Ich bin mir aber relativ sicher, dass auch interaktionsfreudige Spieler nicht die komplette Aushandlung eines Handelsvertrags ausspielen wollen.
D&D (und die meisten anderen Systeme) hat im Kern auch kein System für Massenkampfregeln, was das Äquivalent zur Aushandlung eines Handelsvertrags werde. Hier werden meiner Meinung nach einfach Äpfel mit Birnen verglichen.
Die erweiterten Regeln für die Sozialen Konflikte finden sich in SL-Buch und ich ziehe sie mir jetzt rein, weil wir Kingmaker spielen und da finde ich, dass wir sie benötigen. Vorher haben wir Schreckensgewölbe gespielt und da brauchte man sie meiner Meinung nach gar nicht. Da waren Mörderhobos und nicht Diplomanten gefragt. Aus meiner Sicht lohnt sich die Arbeit der Einarbeitung in diese zusätzlichen Regel nur dann, wenn man sie auch benutzen möchte und die Kampagne es hergibt. Für ein One-Shot oder zwei drei kleine Abenteuer wäre es übertrieben.
Eben das. Ist auch der Grund warum ich das D&D5-Massenkampfsystem von Strongholds & Followers nur einmal benutzt habe. So selten wie man es braucht, ist der Einarbeitungs- und Vorbereitungsaufwand einfach zu hoch.
Entweder baue ich das grundlegende Sozialsystem als Encounter-System auf. Dann macht es Sinn, es zu verregeln und eigene Talente, Klassen, Subklassen dafür einzubauen. Das ist aber wie geschrieben nicht nach jedem Geschmack. Wenn ich einen Diplomatie-Charakter spiele, erwarte ich auch, dass die Fähigkeiten, in die ich investiert habe, regelmäßig zum Tragen kommen. Ansonsten kann ich sie mir sparen.
Wenn man ein Diplomatie/Handels/etc.-System nur in den großen und bedeutenden Ausnahmefällen braucht, ist es nicht Teil der Kernregeln. Und damit macht es keinen Sinn, knappen Platz in den Grundregeln für den ganzen Rattenschwanz an Optionen dafür zu verbrauchen. Schon gar nicht bei einem klassenbasierten System. Das muss einem einfach klar sein: Seitenplatz ist begrenzt und man muss Entscheidungen treffen. Auch GURPS Social Engineering ist nicht Teil der Kernregeln, sondern ein sehr spezieller Erweiterungsband.
Ja, Game of Thrones und Dune haben Diplomatie-Regeln, sparen sich dafür den ganzen Magie-Bereich, dadurch wird Platz frei. Das ist eine Sache der Prioritäten. Und ja, da heißt, dass D&D einen Fokus auf Kampf, Magie und Monster hat. Weil die meisten Spielenden in Fantasy-Abenteuergeschichten einfach andere Anforderungen als Handelsverträge haben. Bei Traveller sind die Psionik-Regeln in den Grundregeln ausgesprochen minimal und die Möglichkeit eine Psioniker-Kampagne zu spielen ohne viel Handwedeln praktisch nicht gegeben. Macht es das System schlecht? Nein, weil Psionik eben nicht das ist, was im Kern (=> Grundregeln) im Fokus steht. GoT und Dune sind auch noch Lizenzspiele mit einer deutlich von Diplomatie, Politik und Intrigen geprägten Vorlage. Wenn ich mich entscheide, diese zu spielen, gehe ich mit einer klaren Erwartung rein (und war bei Dune wie geschrieben trotzdem nicht glücklich damit, obwohl mich der grundsätzliche Ansatz sehr fasziniert hat).
Was es nicht heißt und da ist für mich der Knackpunkt, dass D&D völlig unfähig wäre diplomatische oder soziale Herausforderungen zu bieten, nur weil sie nicht gleich verregelt sind wie der Kampf. "Nicht im Fokus" heißt einfach nicht "Völlig ungeeignet". Ich habe Politik-Kampagnen mit D&D5 gespielt. Aber von absoluten Ausnahmen, wie den erwähnten Handelsverträgen, abgesehen, sind umfangreiche Diplomatie-Regelsysteme einfach nicht notwendig (und selbst Handelsverträge und Nichtangriffspakte wurden bei uns ohne solche Systeme ausgehandelt) Und das, in Kombination damit, dass auch abseits von D&D kaum ein Regelsystem diese Systeme bietet, schon gar nicht in den Kernregeln, machte es für mich zu einem typischen Pseudo-Argument. "Ich kann D&D nicht leiden, also suche ich mir irgendetwas heraus und erkläre es zu einer expliziten D&D-Schwachstelle".
Aber um den Bogen zu schlagen, wie tatsächlich ein für mich praktikables Diplomatie-System aussehen würde: Grob und abstrakt. Ich lande da dann immer wieder bei Fate. Aspekte erschaffen und ausnutzen.
Und tatsächlich würde ich wahrscheinlich, wenn ich in meiner D&D-Kampagne so etwas brauchen würde, einfach kurzzeitig das Regelsystem zu Fate wechseln. Habe ich auch bei einer Space Opera-Kampagne zur Endschlacht mal gemacht. Weil große Raumkämpfe (oder Schiffsflottenschlachten, um bei Fantasy zu bleiben) z.B. auch so etwas sind, was die meisten kleinteiliger verregelten Systeme einfach nicht gut können, das fällt für mich in die gleiche Kategorie.