Meine Gruppe und ich spielen seit Jahrzehnten DnD, und dort spielen wir die Diplomatie aus (anstatt sie auszuwürfeln), und bei Kämpfen wechseln wir in Zeitlupe: Da bringen wir für 5 Kampfrunden schon mal Stunden an Spielzeit auf, sicher auch mal eine und eine halbe weitere Session. Beide "Extreme" machen uns Freude.
Prinzipiell macht mir sowas durchaus auch Spaß, aber dafür habe ich Wargames und einige aufwendigere Brettspiele (die im Tabletopaspekt alle einen besseren Job machen als D&D).
Wenn ich ein Rollenspiel spiele, dann möchte ich auch eine Story, reines Figurenschieben hab ich bereits abgedeckt - das heißt nicht, dass ich keinen Kampf im RPG mag, weil gerade Kampf auch Basis für tolles Rollenspiel bietet, aber
der Kampf sollte der Story insgesamt nicht im Weg stehen. Auch mit 1-2 Kämpfen möchte ich da am Ende des Abends einen Fortschritt im Plot sehen.
Ich nehme im Tanelorn wahr, dass viele ein anderes Konzept anstreben: Eine Art Angleichung dermeisten Spielaspekte.
Angleichung ist für mich der richtige Ausdruck. Ich möchte ja nicht, dass sich alle Aspekte des Systems gleich spielen, aber eine Verwandschaft sollte doch erkennbar sein. Man sollte nicht für jedes "Subsystem" ein komplett neues Spiel mit anderer Würfelmechanik lernen müssen.
Beispiel Würfeln
Diplomatie als Schwerpunkt soll auch Spielenden offen stehen, die sich als reale Personen nicht eloquent fühlen - und daher ihre diplomatischen Vorstöße auswürfeln sollten. Analog zu: Ich bin zwar kein muskelbepackter Barbar, will aber einen (dank Würfel und Regeln) spielen können. Das Argument kann ich nachvollziehen.
Das Problem ist hier weniger, dass der wenig eloquente Spieler einen Charakter spielen möchte, der jeden um den Finger wickeln oder sich aus allen Problemen herausquasseln kann.
Das Problem ist, dass der eloquente Spieler, der sich den größten Schnetzler der Schwertküste zusammengebastelt hat, mit Charisma 4 als Dumpstat,
einen inhärenten Vorteil hat, weil er seine Real-Life-Skills als Spieler im sozialen Kontext des RPGs einsetzen kann, während der weniger eloquente Spieler sich nicht aus einer Kampfsituation herausbeschreiben kann, selbst wenn er HEMA-Experte oder Landesmeister im Schwertfechten wäre.
Das
kann man durchaus anders machen - ich hab schon in Runden mitgespielt, wo man für gute Beschreibungen Boni auf seine Kampfwerte bekommen konnte, aber da gibt es dann auch wieder Spieler, die rumjammern, dass das gegen die Regeln sei.
Beispiel Skillchallenges
Ich muss zugeben, ich habe die Vorteile von Skillchallenges nie so richtig verstanden. Liege ich richtig, dass Spannung aus einer Kette von Skillwürfen entstehen soll, die zur Lösung eines Problemes führen? Ich kann mir nicht vorstellen, dass das Spaß macht. Nehmen wir eine Kletterchallenge: Ich meine, entweder sollte sie einfach zu erledigen sein und mit nur einem kleinen Risiko des Absturzes klappen (vielleicht mit e i n e m Kletterprobewurf) - schließlich spielen wir Helden - oder, wenn sie eine Herausforderung sein soll, dann sollte sie ausgespielt werden: Von unten steigt die Säure, nach oben hin werden die Wände glatter - und der Druide versucht Efeuranken wachsen zu lassen, um besser zu klettern, der Magier bemüht sich, kleine Stufen in die Wand zu sprengen, der Hexenmeister überlegt, den Rope Trick einzusetzen, der Schurke klettert schon mal vor, um zu schauen, wie er von oben helfen kann, der Kämpfer kalkuliert, ob er den Kleriker zum nächsten Mauervorsprung schwingen kann, und der Kleriker selbst schaut nach, ob seine Heilkräfte den Säureschaden werden kontern können. Die Szene (wenn mir die Kletterchallenge wichtig wäre) wäre bei uns also wieder eine gespielte Zeitlupenszene.
