, wer oder was bist Du?“, fragt Atréju, als sie auf einer Hügelkette gelandet und abgestiegen sind.
„Ich bin halb Mensch, halb Pooka, halb Käsekuchen.“
„Käsekuchen?“, fragt der Krieger verwirrt.
„Ja. Das kennt man bei Euch in Phantásien nicht.“
„Du … Du weißt, woher wir kommen?!“
„In der Welt, aus der ich komme, weiß jeder das. Äh, zumindest die aus meiner Generation. Du bist viel besser getroffen als im Original-Film, ich meine mich zu erinnern, der Film kam zuerst“, lügt er unsinnig, „dann kam erst das Buch von Michael Ende. Im Film siehst Du ganz anders aus, irgendwie spackiger. Fuchur auch! Hat mich als Kind aber nicht wirklich gestört.“
„Ich verstehe die Bedeutung Deiner Worte nicht!“
„Ja, kein Wunder …! Entschuldige. Wie ich schon sagte, ich bin zu einem ganz kleinen Anteil Pooka, uns ist nicht zu trauen! Darf ich Fuchur streicheln? Das wollte ich schon mein ganzes Leben lang!“
„Frage ihn doch selbst.“
„Fuchur, darf ich Dich streicheln?“
Der Drache hebt seinen imposanten Kopf, der die Größe eines Ruderboots hat, „Gewiss doch! Am liebsten werde ich unter dem Kinn gekrault!“
Til kommt dem nach und kichert glücklich, „Wartet, bis meine beiden Freunde Euch sehen, die Kindlinge! Die flippen aus!“
Fuchur gibt eine Art kätzisches Schnurren von sich, das so tief ist, dass Tils Eingeweide davon leicht vibrieren.
„Sagtest Du, Du seiest zum Teil ein Menschenkind?“, fragt Atréju.
„Ja, sagte ich!“, schmunzelt Til und sieht ihn an, „Gewissermaßen habe ich das Dir voraus; Du musst Deine andere Hälfte lange und qualvoll suchen. Ich habe meine immer dabei! Außer Sonntags, da hat der Mensch Ausgang!“
„Du hast also von meiner Großen Suche gehört …“
„Auf die Du von der Kindlichen Kaiserin geschickt wurdest! Ja klar, ein unglaublicher Epos. In meiner Heimatwelt gibt’s Statuen zu Euren Ehren!“
„Was sind Statuen?“
„Achte nicht auf meine Worte! Vielleicht war das ja sowieso gelogen, was ich da gesagt habe! … Ja stimmt, Du kommst aus dieser Gras-Ebene, nicht? Bei Euch gibt’s keine Statuen, und Ihr seid Nomaden. Ich nehme an, Michael Ende hat Euch auf den irdischen Sioux basieren lassen oder so.“
„Man nennt es das Gräserne Meer.“
„Ja, stimmt, so war das! Ich frage mich, ob‘s ebenso schön ist wie in meiner Vorstellung, oder noch schöner? Vielleicht können wir angelegentlich mal hinfliegen?“
„Fuchur und ich können nicht zurück. ... Du bist also zum Teil Menschenkind. Aber Du siehst überhaupt nicht so aus! Auf der Großen Suche, die mir auferlegt war, hatte ich ein Menschenkind zu finden!“
„Ja, genau“, sagt Til fröhlich, „Du hast Dein Counterpart auch schon gesehen, im Zauber-Spiegel-Tor. Du wusstest es aber zu diesem Zeitpunkt noch nicht zu interpretieren.“
„Du willst sagen, Du bist aus der Welt der Menschenkinder? Du kommst von der anderen Seite, von der, die der Zauber-Spiegel mir gezeigt hat?“
„Ja, genau“, sagt Til, aber denkt, zumindest gewissermaßen. Die Welt des Protagonisten Bastian Balthasar Bux ist ja ganz genau betrachtet
auch Teil einer Geschichte, und daher nicht exakt dieselbe wie Tils Herbstwelt. Ein
Traum in einem Traum, auch hier.
„Ich bin also nicht das Menschenkind, das Du brauchst!“, fügt er hinzu.
„Ich brauche den Retter überhaupt nicht mehr zu finden“, sagt Atréju fast tonlos, „Fuchur und ich haben Phantásien verlassen, und der Großen Suche …“, und schwermütig seufzt er, „… den Rücken gekehrt!“
Til hält inne beim Kraulen, und wendet sich verdutzt dem Jungen zu, „Hä, echt? Das ist neu. Das ist doch nicht passiert, äh, nur in der Comic-Adaption womöglich, und die war noch schlimmer als der Film. Das kann doch nicht sein?“
„Ich sollte nicht darüber reden“, sagt Atréju, recht düster, „Meine früheren Verpflichtungen sind eine sehr, sehr ernste Sache.“
Til mustert ihn schweigend. Wenn der junge Held seine Große Suche aufgegeben hat, dann ist das für ihn vielleicht wie die Sinnkrise, in der Til selber zu stecken vermutet?
