Autor Thema: Jenseits von Attribut(sbonus)+Skillstufe - "Kampfmechaniken" für Nicht-Kampf  (Gelesen 1529 mal)

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Online Galatea

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Viele 'traditionellere' Systeme, allen voran D&D, zeichnen sich ja dadurch aus, dass Mechaniken, die das Kämpfen betreffen oder mit Kampf in Verbindung stehen (z.B. ein Großteil der Magieregeln und Zaubersprüche) einen sehr großen Teil des Regelwerks einnehmen - sogar Lodland, das sich als pazifistisches Rollenspiel versteht und sich mehrfach explizit gegen jede Form von Gewaltanwendung (jenseits Verteidigung) durch die Spielercharaktere ausspricht, verwendet ungefähr ein Drittel (5 von 13 Seiten) seines Grundmechanikkapitels für Regeln, die ausschließlich für den Kampf relevant sind.

Das hat vielfältige Auswirkungen, u.a. dass man "broken builds" in solchen RPGs nahezu ausschließlich im Kontext Kampf findet, weil der Rest des Regelsystems (von einigen magischen Schweinereien mal abgesehen) oft schlicht nicht genug Tiefe bietet, um dort was mechanisch interessantes zusammenzuschrauben.

Klar kann man auch D&D (und ähnliche Systeme) als nicht kampffokusierte Gruppe spielen, aber dann bleiben einem regelmechanisch in den allermeisten Fällen nur einfache Skillchecks der Sorte "Fertigkeitsstufe+Attributsbonus auf einem W20" zur Konfliktlösung übrig, auf die man jetzt auch nicht wirklich viel Einfluss hat.

Pathfinder2, hat (durchaus interessante) Subsysteme, über die man in designten Encounters schrittweise 'Investigation Points', 'Infiltration Points' oder 'Research Points' generieren kann, um als Endziel z.B. an eine wichtige Information zu kommen, bietet aber mechanisch letztlich auch wenig mehr als eine Aneinanderreihung von einfachen Skillchecks um besagte Punkte zu sammeln.

Da ich gerade selbst an etwas in dieser Richtung bastle, möchte ich an dieser Stelle mal fragen, was es denn da draußen an RPG-Systemen gibt, die für Nicht-Kampf-Situationen Konfliktlösungsmechaniken besitzen, die über "Attribut (oder Attributsbonus) + Fertigkeit gegen Zielwert" hinausgehen und vom Detail-/Komplexitätsgrad eher Mechaniken ähneln, die man typischerweise in einem Regelabschnitt über Kampf verorten würde und wie diese Mechaniken aussehen (und auch wenn die Fragestellung sich jetzt nicht unbedingt auf Erzählrollenspiele bezieht, die überhaupt keine Regeln spezifisch für Kampf haben, ist auch Input aus dieser Richtung gerne willkommen).
« Letzte Änderung: 6.02.2025 | 21:36 von Galatea »
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Offline fivebucks

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In Exalted gibt es Mechaniken u. a. für social combat und craft.

Offline kizdiank

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Blades in the Dark hat kein besonderes Kampfsystem (Kampf ist auf einen Skill Check reduziert), dafür aber ein System für den Score (z.B. ein Einbruch, ein Attentat, oder sowas). Grob beschrieben funktioniert das mit verschieden Clocks um Fortschritt und Alarmzustand zu tracken, eskalierenden Herausforderungsstufen und der Möglichkeit für Stresspunkte über Flasbacks Lösungen zu schaffen.

Offline Hotzenplot

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Ich hatte mir vor Jahren ähnliche Fragen gestellt und mich u. a. von Burning Wheel und dem Game of Thrones Rollenspiel inspirieren lassen in Bezug auf soziale Konflikte. Insbesondere Burning Wheel macht den sozialen Konflikt sehr besonders. Es ist nicht gerade regelleicht, wobei mir @Zarkov (Empfehlung, ihn auf BW anzusprechen ;)) neulich erzählte, dass es im Spiel relativ gut von der Hand ginge. Ich habe es leider selbst nie gespielt.
Wenn du Zugriff auf BW hast, ist es aber eine tolle Inspirationsquelle, wie man soziale Konflikte in einem Spiel angehen kann und überhaupt erst die Charaktere mit Beliefs, Instincts und Traits aufstellt.