Bin da voll bei dir, den Sinn darin, das was ich mit einer Probe abhandeln kann auf mehrere Proben zu strecken, sehe ich jetzt auch nicht - da kann ich auch gleich einen Poolwurf machen.
Das betrifft ggf. aber auch solche Geschichten wie Trefferwurf->Schadenswurf->Schutzwurf.
Schon das ist ja eine Verkettung von mehreren Würfelwürfen, um zu einem einzelnen Ergebnis zu bekommen, und gerade der bei D&D zufällig ausgewürfelte Waffenschaden macht für mich in dieser Kette Null Sinn.
Beispiel Charakterbau
Wenn ich es nicht völlig falsch verstanden habe, ist für manche hier DnD ein schlechtes System, weil alle Charakterkonzepte eigentlich auf den Kampf ausgerichtet sind. Ihr meint, es sollte auch möglich sein, ein Konzept zu spielen, dass sich im Schwerpunkt auf Diplomatie zB fokussiert. (In meiner DnD-Vorstellung könnte jede Figur, ob Barbar, Druide oder Mönch, ein Charakter sein, der als Selbstbild "Diplomat" hat, auch wenn die Regeln das nicht fördern.)
Das Problem ist weniger, dass D&D solche Konzepte bei der Charaktererschaffung nicht zulassen würde (das tut es durchaus), eher dass es sie regelmechanisch nicht wirklich unterstützt.
Charakterkonzepte, die auf Exploration (was ja angeblich auch einer der drei Grundpfeiler von D&D sein soll) ausgerichtet sind, trifft es da aber sogar noch schlimmer - die Social-Charaktere können ihre sozialen Interaktionen im Zweifelsfall wenigstens noch ausspielen.
Hohes Spieltempo
Manche scheinen ein hohes Spieltempo zu bevorzugen: Ich war baff, als @1of3 irgendwo erläuterte, dass sein sehr cooler Abenteuereinstieg vom letzten Jahren e i n e Session bei ihm wäre. (Ich finde den Post gerade nicht, das war irgendwie in einem "Tatort"-Zusammenhang.) Auch @JollyOrc und @Megavolt haben nach meiner Erinnerung schon mal durchscheinen lassen, dass sie nicht viel Spielzeit für Kämpfe innerhalb einer Session aufbringen möchten, weil das Risiko groß ist, dass es sie langweilt.
Ich weiß nicht, ob du schonmal an einem Tisch gesessen hast, an dem eine Kampfrunde mit 6-8 Leuten in 2-3 Minuten durch ist, wo der SL wirklich Druck macht, und man für Entscheidungen nur ein paar Sekunden Zeit hat (sofern man nicht sowieso schon weiß, was man tun möchte) und der Angriff dann mit einem Wurf gemacht ist - das ist
ein VÖLLIG anderes Spielgefühl, als wenn man jeden Schritt minutenlang plant, 3-4 Proben für seinen Angriff würfelt (nachdem man im Regelwerk erstmal noch nachgelesen hat, wie Manöver/Zauber XY jetzt genau funktioniert) und dann eigentlich ne Pizza backen gehen könnte, bis der Rest der Runde fertig ist.
Ist vom Gefühl her so ein bisschen wie der Unterschied zwischen einem rundenbasierten Strategiespiel wie X-Com2 und einem Team-Shooter wie Rainbow6 oder Planetside2.
Schätze ich also einige von Euch richtig ein, dass ihr Systeme bevorzugt, die schlank sind und die meisten Aspekte des Rollenspiel gleichartig behandeln, also Kampf, Diplomatie und Skillchallenges gleichartig abhandeln?
„Schlank“ ist relativ – ich mag Systeme, bei denen man lange Zeit damit verbringen kann Charaktere und Charakterkonzepte zu basteln durchaus, aber das ganze sollte in der Praxis dann schnell und flüssig spielbar sein.
Gerade bei Erzählspielen, in denen der Kampf nur eine von vielen Herausforderungen ist, kann ich den Vorteil alles eher gleich abzuhandeln absolut sehen.
