Du hast hier jetzt vier Beispiele gemacht. Feilschen, Friedensvertrag, Bestechung einer Wache und Flirt.
Hättest du diese vier Dinge alle gern mit denselben Regeln behandelt, einem "sozialen Kampfsystem", das aber anders ist als die Regeln, die für andere Sachen benutzt werden?
Das finde ich überraschend. Diese vier Sachen haben so gar nichts gemein. Ich mein, Sex als geschäftliche Transaktion geht, ist dann aber was anderes. Die anderen wirken gegeneinander ähnlich schief.
Also wenn das die Eingangsfrage, ob man diese vier Dinge und alles andere gleich behandeln soll, ja das geht vielleicht. Mit den genannten Abstrichen. Diese vier Dinge zusammen im besonderen dagegen, das schiene mir undurchdacht.
Dieselbe Frage kann ich stellen bei "jemanden im Handkampf zu Boden ringen", "jemanden mit einer Axt schlagen", "mit einem Bogen/Sturmgewehr auf jemanden feuern", "eine Granate werfen", "einen Feuerball beschwören und abfeuern", "eine Belagerungswaffe/Panzerabwehrkanone abfeuern", "einen Artillerie-/Luftschlag auf jemanden einweisen" oder "mit einer Luft-Luft-Rakete ein anderes Flugzeug abschießen" - auch das sind fundamental sehr unterschiedliche Dinge, die in vielen Regelwerken trotzdem praktisch identisch abgehandelt werden.
Und nein, ich würde die oben genannten Sozial-Beispiele nicht EXAKT gleich abhandeln, aber mit einer ähnlichen Grundmechanik.
Beim Feilschen finde ich absolut, dass man das über ein komplexeres System abhandeln KANN, aber nicht muss - würde ich auch von der Wichtigkeit des betreffenden Gegenstandes abhängig machen (z.B. ob der plotrelevant oder zumindest stark abenteuererleichternd ist). Und das Ergebnis muss nicht unbedingt darin bestehen, dass der SC die Ware zu einem überteuerten Preis kauft, es kann auch sein, dass die Ware minderwertig oder gestohlen ist oder einen anderweitigen versteckten Nachteil mit sich bringt, der dem Spieler nicht zwangsläufig die Kontrolle über seinen Charakter entreißt - da gibt es im Zweifelsfall viele Möglichkeiten, die Wirkungen eines Fehlschlag ins Spiel zu bringen.
Diplomatie (also im Sinne von ernsthaften längeren Verhandlungen) sollte schon etwas komplexer sein als ein einfacher Skillcheck, gerne auch etwas wo sich Charaktere wie im Kampf gegenseitig unterstützen können und bei dem einzelne Forderungen und/oder Diskussionsteilnehmer "argumentativ ausgenockt" oder diskreditiert werden können - z.B. könnte jede Seite mit einer Liste von Forderungen anfangen, die individuelle "Lebenspunkte" und "Panzerung" haben (stellen dar wie "wertvoll" diese Items sind - da kann man prinzipiell sogar Argument X einen Verteidigungsbonus geben, wenn es von Unterhändler Y bedient wird, was es dann wiederum sinnvoll macht genau diesen Unterhändler anzugehen, o.ä.).
Will ich nur Heinz den gelangweilten dicken Torwächter überzeugen meine Gruppe ins Dorf zu lassen (und das quasi eine Routineaktion darstellt) muss man dafür nicht das "große" System auspacken, da tut es ein Skillcheck auch.
Wenn ich aber die 3 Berater (also Quasi-Türsteher) des Königs überzeugen möchte, die Untoten in Hinterschwappingen anzugreifen, weil die Gruppe weiß, dass dort eine Schwachstelle existiert oder der Angriff als Ablenkung dient, damit die Gruppe den örtlichen Armeebeschwörer umhauen und sein Leichenlager abbrennen kann, dann kann man da durchaus komplexere Regelmechaniken auffahren. Das würde nicht exakt gleich ablaufen wie die Handelsvertragsgeschichte (wobei man auch hier theoretisch eine Liste an Forderungen beider Seiten erstellen
könnte, also quasi Unterstützung gegen Beweise/Zeugen), sondern eher so, dass sich die Berater und Gruppe direkt (sozialkampflich) gegenseitig angehen und man quasi alle Berater "besiegen" muss, bevor diese die ganze Gruppe ausgeschaltet haben (da können die Berater dann auch "kampftypische" Archetypen wie Tank, Attack Dog und Supporter repräsentieren).