Rollenspieltheoretisch ist m. E. zu beachten, dass die Behandlung und der Ausgang eines sozialen Konfliktes in der Spielerschaft unter Umständen kritischer betrachtet wird als der detailreiche Blick auf ein zotiges Prügelfest mit der Goblinbande.
Ein sozialer Konflikt zu Ungunsten eines Charakters führt schneller zu Unwohlsein des Spielers als wenn dem Charakter ins Knie geschossen wird. Gerade wenn wir uns vorstellen, dass es um die Verführung oder Erniedrigung einer Person geht. Da wird es schnell heikel am Spieltisch.

Offline YY

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und wie diese Mechaniken aussehen

Am Einfachsten sind sicher die Ansätze wie bei Fate, wo schlicht alles mit der selben Mechanik behandelt wird.


Wenn man tatsächlich spezialisierte Subsysteme aufziehen will, braucht es interessante und relevante Entscheidungspunkte; da hakt es i.d.R. bei "Skill Challenge"-Ansätzen, die lediglich stumpfes Runterwürfeln beinhalten.

Konkret für soziale Konflikte stelle ich jetzt einfach mal die steile Behauptung auf, dass ein spezialisiertes und auf das Thema bezogenes Regelmodul folgendes Problem hätte:
Man muss die Ausgangslage und die Rahmenbedingungen immer auf den Einzelfall zuschneiden und daher lohnt es sich nicht, das an der Stelle schon in Regelmechanik zu gießen. Der SL muss sowieso immer noch feinjustieren und dann kann man es auch gleich frei Schnauze machen.

Da würde sich eher ein kleiner Leitfaden lohnen, wie man genau diese Einschätzungen strukturiert vornimmt, aber das lohnt sich auch wieder nur da, wo man auf den Simulationsaspekt Wert legt.
"Kannst du dann bitte mal kurz beschreiben, wie man deiner Meinung bzw. der offiziellen Auslegung nach laut GE korrekt verdurstet?"
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Offline KhornedBeef

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Warhammer FRP3 hat auch einen eher generischen Probenansatz, bei dem soziale Konflikte ähnlich komplex wie Kämpfe sein können. Vermultich kürzer und seltener, wenn man die meisten Abenteuer zugrunde legt, aber nicht sehr.
Und ja, Fate fiel mir auch als erstes ein.
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Offline Vanakalion

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Bipolare Persönlichkeitseigenschaften, Ambivalenzkonflikt- und Wettstreitmechanismen hatte bereits Greg Stafford 1985 mit Pendragon eingeführt. Allerdings waren diese auf 12 Eigenschaftspaare rund um die Todsünden heruntergedampft. Es dürfte wenig Mühe bereiten, diese aufs BigFive-Modell auszudehnen.
« Letzte Änderung: 9.02.2025 | 10:27 von Vanakalion »
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Offline flaschengeist

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Warhammer FRP3 hat auch einen eher generischen Probenansatz, bei dem soziale Konflikte ähnlich komplex wie Kämpfe sein können. Vermultich kürzer und seltener, wenn man die meisten Abenteuer zugrunde legt, aber nicht sehr.
Und ja, Fate fiel mir auch als erstes ein.

Cortex Prime hat ebenfalls eine Mechanik für alles (kostenlos z.B. hier verfügbar).


Konkret für soziale Konflikte stelle ich jetzt einfach mal die steile Behauptung auf, dass ein spezialisiertes und auf das Thema bezogenes Regelmodul folgendes Problem hätte:
Man muss die Ausgangslage und die Rahmenbedingungen immer auf den Einzelfall zuschneiden und daher lohnt es sich nicht, das an der Stelle schon in Regelmechanik zu gießen. Der SL muss sowieso immer noch feinjustieren und dann kann man es auch gleich frei Schnauze machen.

