Mein Fazit zu den Gesprächen um die
Eingangsthesen, dass "Schummeln" ein Kampfbegriff sei und die extreme Haltung, dass es nur ""Schummeln oder Nicht-"Schummeln"" gibt, die Bandbreite gelingenden Rollenspiels auf nur einen SL-Stil verengt.
Die Beweisführung war ja einfach: Gegen eine binäre Ideologie muss man ja nur e i n Beispiel finden, um zu verdeutlichen, dass es gerechtfertigte Ausnahmen oder "ein Dazwischen" gibt - und damit aufzeigen, dass die binäre Darstellung nur ein rhetorisches Konzept ist, das einem Extrem allgemeingültige Legitimation verleihen soll.
Und die Sammlung dafür, was entweder doch kein "Schummeln" ist oder was gerechtfertigtes "Schummeln" (das würde ich schlicht "Spielleiten" nennen) ist, wurde lang:
• Zuvor abgesprochene Abweichungen von den Regeln oder auch eine Carte Blanche für die SL sind schon mal kein "schummeln".
• Das Abkürzen von Kämpfen unter Umständen (also das spontane Fliehen von Fußtruppen bei ohnehin gewonnenen Kämpfen) als pragmatische Lösung (insbesondere, wenn das System keine Moralregeln hat).
•
Hier die Sammlung guter Gründe für heimliches SL-Eingreifen.
• chad vaders Sammlung für Gründe, die ein heimliches SL-Eingreifen rechtfertigen:
Interessen hinter Position B (Auswahl):
- Als Spieler möchte, dass die SL verhindert, dass Missverständnisse am Spieltisch wichtige Ressourcen oder sogar meinen Charakter im Spiel gefährden.
- Als Spieler möchte, dass die SL verhindert, dass unbeabsichtigte und unvorhergesehene Zufälle wichtige Ressourcen oder sogar meinen Charakter im Spiel gefährden.
- Als Spielleiter möchte ich verhindern, dass Spieler von Metawissen wie z.B. von Monsterwerten profitiert, die den Charakteren überhaupt nicht zur Verfügung stünden.
- Als Spieler mit eingeschränktem Verständnis und Interesse an den Regel möchte ich eine Spielleitung, die mir Regelfragen abnimmt. Dafür überlasse ich ihr Möglichkeiten, um einen reibungslosen Spielablauf sicherzustellen.1
- Frustration auf Seiten der Spielenden zufällige Häufung von Misserfolgen vermeiden 2
- Frustration auf Seiten der SL über unverhältnismäßig schnell gelöste Herausforderungen vermeiden 2
- Langeweile und Störungen des Zeitplans vermeiden, die aus konsequenter Regelanwendung resultieren können 2
- Ich wünsche mir, dass die Handlung entlang gewisser dramatischer Konventionen verläuft.5
- Der SL soll die Gruppe mit kreativen Ideen begeistern können, ohne dafür nötige Regelabweichungen im Vorfeld mit ihr absprechen zu müssen.6, 7
- Ich möchte bei Anfänger*innen, v.a. Kindern, eine positive Spielerfahrung festigen.
• Sogar Gary Gygax stellt
in einem Ausnahmebeispiel die Verantwortung der SL für einen gelungenen Spielabend mit einem heimlichen Eingriff über ein gewürfeltes Ergebnis.
Es gibt also
gerechtfertigtes "ein bisschen "Schummeln"" - ich würde sagen, dass dies schlicht
gutes Spielleiten ist.
Die charakterlichen Abwertungen, die in der Ursprungsstreitschrift und den dahinterliegenden URLs ausgeführt werden und hier immer dann angesprochen werden, wenn jemand jemandem "Schummeln" anstatt "heimliche SL-Eingriffe" vorwirft, bilden nicht die Realität der Rollenspiele ab:
• Zum einen spielleitert mindestens
mehr als die Hälfte der Tanelornys gelassen im Umgang mit heimlichen SL-Eingriffen und - wie wir annehmen können - das ebenso erfolgreich wie die "Anti-"Schummler"".
• Dem schließen sich
viele aktuelle Koryphäen des erfolgreichen Rollenspiels an.
• Zum anderen sehen
viele Regeldesigner einen vorsichtigen, aber pragmatischen Umgang mit heimlichen Regeleingriffen sogar vor.
Woher kommen nun diese unterschiedlichen Auffassungen zu heimlichen SL-Eingriffen?
Nicht nur ich vermute, dass eine
SL mehrere Aufgaben, Rollen und Privilegien hat. Aus diesen Rollen kann (und sollte in seltenen Fällen) die Pflicht erwachsen, heimlich einzugreifen. Am besten haben es für mich die Autoren von RuneQuest 3
auf den Punkt gebracht:
Spielleiter-Stil
Der wettbewerbsorientierte Spielleiter betont das Spiel in RuneQuest. Regeln und Spielbeziehungen sind sehr wichtig. Spielmechaniken und Ergebnisse werden so streng und unparteiisch wie möglich angewendet, um die persönliche Fähigkeit der Spieler hervorzuheben, ihre Abenteurer durch Herausforderung nach Herausforderung zu manövrieren.
Der dramatische Spielleiter betont die Erzähl- und Rollenspielelemente, die RuneQuest innewohnen. Er untergräbt bereitwillig die strikte Anwendung der Regeln, um die dramatischen Ziele seines Szenarios besser zu erfüllen.
Der effektive Spielleiter gleicht Stil gegen Ziel aus. Eine Überbetonung des wettbewerbsorientierten Spielens reduziert das Fantasy-Rollenspiel auf eine Version von Schach. Eine Überbetonung des Erzählens kann die Spieler um befriedigende Kämpfe und Siege bringen. Richte dich nach deinem eigenen Geschmack, aber versuche auch, den Geschmack deiner Spieler zu berücksichtigen.
Unterschiedliche Spielleitungen präferieren ihre unterschiedlichen Rollen, Aufgaben und Privilegien unterschiedlich.
Die dem "Anti-"Schummeln"" anhängenden Spielleitungen fokussieren sich stark auf den wettbewerbsorientierten Spielstil, und geraten dadurch in Gefahr, ihr Spiel auf "eine Version von Schach" zu reduzieren. Die im Umgang mit seltenen, gut gerechtfertigten, heimlichen Eingriffen gelassenen SLs dagegen gehen den besten Weg, Narration und kompetitives Spiel in Einklang zu bringen.
Ich selbst mag herausforderungsorientierte Spiele und greife als SL verantwortungsbewusst und sehr selten heimlich ein. Ich schätze die meisten Vertreter der "Anti-"Schummel""-Fraktion noch immer - nur nicht, wenn sie andere Spielleitungsstile diffamieren.