„Seid Ihr beiden darum jetzt hier in den Ewigen Wäldern? Und so warst Du auch den schwarzen Reitern Grimgoromns in die Hände gefallen?“
„Wir wussten nicht, dass diese Häscher so zahlreich hier sind! Ich war unvorsichtig. Wenn Fuchur nicht gewesen wäre, würde auch ich mich jetzt auf dem Weg zu den Verliesen von Grimgoromn befinden.“
Die dröhnende Drachenstimme sagt fröhlich, „Aber mein kleiner Herr hat eben immerzu Glück! Wie günstig, dass dieser Gewittersturm gerade heraufgezogen ist, als ich Euch endlich entdeckt habe vorhin!“
Atréju nickt dankbar, und sieht dann Til misstrauisch an, und fragt, „Du kennst dieses Reich? Es ist wie eines der Länder von Phantásien … und doch anders.“
„Hm, es hat ganz ähnliche Gesetzmäßigkeiten und Konflikte. Was bei Euch das Nichts ist, dem die Phantásier zum Opfer zu fallen drohen, wird hier gefürchtet als der Winter ohne Ende.“
„Das Nichts gibt es aber nicht.“
„Äh, wie jetzt? Ist das ein Rätsel?“
„Das ist eine Verschwörung. Ich weiß mittlerweile alles. Es spielt aber hier keine Rolle. … Die vier Sturmriesen haben uns während unserer Großen Suche offenbart, dass es keine Grenzen in Phantásien gibt, über die man hinaus fliegen kann, um in die Welt der Menschenkinder zu gelangen. Und trotzdem haben wir es hierher geschafft, in ein Reich, das nicht zu Phantásien gehört, und irgendwie doch ähnlich ist. Wie aber kannst Du in die Welt der Menschenkinder gelangen?“
„Ich bin als eines geboren worden! Ich bin gleichzeitig Fee und Mensch. Das wusste ich mein ganzes Leben schon. Für mich ist das … wie zu schlafen und Träume zu haben. Nur, dass es ganz besondere, reale Träume sind. Während bei Euch in Phantásien Menschen nur alle Jubeljahre vorbeikommen, gehen wir als Changelings hier regelmäßig ein und aus. Exakt einmal in der Kalenderwoche, um genau zu sein! Aber wir sind ebenfalls selten geworden, hat man mir gesagt.“
„Vielleicht sind Du und Deinesgleichen trotzdem der Schlüssel.“
Fuchur fragt, „Auch, wenn wir jetzt nicht mehr auf der Großen Suche sind, mein kleiner Herr?“
Atréju schweigt, ratlos.
„Verlasst Euch auf mich, ich kann Euch bestimmt aushelfen“, sagt Til tröstend, „Ich und meine Freunde!“
„Aber Du scheinst in jeden Satz eine Flunkerei einzubauen!“, rügt der Krieger.
„Aber nicht in jeden!“
„Wie können wir Dir vertrauen?“
„Hm, ja, in gewisser Weise seid Ihr beiden die Antithese von so Pooka wie meinen Kids und mir. Ihr seid beide sehr wahrhaftig. Aber es beunruhigt mich irgendwie ein klein wenig, dass Ihr Euer Heimatreich verlassen habt … dass das überhaupt möglich war. Da stimmt doch was nicht?“
„Das lass‘ unsere Sache sein, Hasenmann.“
„Til Haselberger.“
„Oh? Nun, es ist mir eine Freude. Unsere Namen kennst Du ja schon.“
„Hört zu, Jungs, ich kann Euch wahrscheinlich helfen. Ich habe Freunde in mehreren der Grimm‘schen Märchen! Die wissen vielleicht was darüber, was Ihr zu tun habt!“
„Was sind Grimm‘sche Märchen?“, fragt der Junge skeptisch.
„Ich sag‘ Euch was, Ihr beiden: Ihr fliegt mich zurück zu der Barbaren-Horde aus Ériu, damit ich die beschwatzen kann. Ich habe jede Menge in der Hand gegen die, jede Menge! Ein Versuch lohnt sich. Na ja, und danach zeige ich Euch den Weg zum Schloss der Goldenen Sonne. Fürst Ūrohso und Zusje die Seherin werden Euch garantiert helfen können.“
Atréju und Fuchur sehen sich gegenseitig an.