Da würde sich eher ein kleiner Leitfaden lohnen, wie man genau diese Einschätzungen strukturiert vornimmt, aber das lohnt sich auch wieder nur da, wo man auf den Simulationsaspekt Wert legt.

Das Problem sehe ich auch. Zudem finde ich am Rollenspiel eben das Nebeneinander verschiedenster Elemente in ein und demselben Spiel so reizvoll. Z.B. eine lange Szene mehr oder weniger regelfreies Charakterspiel, gefolgt von einem fesselnden taktischen Kampf, der sich mit dem richtigen Regelsystem nicht hinter guten Brettspielen verstecken muss. Und anders als beim Brettspiel hänge ich an meinem Charakter, was zusätzlichen Kick bringt.
Kurzum: Kampf als eigenes Minigame ist für mich nicht bug sondern feature. Dessen ungeachtet kann natürlich für Angriffe der gleiche Grundmechanismus verwendet werden wie für andere (Fertigkeits-)Proben.
Perfektion ist nicht dann erreicht, wenn es nichts mehr hinzuzufügen gibt, sondern dann, wenn man nichts mehr weglassen kann (frei nach Antoine de Saint-Exupéry). Ein Satz, der auch für Rollenspielentwickler hilfreich ist :).
Hier findet ihr mein mittel-crunchiges Rollenspiel-Baby, das nach dieser Philosophie entstanden ist, zum kostenfreien Download: https://duodecem.de/

Offline Doc-Byte

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Also, grundsätzlich hängt natürlich erstmal viel vom Genre des Settings ab. Je technologischer eine Welt ist, umso mehr potentielle "Subsysteme" kann es geben. Bis hin zu den ersten Shadowrun Editionen, wo der Rest der Gruppe entspannt Pizza essen gehen konnte, sobald sicher der Decker einloggt. - Auch nicht gerade optimal. wtf?

Persönlich denke ich inzwischen, dass ein Regelwerk durchaus verschiedene Bereiche von "Aktivitäten" mit passenden Regeln abdecken darf bzw. sogar sollte, diese Regeln so weit wie möglich aber einem gemeinsammen Grundmechanismus folgen sollten. Als Beispiel kannn ich jetzt mal wieder das Match-System von equinox anführen, wo physische und soziale Konflikte im Prinzip nach identischen Mechanismen behandelt werden (können), das dabei aber trotzdem eine gewisse Eigenständigkeit der Subsysteme wahrt. - Ich konnte dem System sogar ziemlich leicht ein weiteres Subsystem hinzufügen, was ich "technische Konflikte" nenne. Und ich bin der Ansicht, dass man diesem Regelwerk auch relativ leicht ein Shadowrun-artiges Hacking System hinzufügen könnte, was nach den gleichen Grundmechanismen des restlichen Regelwerk arbeiten könnte, sich aber trotzdem eigenständig anfühlen würde.

Ansonsten gibt es halt viele verschiedene Regelwerke und Settings, die damit abgedeckt werden. Um bei Shadowrun zu bleiben; da kann ich auf so ziemlich jedem Gebiet Charaktere bauen, die die Regeln bis kurz vorm Zerbrechen verbiegen, wenn ich es drauf anlege. Egal ob Kämpfer, Magier, Hacker oder "soziale" Charaktere. - Und dann gibt es Systeme wie DSA 4(.1), wo man mit allen Mitteln versucht hat, die Lebensdauer der Edition in die Länge zu ziehen und Regeln für so ziemlich jede erdenkliche Situation entworfen hat, um noch ein paar Bücher mehr produzieren zu können. ~;D

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Offline Olibino

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Ironsworn unterscheidet zwischen einfachen Proben und komplexeren Zielen für die man mehrere Proben benötigt. Beispiele für komplexere Ziele sind einen Gegner bekämpfen, eine Reise, einen Abenteuerort erkunden. Diese komplexeren Ziele werden alle mit einem vergleichbaren Mechanismus abgebildet.