Generell ist es für mich in Ordnung wenn sich (gerade bei tabletoppigen Systemen) Kampf, Diplomatie und sowas wie Bauen/Reparieren oder Artefaktbasteln unterscheiden, aber es sollte sich ein roter Faden durchziehen.
Wenn es ein komplexes Kampfsystem gibt, dann erwarte ich schon, dass sowas wie Diplomatie oder ein Fahrzeug reparieren nicht einfach mit einem einzelnen Würfelwurf weggewedelt wird (außer es ist sowas wie eine MilSim, in der Diplomatie absolut keine Rolle spielt).
In meiner Vorstellung bleibt von meiner Kreativität als Spielender, mit der ich im Bruchteil einer Sekunde für meine Figur das Schicksal noch wenden kann, nicht mehr viel übrig: Wenn ich Euch richtig verstanden habe, nutzte ich als Euer Spieler nicht meine Intuition, um das richtige Argument finden, sondern ich würfle auf Diplomatie. Wenn ich Euch richtig verstanden habe, versuchte ich als Euer Spieler nicht, meine Ressourcen im Geiste hastig durchzublättern und die richtige auszuwählen, um nicht in die Säure zu stürzen, ich würfle eine Skillchallenge. Wenn ich Euch richtig verstanden habe, spürte ich als Euer Spieler nicht den Stress, meine Heiltränke, Spezialattacken und Zauber im Laufe eines stundenlang gespielten Kampfes richtig einsetzen zu müssen, nach ein paar Würfelwürfen wissen wir, wer den Kampf wie gewonnen hat. Meine ketzerische Frage: Wo bleibt da der Spielspaß?
In meiner Vorstellung überlegst du dir (am besten in den 1-2 Minuten die du Zeit hast bis du dran kommst und unter Berücksichtigung dessen was bis dahin passiert), was du machen möchtest - wo du dich hinbewegst, welchen Gegner du angreifst, welche deiner Fähigkeiten du einsetzt, ob du dich auf Verteidigung oder Angriff konzentrierst – würfelst die entsprechende Probe und gibst an den nächsten Spieler weiter. Ne Pizza holen gehen brauchst du dann aber nicht, weil spätestens in 2 Minuten bist du wieder dran.
Fernkampflastige Systeme mit hoher Bewegungskomponente sind da natürlich deutlich interessanter als Spiele, bei denen man sich gegenübersteht und einander so lange auf die Rübe haut bis einer umkippt – natürlich kann man die mit besonderen Manövern zu Angriff- und Verteidigung, ‘Fallen‘manövern, Kontermanövern, Elementar- und Psiangriffen, usw. auch interessant machen und praktisch in ein Yugioh-Duell verwandeln, aber D&D ist da eher sehr straight forward.
Und ja, sowas geht auch für Diplomatie (oder Notreparaturen am eigenen Fahrzeug mitten im Gefecht), wenn man das Regelwerk entsprechend auslegt.
Ich hoffe, Ihr kennt mich gut genug als Rollenspieldiskutant, dass ich auch mir fremde Spielstile spannend finde und dass ich unseren Spielstil nicht für den einzig richtigen halte, und lest keine Abwertung gleichartig regelnder Systeme heraus. Der Baufehler liegt bei mir, wohl, weil ich zu lange auf unsere DnD-Variante geprägt/sozialisiert bin: Es ist m e i n e Vorstellungskraft, wie ihr spielt und dabei Spaß habt, die hier begrenzt ist. Helft mir, meinen blinden Fleck zu beseitigen.
Jeder mag andere Systeme, es gibt Leute, die nur Erzählrollenspiele mögen, welche in den meisten Fällen überhaupt keine speziellen Kampfregeln haben und Ereignisse auf einer völlig andere Abstraktionseben abhandeln.
Ich selbst komme wie zu Beginn erwähnt ursprünglich aus der Tabletop/Wargaming-Ecke, was meinen Bedarf an Figurenschieben ganz gut abdeckt. Rollenspiele spiele ich in erster Linie für Plot, da brauch ich schnelle atmosphärische Kämpfe und aus dem Tabletoppen weiß ich, dass hohe Geschwindigkeit und flüssiger Ablauf komplexem Spiel und taktischem Anspruch nicht im Weg stehen müssen.