Oder, um beim Beispiel der Wache zu bleiben, wenn ich die Torwachtruppe eines feindlichen Schlosses überreden möchte gegen Bestechung zu desertieren während die Gruppe einbricht und die Zugbrücke für die anrückende verbündete Armee runterlässt, geht es auch schon um etwas (die könnten ja Alarm schlagen oder angreifen, was für die Spieler echt schlecht wäre), da kann man prinzipiell auch ein komplexeres System verwenden.
Das Flirten wäre dann dem klassischen Kampf wohl am ähnlichsten. Im Prinzip ein Spiel die Zielperson auf 0 Was-auch-immer-Punkte zu bekommen, ohne vorher selber auf 0 zu sinken. Da können dann auch einzelne Gruppenmitglieder gezielt NSCs angehen und sie aus dem Hauptkonflikt "herausziehen" oder ihrem Barden "Deckung geben", vorher unbeteiligte Anwesende können plötzlich in den Konflikt eintreten oder sogar die "Trefferpunkte" anderer heilen (Mut machen/anfeuern, an Vernunft appellieren, o.ä.), usw. - das wäre im Gegensatz zu den vorherigen Situationen eine sehr unberechenbare Geschichte, mit wechselnden Teilnehmern und veränderlicher Teilnehmerzahl - quasi klassischer Kampf eben.
Das ist es ja. Eine normale Kletterei ist nicht spannend, bzw. so spannend wie eine Tür aufzubrechen oder eine Spur zu finden. Roadblocks halt.
Da muss schon eine akute (!) Bedrohung dabei sein. Dann kann man sich solche Dinge überlegen, wie du beschreibst. Machen D&D4 und PF2 ja auch. Da greifen Fallen oder Hazards zum Teil als Quasi-Gegner an.
Ich weiß nicht, ob du mich verstanden hast: die Agenda / Ziele der NSC sind eben in der Regel nicht auf Schaden bei den SC ausgerichtet. Beim Feilschen will der NSC einfach nur möglichst viel Geld und der "Schaden" beschränkt sich auf den monetären Verlust bei den SC. Der spielt aber in der Regel keine größere Rolle und auch der Gewinn (Kauf) ist normalerweise für das Spiel nicht entscheidend.
Die Wache ist einfach naturgemäß nur ein Roadblock und hat mit den SC oft keinerlei Beziehung in ihren Zielen.
Deswegen finde ich es schwierig an den Stellen Parallelen zum Kampf zu erkennen. Dafür müsste das Scheitern mit harten Verlusten verbunden sein.
Ja, bin ich ganz bei dir. Ich rede hier schon von Situationen bei denen ernsthaft was auf dem Spiel steht.
Im anderen Thema hatte ich ja mal "kampfähnliche" Situationen erwähnt wie "aufgebrachte Frau am Hafen schlägt untreuem Piratenkapitän ins Gesicht als dieser von Bord geht". Da käme wohl auch kaum jemand auf die Idee, dafür das komplette Kampfsystem auszupacken und das ganze als unbewaffneten Nahkampf mit Trefferwurf, Schadenswurf und Schutzwurf abzuhandeln. Wenn überhaupt macht man dafür bestenfalls sowas wie einen Reflexwurf, um zu schauen ob der Charakter sich rechtzeitig duckt oder den Arm hoch hält (ggf. mit solchen Auswirkungen, wie dass bei einer nat20 der Schlag jemand anderen trifft oder er bei einer nat1 das Gleichgewicht verliert und peinlich ins Wasser fällt). Da geht es im Prinzip auch um nichts, keine Bedrohung von Leib und Leben, ernsthafte Verletzungen sind nicht zu erwarten, etc.
So ähnlich sehe ich das in anderen Situationen (Diplomatie, Verhandeln, etc.) auch.