Online nobody@home

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Und ja, Fate fiel mir auch als erstes ein.

Zumal Fate seit Core ja auch ausdrücklich mehrere Abwicklungsansätze schon in den Grundregeln vorsieht -- wo mir insbesondere als SL also einmal würfeln zu wenig und ein komplett abzuwickelnder Konflikt zu viel ist, kann ich die Situation vielleicht statt dessen als Herausforderung oder Wettstreit abhandeln. (Speziell den letzteren schlägt dann ja auch Fate Core für die Anwendung sozialer Fertigkeiten gegen "wichtigere" NSC direkt vor.)

Offline Colgrevance

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Das Infinity-Rollenspiel von Modiphius hat eigene Subsysteme für "Hacking" und soziale Interaktionen (die hier von Überredungsversuchen zwischen Einzelpersonen bis zu planetenweiten Propagandakampagnen ein breites Spektrum abdecken), die jeweils sehr ähnlich dem Kampfsystem funktionieren, d. h. Initiative, eigene Talente und "Bewegung"/Positionierung - im sozialen Bereich natürlich mehr oder weniger stark abstrahiert - spielen eine Rolle und bieten somit Raum für mehr oder weniger kleinteilige Entscheidungen und Charakterentwicklungsoptionen.

Das 2d20-Rollenspiel zu Dune macht es ähnlich, ist dabei allerdings deutlich abstrakter und bietet daher weniger Optionen.

Offline Haukrinn

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Diaspora hat für soziale Konflikte Minigames, die faktisch wie ein Kampf ablaufen können.

PDQ# macht sich gar nicht die Mühe, dass alles voneinander abzugrenzen. Die Duellregeln gehen zwar in den Beispielen erst einmal von Fechten aus, aber anwendbar sind sie auf alles.

The Expanse hat passende Regeln für Investigation und soziale Auseinandersetzungen.

D&D4 hatten (mit dem DMG2) eigentlich ganz brauchbare Regeln für Skill Challenges.


---


Bei D&D-igem (egal ob OSR oder D&D5) finde ich das deutlich schwieriger. Es ist ja nicht nur so, dass die Regeln sich da vor allem um Exploration und Kampf drehen, die Charakterwerte geben da auch gar nichts anderes her. Attribute und Skills sind abseits des Kampfes einfach viel zu unwichtig, ein spannendes Skillmonster, das im Kampf nichts nutzt, macht da keinen Sinn. Dass das nicht so sein muss, zeigt eigentlich AGE ganz gut, dass ja auch bedingt D&D-ig. Da kann ein Charakter mit sehr viel Communication aber schlechten Kampfwerten auch im physischen Konflikt noch richtig was reißen - auch dank Social Stunts. Erst recht, wenn man die passenden Talente (also Feats in D&D) wählt.
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Offline ArneBab

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Ich versuche mit dem diesjährigen Beitrag zum GRT erstmal die grundlegende Frage anzugehen, was denn Grenzen sozialer Kämpfe sein können.

Um das nicht zu wiederholen: er steht im Thread "Ist Rollenspieltheorie tot": https://www.tanelorn.net/index.php/topic,129814.msg135262167.html#msg135262167

Dass wir in sozialen Situationen viel weniger klar wissen, was eigentlich plausibel ist, als im Kampf, sehe ich als grundlegendes Hindernis für komplexe Sozial-Regeln.
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Online Galatea

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Also um die Eingangsfrage mal etwas zu präzisieren, mich interessieren v.a. Mechaniken, die dem Spieler mehr Kontrolle über seine Handlungen geben, eine Abwägung von Risiko vs Gewinn ermöglichen.
Deshalb fand ich die PF2-Subsystem-Mechaniken zwar grundsätzlich interessant, aber letztlich waren auch die nur eine Aneinanderreihung von Skillchecks, bei denen die Spieler keine echte Kontrolle über ihre Aktionen hatten. Man würfelt halt und schaut was rauskommt, eine Möglichkeit vorsichtiger oder radikaler vorzugehen gibt es nicht.