☀
Evolution: Und da auch diese neue Bekanntschaft äußerst nützlich sein könnte, kaufe ich Til die beiden Helden als neuen Kontakte-Hintergrund. Das erhöht sein Kontakte-Netzwerk im Träumen auf zwei, und macht es umso effektiver.
☀
Fuchurs Gestalt züngelt über den Abendhimmel wie ein flammender Blitz. Nach kurzem Flug geht er tiefer, und Til entdeckt tatsächlich die Ödland-Gegend, die er heute früh durchwandert hat. In einem laublosen Baumgrüppchen liegen zwischen entwurzelten Bäumen und Ackerfurchen tatsächlich die Knochenhaufen der Fluchscharen. Die schwarzen Reiter sind mit dieser Schimäre fertig geworden. Und dann …?
Die Orakelwürfel entscheiden: Wir finden hier das neue Kriegslager der Fir-Bholg!Auf der dunklen Ebene geht Fuchur herunter, und lässt die beiden absteigen.
„… Es sieht nicht so aus, als wären die beiden Streitkräfte noch einmal zusammengeprallt!“, stellt Til fest, „Die schwarzen Reiter waren offensichtlich zu beschäftigt mit dem Knochenpflug und meinem Abtransport, um ihre Angriffspläne umzusetzen. Wartet hier, ich hüpfe in das Lager der Barbaren, ich bin im Handumdrehen zurück.“
„Ich werde natürlich mit Dir gehen“, sagt Atréju entschlossen, „Du bist unser einziger Ansatzpunkt in den Ewigen Wäldern, in die es uns verschlagen hat. Sollte Dir dort etwas zustoßen, stehen wir wieder ganz ohne Orientierungsmöglichkeit da.“
„Okay …?“
„Außerdem scheint Dein Vorhaben nobel.“
„Meine Vorhaben sind immer nobel.“
„Das glaube ich Dir nicht, Til Haselberger, denn Du bist ein Lügner.“
„Das ändert nichts an der Wahrheit meiner Aussagen!“
„Das ändert
alles an der Wahrheit Deiner Aussagen. Aber …“
„Ganz schön vorlaut …!“
„… aber Du bist dennoch ein würdiger Verbündeter. Wenn auch ein Seltsamer. Jetzt jedenfalls gehen wir zu der Verhandlung! Fuchur, ich bitte Dich, Dich versteckt zu halten. Ich rufe nach Dir, sollte es schlecht laufen.“
„So sei‘ es“, nickt der Glücksdrache.
Also nähern die beiden sich vorsichtig dem Lager der Finsteren Feen und der Plünderer aus Ériu.
Atréju bewegt sich völlig lautlos auf dem Kies, mit den geschmeidigen Bewegungen eines Meisters der Wildnis. Sein Jägerauge ist hochkonzentriert, und er verzieht nur leicht angewidert das Gesicht, als er den gehörnten, leichenhaften Fratzen der Fir-Bholg ansichtig wird.
Also werde ich einen Compel-Move machen müssen, um die Barbaren zum Kleinbeigeben und Abreisen zu bringen:Til zeigt die Glyphe vor, die Brannóin ihm ins Pfotenpolster geschnitten hatte, und bittet um eine Unterredung mit Häuptling Erûnar Réodraige.
Vor dessen Lagerfeuer geführt, begrüßt er die Schreckensgestalten.
„Du bist also zurück, Angeber!“, schnarrt der Heerführer, man weiß nicht, ob sein Ton amüsiert klingen soll, oder nur einschüchternd.
„… Wie ich angekündigt hatte, und ohne jegliche Umwege! Ich bringe Kunde aus dem Westen, Häuptling. Ihr selbst habt gesehen, dass die Truppen von Grimgoromn immer noch hinter Euch her sind! Fast wäre es heute früh zu einem Aufeinanderprallen Eurer Nachhut mit ihnen gekommen!“
„Und meine Krieger dauert es, dass es nicht dazu kam! Sie gieren nach Grimgoromn-Blut!“, grient Erûnar.
