Autor Thema: Ist Rollenspieltheorie tot?  (Gelesen 2157 mal)

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Offline ArneBab

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Re: Ist Rollenspieltheorie tot?
« Antwort #50 am: 2.02.2025 | 18:41 »
Ja, weswegen ich mich frage, ob ich das richtig in Erinnerung habe, oder ob das irgendeine Abspaltung war oder ... :think:
Dieser Faden bespricht, was dabei herauskam, nicht wie sie entstanden ist ☺

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Online schneeland

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Re: Ist Rollenspieltheorie tot?
« Antwort #51 am: 2.02.2025 | 18:43 »
Dabei hast du das Kernproblem auf den Punkt gebracht, nämlich, dass Menschen bei reinen Befragungen (z.B. aufgrund sozialer Erwünschtheit oder unbewusster Motive) oft invalide Ergebnisse liefern. Hier wäre vermutlich ein stark verzerrender Faktor, dass eine nicht kleine Gruppe benennen würde, was Leuten beim RPG Spaß machen sollte und nicht, was ihnen selbst wirklich Spaß macht.
Insofern müsste man tatsächlich in der guten Tradition von Gottmann mit Verhaltensbeobachtungen arbeiten und z.B. nonverbale Rückmeldungen systematisch auswerten.
Spätestens an der Stelle wird klar, warum das ein Forschungsprogramm für gelangweilte Multimillionäre ist: Um ein valides Ergebnis zu erzielen, brauchst du geschultes Personal, das über zehntausende Stunden in verschiedensten Rollenspielrunden Daten sammelt. Da sind die zwei-drei Verhaltensforscher, die du natürlich auch bis zum Ende brauchst, fast Peanuts.

So aus dem Bauch würde ich sagen: ganz so schlimm ist es vielleicht nicht, aber ein paar tausend Stunden müssten es vermutlich schon sein, weil man ja selbst im günstigsten Fall ein paar Dutzend Gruppen pro Spieltyp braucht und dann jeweils mindestens mehrere Sitzungen, idealerweise sogar die Verfolgung von ganzen Kampagnen.
Mein Grundgedanke dazu war, dass man mit solchem Material dann eine substantielle Datenbasis für einen Grounded Theory-Ansatz hätte, und damit das Risiko minimiert, dass es durch die o.g. Faktoren, aber auch durch bekannte Kategorisierungen, zu Verzerrungen kommt (das Risiko sehe ich übrigens sowohl auf der Seite der Befragten als auch auf Seite der Forscher, die ja mutmaßlich Eigeninteresse am Thema mitbringen und z.B. mit Law's Gamer Types, dem Big Model oder sowas wie Six Cultures of Play vertraut sind).
Finanzierung bleibt da natürlich weiterhin schwierig. Abseits von amerikanischen Multimilliardären, die nach dem Geldscheffeln ihre philanthropische Ader entdecken und sich vielleicht erinnern, dass sie in ihrer Jugend gern mal D&D gespielt haben, sehe ich maximal die Chance, dass über die Schiene D&D/Rollenspiele & Mental Health bzw. Rollenspiele als Therapieform mal ein Forschungsprogramm gibt. Aber da wäre die Kategorisierung natürlich wieder nur ein Randaspekt.

Mir würde das langen:
Zitat von: flaschengeist
Idealerweise einen möglichst kurzen Fragebogen, der die wesentlichen Präferenzfaktoren im Rollenspiel valide erfasst und mir für jeden dieser Faktoren einen intervallskalierten Score ausspuckt.

Ich würde Dir recht geben, dass ein valide konstruierter Fragebogen schon mal ein deutlicher Schritt nach vorne wäre, aber ich glaube, von dort bis zur echten Nutzbarkeit für Spielleiter (und Spieler) ist es immer noch ein ganzes Stück. Denn wenn ich davon ausgehe, dass sich in der Praxis viele Gruppen aus Mitgliedern formen, deren Präferenzprofile nicht 100% deckungsgleich sind, ergibt sich m.E. unmittelbar die Frage, ob es Unterschiede gibt, was die Spannungen, die sich aus unterschiedlichen Präferenzfaktoren ergeben, angeht. Und darüber hinaus dann auch jene nach möglichen Handlungsanweisungen - "gar nicht miteinander spielen" ist zwar eine mögliche, aber oft vermutlich nicht die bevorzugte Handlungsoption. Insofern wüsste eine Spielgruppe dann vermutlich gern, wie sie mit den Differenzen am besten umgeht. Und Spieldesigner wären wahrscheinlich daran interessiert, ob sich manche Spannungsfelder durch bestimmte Regelgestaltungen einhegen lassen.

In deinem Beispiel ist das tiefere Einarbeiten relativ aufwändig - ich habe für den Schritt von "trust me bro" zu "fundierte Fachinformationen" hohe Opportunitätkosten. Einen Kurzfragebogen als Hilftsmittel zu verwenden hingegen, dauert inklusive Auswertung vielleicht 15 Minuten. Die übliche Session Zero kann auch mal paar Stunden dauern, da finde ich zusätzliche 15 Minuten Aufwand vernachlässigbar - insbesondere in Relation zum Nutzen.