Cortex Prime mit seinem PP-Gummipunkt-Trading-System sieht in der Hinsicht schonmal sehr interessant aus (hatte noch nicht die Zeit mich tiefer einzulesen), an Equinox versuche ich gerade ranzukommen.
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Deshalb fand ich die PF2-Subsystem-Mechaniken zwar grundsätzlich interessant, aber letztlich waren auch die nur eine Aneinanderreihung von Skillchecks, bei denen die Spieler keine echte Kontrolle über ihre Aktionen hatten. Man würfelt halt und schaut was rauskommt, eine Möglichkeit vorsichtiger oder radikaler vorzugehen gibt es nicht.
Das verstehe ich jetzt nicht, warum sollten die Spieler keine Kontrolle haben? Gerade die Spieler durch ihre Beschreibung entscheiden, wie stark die Skillchecks modifiziert werden sollen.

Bei dem tschechischen Spiel Dračí doupě 2 wird alles in unmögliche, anstrengende, mögliche und selbstverständliche Aktionen, Konflikte unterteilt. Egal, ob es sich um Kampf, Sozialen Konflikt, Magie oder sonstwas handelt. Einen König beim Mittagessen zu überzeugen, seine Krone abzugeben ist eine unmögliche Aktion. Die Sache sieht aber anders aus, wenn man die Wachen bekämpft hat, mit einem blutigen Schwert in seinem Schlafzimmer steht und noch droht, seine geliebte Tochter, die man entführt hat, hinzurichten. Dann ist plötzlich die Aktion nicht mehr unmöglich, sondern eher anstrengend. Und danach werden dann die Proben gewürfelt. Denn bei unmöglichen und selbstverständliche nwird nicht gewürfelt, die schlagen entweder fehl oder werden automatisch geschafft. Und da man in dem Spiel (solange man die entsprechenden Ressourcen hat) auch misslungene Würfe von "nicht geschafft" zu "geschafft, aber mit Problem" quasi kaufen kann, ergibt es ähnliche Dynamik wie bei den Kämpfen bei z.B. D&D.
Ich bin der letzte Schrei der Evolution, als sie mich erschaffen hatte, schrie sie: "Oh Gott, was habe ich denn gemacht?!"

Online Galatea

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Das verstehe ich jetzt nicht, warum sollten die Spieler keine Kontrolle haben? Gerade die Spieler durch ihre Beschreibung entscheiden, wie stark die Skillchecks modifiziert werden sollen.
Das bringt in diesem Fall aber nichts.
Man löst automatisch ein Ereignis aus, wenn man eine bestimmte Menge RP angesammelt hat - egal, ob man sich vorsichtig oder wie der letzte Trampel verhält.
Es gibt keine Möglichkeit ein Ereignis (oder einen Encounter) nicht auszulösen oder zu überspringen. Mit besseren Wurfergebnissen arbeitet man das ganze einfach nur schneller ab.
https://2e.aonprd.com/Rules.aspx?ID=1205&NoRedirect=1
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Offline Doc-Byte

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Man würfelt halt und schaut was rauskommt, eine Möglichkeit vorsichtiger oder radikaler vorzugehen gibt es nicht.

Cortex Prime mit seinem PP-Gummipunkt-Trading-System sieht in der Hinsicht schonmal sehr interessant aus (hatte noch nicht die Zeit mich tiefer einzulesen), an Equinox versuche ich gerade ranzukommen.

Du meinst so was in der Art? :think:

Zitat
Risiko und Vorsicht

Manchmal müssen die Charaktere in einer Szene besonders vorsichtig sein (zum Beispiel wenn sie eine Bombe
entschärfen) oder etwas sofort erledigen, koste es, was es wolle. In diesen Fällen kommen Risiko und Vorsicht
ins Spiel.