„Ja, gewiss. Aber sie werden ihren Spaß schon noch bekommen, Herr, denn weitere Truppen des Alleinherrschers nahen ja.“
„Dann bestätigst Du uns in unserem Ansinnen, Pooka?“, ruft der Häuptling, „Dann willst Du sagen, wir sollten den Rest unserer Clans von Ériu hierher rufen, auf dass der Krieg und die Verheerung richtig beginnen können?“
„Nein, Herr!“, sagt Til ängstlich, „Denn sie sind ja nicht die einzigen Gegner für Dich! Habt Ihr von der Herzkönigin gehört? Sie ist der eigentliche Grund, warum die Grimgoriminatori uns in den Ewigen Wäldern heimsuchen kommen. Ihre Armee ist bereit, aus den Tiefen des Wunderlandes hinaus zu marschieren! Die Fir-Bholg würden zwischen diesen beiden riesigen Streitmächten zermahlen werden, wenn sie in größerer Zahl von Ériu herkämen! Stattdessen muss unbedingt ein Kräftegleichgewicht herbeigeführt werden.“
„Und dafür hast Du uns das Geheimnis der Grimgoriminatori zusammengesetzt, in nur etwas mehr als zwei Tagen und zwei Nächten?“, fragt der Häuptling herausfordernd.
„Ihr vielerorts gesuchtes Geheimnis liegt nicht in ihrer Erschaffung, wie bisher geglaubt, sondern in ihrem Ziel!", lügt Til, „Sie wollen das Wunderland überfallen, und sich die Macht der legendären Herzkönigin einverleiben, oh Häuptling! Ein Konflikt wird sich entspinnen, in dem Ériu nur verlieren kann.“
Das soll mal die Grundlage sein für den Compel-Move. Na, ob die Unterwelt-Feen Til seinen Bluff glauben werden? Er würfelt Geistesschärfe+Überzeugen, und ich fürchte, keine Aspekt-Boni passen so richtig zu dieser Situation. Der zweite Wurf ist ein Misserfolg, den rette ich mit einem Reroll. Sieben Erfolge sind’s dann unterm Strich. Daraus wird laut Challenge Dice ein Weak Hit! Darauf hatte ich insgeheim gehofft, denn das bedeutet einen Sieg, aber mit weiteren interessanten Konsequenzen:„Obschon ein Angeber, scheinst Du guten Rat zu haben für meine Horde!“, sagt Häuptling Erûnar, „Nun, wir hatten eine Absprache, und ich bin in Stimmung, ihr nachzukommen.“
„Das müsst Ihr auch! Wir sind Kithain, und Absprachen sind bindend!“, empört sich Til, „Hast Du selbst gesagt, Herr!“
„Was ich Dir sagte, Pooka, war, dass wir Fir-Bholg nicht zu dem Lichten oder Finsteren Hofe gehören, und uns nur unsere eigenen Regeln kümmern! Schweig‘ also still. Aber wir nehmen nun unsere bisherige Beute, und packen uns, und segeln zurück gen Ériu. Denn Du hast mir einen sehr wichtigen Hinweis geliefert, fürwahr!“
Nun ist es an Atréju, sich zu straffen, und zu rufen, „Welchen Hinweis meint Ihr, Erûnar Réodraige?“
Til wirft seinem neuen Begleiter einen Seitenblick zu. Das olivgrüne Gesicht des Jungen verrät, dass er bereits eine Hinterlist wittert!
„Das braucht niemanden in den Ewigen Wäldern zu kümmern, Junge! Dieses Reich Eurer Heimat soll künftig vor uns sicher sein, wie ausgehandelt!“
Atréju würfelt (als regulärer Wurf, ohne
Move) Geistesschärfe+Aufmerksamkeit, um zu sehen, ob er derartigen Reden auf die Schliche kommt. Mächtige fünf Erfolge!
„… Du hast es
auf Grimgoromn selber abgesehen, Häuptling!“, bringt Atréju bestürzt hervor, „Du denkst Dir jetzt: Wenn die Herzkönigin tatsächlich so mächtig ist, dann wird der Punkt kommen, wo der Alleinherrscher Grimgoromns ihr fast all seine Truppen entgegengeschickt hat! Und dann, das denkst Du Dir, werden die Tore von Grimgoromn selbst unbewacht sein!“
Häuptling Erûnar schreitet am Feuerlodern vorbei, und bleibt genau vor Til und Atréju stehen. Er stinkt nach Rauch, Blut, und den unergründlichen Gefielden der Unterwelt von Anwyn. In gedämpfter Stimme grollt er Til zu, „Und Du, Kithain, Du hast seit neuestem eine Blutschuld bei meiner Dienerin Brannóin! Wann immer sie es befiehlt, wirst Du Blut vergießen müssen, von jemandem, den sie dafür wählt. … Wir werden uns also im dunklen Herrscherreich wiedersehen, Fremder, noch ehe dieser Krieg, an dem wir uns ergötzen dürfen, vorüber ist!“