Ja, die zu überbrückende Strecke ist da im Fitness-Beispiel schon größer, aber ich glaube eben nicht (s.o.), dass der Fragebogen allein reicht, sondern es zudem Handlungsempfehlungen und auch ein bisschen Kontext braucht, um Einsicht in die Nützlichkeit eines solchen Vorgehens zu erhalten.
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Offline flaschengeist

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Re: Ist Rollenspieltheorie tot?
« Antwort #52 am: 6.02.2025 | 10:57 »
Mein Grundgedanke dazu war, dass man mit solchem Material dann eine substantielle Datenbasis für einen Grounded Theory-Ansatz hätte, und damit das Risiko minimiert, dass es durch die o.g. Faktoren, aber auch durch bekannte Kategorisierungen, zu Verzerrungen kommt (das Risiko sehe ich übrigens sowohl auf der Seite der Befragten als auch auf Seite der Forscher, die ja mutmaßlich Eigeninteresse am Thema mitbringen und z.B. mit Law's Gamer Types, dem Big Model oder sowas wie Six Cultures of Play vertraut sind).

 :d


Ich würde Dir recht geben, dass ein valide konstruierter Fragebogen schon mal ein deutlicher Schritt nach vorne wäre, aber ich glaube, von dort bis zur echten Nutzbarkeit für Spielleiter (und Spieler) ist es immer noch ein ganzes Stück.

Ich finde, ein valider Fragebogen hilft schon weiter:

1. Ich habe ein Instrument, das mit wenig Zeitaufwand vorhersagt, wie gut Spielstile zueinander passen. In Extremfällen (wohlgemerkt: wenn das Instrument valide ist aber deswegen verbrennen wir ja all das Geld unserer gelangweilten Philantropen ;D) hieße das dann, ich kann mir die Zeit für einen frustrierenden Praxistest sparen. Ist ja auch menschlich nicht vergnügungssteuerpflichtig, mit Menschen gerne spielen zu wollen aber am Tisch festzustellen, dass man miteinander beim RPG keine Freude hat.
Und wo die Präferenzen sich nicht extrem unterscheiden, habe ich direkt Hinweise, was die vielversprechensten Kompromisse sind.

2. Bei Konflikten in laufenden Runden könnte der Fragebogen gleichermaßen effizient helfen, Ursachen festzustellen und auf der Basis ggf. Lösungen (z.B. den besten Kompromiss, s.o.) zu entwickeln.


Denn wenn ich davon ausgehe, dass sich in der Praxis viele Gruppen aus Mitgliedern formen, deren Präferenzprofile nicht 100% deckungsgleich sind, ergibt sich m.E. unmittelbar die Frage, ob es Unterschiede gibt, was die Spannungen, die sich aus unterschiedlichen Präferenzfaktoren ergeben, angeht. Und darüber hinaus dann auch jene nach möglichen Handlungsanweisungen - "gar nicht miteinander spielen" ist zwar eine mögliche, aber oft vermutlich nicht die bevorzugte Handlungsoption. Insofern wüsste eine Spielgruppe dann vermutlich gern, wie sie mit den Differenzen am besten umgeht. Und Spieldesigner wären wahrscheinlich daran interessiert, ob sich manche Spannungsfelder durch bestimmte Regelgestaltungen einhegen lassen..

Weitere spannende Themen, um mehr Geld zu verbrennen ;D.
Perfektion ist nicht dann erreicht, wenn es nichts mehr hinzuzufügen gibt, sondern dann, wenn man nichts mehr weglassen kann (frei nach Antoine de Saint-Exupéry). Ein Satz, der auch für Rollenspielentwickler hilfreich ist :).
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Offline Taktikus

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Re: Ist Rollenspieltheorie tot?
« Antwort #53 am: 7.02.2025 | 07:56 »
Wenn eine hinreichend große Menge Personen solch einen validen Fragebogen beantwortet und die Ergebnisse in eine Datenbank gegeben werden kann ich mithilfe dieser Datenbank sehr viel einfacher Leute finden, die meinen Spielstil bevorzugen (Player-Tinder = Plinder?).

Das heisst aber nicht, daß ich Taktikus mit denen spielen will. Ein ordentlicher Anteil Spass in den Gruppen in denen ich spiele entsteht dadurch, dass eben nicht jeder einen hinterhältigen unendlich geduldigen Dieb im Schatten spielt, der am liebsten überhaupt nicht gesehen wird, sondern eben auch den durchgeknallten Alchemisten, der immer nur Untote beherrschen will, obwohl garkein Nekromant ist.

Über einen Fragebogen bekomme ich nicht raus, mit wem mir das spielen Spass macht, sondern nur, wer so ist wie ich (oder so spielt wie ich). Für mich entstehen die tollen Gruppen nur durch ausprobieren, und da gibt es dann eben auch viel Crap, beim ausprobieren.
Veni, Vidi, Vomiti

Ich kam, ich sah, ich übergab mich

Offline flaschengeist

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Re: Ist Rollenspieltheorie tot?
« Antwort #54 am: 7.02.2025 | 09:41 »
Über einen Fragebogen bekomme ich nicht allein raus, mit wem mir das spielen Spass macht, sondern nur, wer so ist wie ich (oder so spielt wie ich).

So modifiziert kann ich das unterschreiben. Ähnliche Präferenzen sind für den Spielspaß wichtig aber sie beileibe sind nicht der einzige wichtige Faktor.
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