Wenn der Charakter ein Risiko eingeht, erhöht der Spieler die Größe aller Pasche und Patzer um eins. Ein
höheres Risiko bedeutet immer, dass der Test höhere Pasche hervorbringt, führt aber auch dazu, dass Patzer
häufiger und schlimmer sind – man geht bis zum Ende, aber manchmal kann man auch zu weit gehen.

Vorsicht walten lassen bedeutet hingegen, dass der Spieler die Größe aller Pasche und Patzer um eins
senkt. Vorsicht führt immer zu kleineren (oder keinen) Paschen, aber dafür gibt es auch eine kleinere Chance
auf Patzer – du hältst dich zurück und bist sicherer, kannst aber auch nichts Herausragendes erreichen.

Das stammt aus dem Match-System von equinox. - Warte mal, hat Dammi das eBook ernsthaft auf 28 (US) Cent gesetzt?!? :o Ja gut, da kann ich ja echt nur jedem Systembastler, der D6 Pools mit leicht Fate-igem Einschlag mag, den Kauf ans Herz legen. Alternativ / ergänzend gäbe es hier noch meine an Star Reeves angepassete Version des Match-Systems als freien Download, aber als Ergänzung und von meiner Seite her auch Fairness würde ich für Systembastler immer den Kauf des equinox Regel-Handbuchs (dazu) empfehlen. :)


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Offline Runenstahl

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Klar kann man auch D&D (und ähnliche Systeme) als nicht kampffokusierte Gruppe spielen, aber dann bleiben einem regelmechanisch in den allermeisten Fällen nur einfache Skillchecks der Sorte "Fertigkeitsstufe+Attributsbonus auf einem W20" zur Konfliktlösung übrig, auf die man jetzt auch nicht wirklich viel Einfluss hat.

D&D 5e handhabt das so das Gesprächspartner eine Einstellung haben (Feindlich, Neutral, Freundlich). Je nachdem welche Argumente man bringt und welche Charaktereigenschaften des NPCs man anspricht kann man diese Einstellung (zumindest für das Gespräch) verschieben was massiven Einfluß auf das Ergebnis hat. Der Ausgespielte Teil beeinflußt also massiv was man mit der Fertigkeitsprobe überhaupt erreichen kann was mMn ein ziemlich gute Mischung aus Rollenspiel und Werten bedeutet.

Burning Wheel wurde ja schon genannt. Das System hat quasi ein Kampfartiges Minisystem für soziale Encounter. Ich kann da aber auch nicht viel zu sagen außer das ich es nie gespielt habe und es beim lesen erstmal eher Abschreckend kompliziert auf mich wirkte.

Davon ab, warum sollte es schwieriger sein ein Gespräch in eine Regelform zu gießen als eine Kampfbegegnung ?

Dass wir in sozialen Situationen viel weniger klar wissen, was eigentlich plausibel ist, als im Kampf, sehe ich als grundlegendes Hindernis für komplexe Sozial-Regeln.

Vielleicht verstehe ich diese Aussage auch nur nicht richtig.

In sozialen Situationen wissen wir in der Regel was wir wollen und haben zumindest eine grobe Ahnung davon was der andere will. Man kennt außerdem die eigenen Fähigkeiten und kann vermutlich auch grob Einschätzen welche Fähigkeiten der Gegner hat. Sprich: Der dumpfe Oger wird vermutlich nicht so gut im Verhandeln sein (oder darin unsere Lügen zu durchschauen) wie der Anführer einer Diebesgilde oder ein Diplomat des Königreiches.

Ist das jetzt soviel anders als im Kampf ? Hier wissen wir eigentlich auch nicht genau welche Fähigkeiten bzw wie stark die Gegner sind und können nur anhand der Beschreibung ungefähre Schätzungen machen (die 3 Typen links wurden vom SL als schlecht ausgerüstete Stadtwachen beschrieben, die sind vermutlich ungefährlich, die Dame zur rechten hingegen in der schwerer Rüstung mit dem Siegel des Höllenfürsten ist womöglich ein Champion, dunkler Paladin oder eine Priesterin/Kultistin... die ist bestimmt gefährlicher und kann vielleicht auch zaubern).

