Ich teile tatsächlich die Ansicht von Feuersänger nicht.
Zum einen werden offizielle Settings nicht nur für eine Spielgruppe, sondern viele Spielgruppen geschrieben. Der Zweck von Geheimnissen besteht nicht darin, sie auf Dauer vor Spielern zu verbergen, sondern Spielern die Möglichkeit zu geben, sie zu entdecken und den Spielleitern dadurch Mittel zur Spielgestaltung an die Hand zu geben, ohne dass sie sich etwas eigenes ausdenken müssen. Ein Geheimnis ist wie ein Geschenkpaket: Man sieht, was es ist, aber nicht, was drin ist. Manchmal wird auch das Paket gar nicht als solches erkannt:
Im DSA-Kosmos gibt es z. B. die Gottheit Arcan'Zin, die in der Spielwelt Tharun die höchste der Gottheiten darstellt. Die tharunische Sprache unterscheidet sich von denen der anderen Spielwelten Aventurien und Myranor fundamental. Sowohl alt-aventurische als auch alt-myranische Sprachen kennen jedoch das Wort "arcan", so dass ein findiger Spieler, dessen aventuririschen Charakter es nach Tharun verschlägt, eine Frage stellen könnte, ungefähr: "Warum trägt diese Gottheit in dieser mir völlig fremden Welt einen Bestandteil in seinem Namen, den ich auch aus meiner Welt kenne?"
D. h. zu einem guten Geheimnis gehören vor allem Entdeckung und Explikation des Geheimnisses durch eine Frage, die nicht unmittelbar beantwortet werden kann (analog zu anderen Bereichen menschlicher Erkenntnis könnte man hier davon sprechen, dass ein schlecht definiertes Problem ("Ill-defined") in ein Problem überführt wird, dessen Explikation im Idealfall weitere Handlungsansätze für eine Spurensuche bereitstellt. Das heißt nicht, dass die Definition des Problems final sein muss. (Anm.: Ein Problem ist dann schlecht definiert, wenn man nicht benennen kann, was eigentlich das Problem ist. 2017 erkannte z. B. der damalige US-Präsident Donald Trump, dass der Hurricane Irma eine Gefahr und ein Problem darstellt, was jedoch nicht weiter von ihm ausgeführt worden ist; er beschränkte sich mit der ihm eigenen Scharfsinnigkeit auf die Feststellung "this is not good.")
Die offiziellen DSA-Publikationen greifen den oben geschilderten Zusammenhang nicht auf, so dass es sich hier um ein "echtes" Geheimnis handelt.
Geheimnisse aller Art, die Teil offizieller Publikationen einer Spielwelt sind, haben heute natürlich ein sehr großes Problem, das vor allem auf die Verfügbarkeit des Internets zurückzuführen ist:
Ihre Halbwertzeit ist einfach gegenüber den 70er oder 80er oder auch den frühen 90er Jahren deutlich gesunken, weil Interessierte sowohl vom Geheimnis als auch seiner "Lüftung" erfahren können, ohne die Publikation gelesen zu haben, einfach, weil sich in Foren darüber ausgetauscht wird. Einschlägige Wikis sind daher ein zweischneidiges Schwert, unbestreitbar toll für Autoren, aber nicht unbedingt toll für Spieler.
Aber auch so können Geheimnisse natürlich nur einmal von den selben Spielern entdeckt werden, danach ist es ihnen bekannt. Das ist aber nicht neu; bereits 1994 nannte Hadmar von Wieser in seinem Abenteuer "Krieg der Magier" die "Einmaligkeit der Ereignisse und des noch nie dagewesenen". Aber im Spiel geht es eben auch Spielern darum, einmalige Sachen zu erleben; die Qualität des Erlebnisses wird ja dadurch, dass es einmalig ist, nicht gemindert, sondern erhöht.
Der zweite Punkt von Feuersänger ist empirisch nicht valide. Millionen von Kinogängern haben sich seinerzeit den Herrn der Ringe angesehen, obwohl sie wussten, wie der Film ausgeht. Und es gibt auch heute noch DSA-Spieler, die die Borbaradkampagne spielen, obwohl sie wissen, wie die Geschichte ausgeht. Im Vorwort des Abenteuers "In den Höhlen des Seeogers" bedankte sich der Autor Ulrich Kiesow bei seinen Testspielern u. a. dafür, dass sie "einem alten Spielleiter die Freude machten, in seine urältesten Fallen hineinzutappen." D. h. möglicherweise, dass es Spieler gibt, die sehr wohl zwischen Spieler- und Charakterwissen trennen können und Spaß an der Darstellung ihres Charakters haben, wobei ihnen das Spielerwissen helfen kann, denn es ermöglicht den Spielern bewusste Entscheidungen.