Oder meint ihr mit "Plausibel" die möglichen Ergebnisse die man hier erreichen kann ? Die kann man ja nach und nach im Gespräch herausfinden. Wie weit könnte der Händler überhaupt mit dem Preis runtergehen ohne Verlust zu machen ? Oder gibt es Hebel die man anwenden könnte um ihn dazu zu bringen zu akzeptieren das er sogar Verlust macht ?
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Offline Arldwulf

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Skillchallenges der 4e eignen sich eigentlich sehr gut für dieses Thema, es ist einfach ein ungemein flexibles Rahmenwerk.

Hier mal ein Thread mit ein paar Spielbeispielen:

https://www.tanelorn.net/index.php/topic,122457.0.html

Wichtig ist aber: mit der eigentlichen Mechanik erreicht man nur den halben Weg, neben dieser sind auch andere Themen wichtig, wie beispielsweise die Aufrechterhaltung nichtmagischer Wege auch auf höheren Stufen, Förderung von Teamarbeit oder die Einbringung alternativer Lösungsansätze.

Und vor allem eine verstärkte Einbindung von Nichtkampfsituationen ins Spiel ist wichtig. Diese genauso mit Erfahrungspunkten und sonstigen Belohnungen zu bedenken wie Kämpfe und sie möglichst gleichberechtigt ins Spiel einzubringen.
« Letzte Änderung: 9.02.2025 | 16:08 von Arldwulf »

Offline tanolov

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Oder meint ihr mit "Plausibel" die möglichen Ergebnisse die man hier erreichen kann ? Die kann man ja nach und nach im Gespräch herausfinden. Wie weit könnte der Händler überhaupt mit dem Preis runtergehen ohne Verlust zu machen ? Oder gibt es Hebel die man anwenden könnte um ihn dazu zu bringen zu akzeptieren das er sogar Verlust macht ?

Jo der ergebnisraum des möglichen ist bei sozialen Konflikten überhaupt nicht klar, ist auch den Beteiligten Parteien überhaupt nicht bekannt.
Ein guter Verkäufer verkauft dir halt Sand in der Wüste den du 0,0 brauchst, vor dem verkaufsgespräch nicht brauchst und 10min nach dem kauf direkt beräust. Wenn man das verregelt fühlt sich das oft einfach wie mind control zeug und generell übergriffig an.


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Jo der ergebnisraum des möglichen ist bei sozialen Konflikten überhaupt nicht klar, ist auch den Beteiligten Parteien überhaupt nicht bekannt.
Ein guter Verkäufer verkauft dir halt Sand in der Wüste den du 0,0 brauchst, vor dem verkaufsgespräch nicht brauchst und 10min nach dem kauf direkt beräust. Wenn man das verregelt fühlt sich das oft einfach wie mind control zeug und generell übergriffig an.

Hinzu kommt gegebenenfalls noch der alte Dunning-Kruger-Effekt: die eigene Einschätzung, wie kompetent man eigentlich ist, kann auch und gerade in so "alltäglichen" und "selbstverständlichen" Dingen wie sozialen Interaktionen recht drastisch von der Realität abweichen. So -- und jetzt überzeuge bitte jemand anderen am Tisch davon, daß in so einer Situation die gewählten Regeln den Verlauf der Dinge in der Spielwelt tatsächlich besser abbilden, als seine "bloße" Intuition es tut... >;D

Offline ArneBab

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So -- und jetzt überzeuge bitte jemand anderen am Tisch davon, daß in so einer Situation die gewählten Regeln den Verlauf der Dinge in der Spielwelt tatsächlich besser abbilden, als seine "bloße" Intuition es tut... >;D
Meine Intuition dazu habe ich vor etwa 20 Jahren in die Tonne getreten, als meine Tante (Sozialarbeiterin im Tagestreff für obdachlose Frauen) mit mir in den Bahnhof gegangen ist und ich keine zehn Minuten später mit einer Studentenkarte wieder rausgegangen bin, obwohl mein Studium erst zwei Monate später wieder anfing.

Das Gespräch hätte ich damals aufnehmen sollen, ich habe nämlich keine Ahnung, wie sie das gemacht hat. Seitdem nehme ich soziale Fertigkeiten deutlich ernster.

Vor zwei Jahren habe ich meiner Frau dann gesagt „Ich habe gerade realisiert, dass Leute morgens so viel über ihre Kleidung nachdenken, weil sie damit Boni für ihre Sozialwürfe bekommen!“ — das Ergebnis war ein sehr seltsamer Blick und „merkst du das erst jetzt?“ ☺

(was ich eigentlich erst da realisiert habe ist, dass viele Leute bei der Arbeit ständig „auf soziale Interaktion würfeln“, also in regelmäßigen Wettstreiten mit anderen sind — „die wollen nicht einfach nur ihre Arbeit machen? Und wieso sollte ich einen Sozialwurf machen, wenn ich doch faktisch zeigen kann, dass ich Recht habe?“ ← weil der bessere Sozialwurf trotzdem eher überzeugt  :'( )

Wir wissen nicht, was möglich ist, und wir wissen schon gar nicht, wie hoch die Werte bestimmter Leute sind. Wie würden wir z.B. so ein „leiht sich einen Anzug und lebt dann Jahrelang auf Pump in der High Society“ abbilden? Das es in der Realität ja gab. Da müssten die sozialen Fähigkeiten und die Boni durch Kleidung, Stilanpassung, usw. so hoch sein, dass über Jahre hinweg keine größeren Fehler passiert sind.
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Online Skaeg

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Meine Intuition dazu habe ich vor etwa 20 Jahren in die Tonne getreten, als meine Tante (Sozialarbeiterin im Tagestreff für obdachlose Frauen) mit mir in den Bahnhof gegangen ist und ich keine zehn Minuten später mit einer Studentenkarte wieder rausgegangen bin, obwohl mein Studium erst zwei Monate später wieder anfing.
Ist halt 20 Jahre her und Erinnerungen von vor 20 Jahren sind mehr Fantasie als Abbildung vergangener Realität. Das ist der Zeitraum, in dem sich Leute bereits andauernd an Sachen erinnern, die objektiv nachweisbar nicht stattgefunden haben.
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Offline Runenstahl

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Wir wissen nicht, was möglich ist, und wir wissen schon gar nicht, wie hoch die Werte bestimmter Leute sind. Wie würden wir z.B. so ein „leiht sich einen Anzug und lebt dann Jahrelang auf Pump in der High Society“ abbilden? Das es in der Realität ja gab. Da müssten die sozialen Fähigkeiten und die Boni durch Kleidung, Stilanpassung, usw. so hoch sein, dass über Jahre hinweg keine größeren Fehler passiert sind.

Je nach Rollenspielsystem ist es ja aber so das man, (zumindest im RP) meist auch in Gebieten in denen man übermenschlicher Profi ist, immer noch eine Fehlschlagchance hat. Ja klar, auch im echten Leben können Meistern ihres Faches dumme Fehler passieren... aber diese Chance ist mMn deutlich geringer als die Patzerchance in RPs (egal ob die nun 1 % oder 5 % beträgt). Ich hoffe jedenfalls das die Rate kritischer Patzer beim Arzt meines Vertrauens geringer ist :)

Insofern liegt es in der Natur der Sache das man (mit den meisten Systemen) sowas nicht abbilden kann. Und wie bemißt man überhaupt Spielwerte ? Woran macht man den Angriffswurf eines Schwertkämpfers fest ? Ich verstehe ja eure Argumente so das man soziale Fähigkeiten nicht in Werte gießen kann weil die schlecht Abschätzbar sind... aber das betrifft viele andere Werte auch die wir seit jeher schon problemlos festlegen. Ich sehe da kein echtes Hindernis. Man muss es nur wollen und akzeptieren das die Spielwelt nicht unbedingt der Realität entspricht.
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