1. Vertrauen statt Kontrolle
Wenn du offen und fair leitest, stärkt das das Vertrauen der Spieler:innen in dich. Sie wissen, dass ihre Entscheidungen zählen – und dass sie nicht in einer gelenkten Illusion spielen.
Vertrauen ist gut, aber so einfach ist die Sache nicht immer.
Kommt halt auch drauf an, ob es ihre Entscheidungen
sind und ob sie überhaupt Möglichkeiten haben, das Ereignis zu beeinflussen - gerade wenn ich an solche Sachen wie die Midgard-Krit-Tabelle denke (W100, 100 = sofort tot) oder D&D-Freakrolls (mittelgefährlicher Flugbug macht Damage Freaktoll + Crit und oneshotted einen (ziemlich gut gepanzernten) NSC), dann ist das nicht immer der Fall.
Da braucht dann im Zweifelsfall auch mal die SL (oder eine Gruppenentscheidung) als Netz, um solche Sachen auffangen zu können (und nein, hier geht es nicht um allgemeine Tödlichkeit, sondern um statistisch unwahrscheinliche unplanbare Ereignisse, die ohne Verschulden der Spieler zu plötzlichen Charaktertoden führen können).
2. Spannung durch echte Konsequenzen
Wirkliche Gefahr entsteht nur, wenn es echte Risiken gibt. Wenn du Würfe nicht veränderst, sind Erfolge verdient – und Misserfolge dramatisch und erinnerungswürdig.
Jaaaaaaa... kommt drauf an. Siehe oben. Und nein, ich spreche mich hier nicht für ständiges Würfeldrehen aus, das ist ein Werkzeug, das selten und mit großer Bedacht eingesetzt werden sollte, aber manchmal braucht man so einen „Notfallknopf“.
3. Spieler:innen übernehmen Verantwortung
Ohne „heimliche Rettung“, steigt das Bewusstsein der Spieler:innen, dass ihre Vorbereitung, Kreativität und Taktik wichtig sind. Das motiviert sie, tiefer einzusteigen und aktiver mitzudenken.
Die Behauptung, dass Spieler sich keine Mühe geben und sich grundsätzlich auf die "schützende göttliche Hand der SL" verlassen, halte ich für gewagt.
Und letztlich führt eine solche Denkweise doch wieder direkt zu Leistungsdenken, Planungswahn, Regelfuchserei und Powergaming. Die Charaktere müssen "was leisten können", damit sie nicht direkt draufgehen. Das muss dem Spiel nicht unbedingt zuträglich sein.
4. Klarheit schafft Fairness
Transparente Regeln und ehrliche Ergebnisse bestätigen für eine faire Spielumgebung, in der niemand bevorzugt oder benachteiligt wird. Das verhindert Neid oder Misstrauen in der Gruppe.
Wie führt es zu Neid oder Mistrauen, wenn der SL ab und an mal einen der Spieler davor rettet, durch einen Freakroll direkt geoneshotted zu werden oder verhindert, dass durch einen miskalkulierten Encounter die komplette Gruppe draufgeht?
5. Die Welt wird glaubhafter
Wenn NSCs und Monster konsequent gemäß Regeln handeln (auch mal danebenhauen oder fliehen), wirkt die Welt lebendig und konsistent, weniger wie ein Theaterstück.
Okay, Storytime.
In einem unserer Midgardabenteuer hatten wir einen Endkampf gegen einen Dämonen, der mit einem der Vorfahren eines der SC einen Pakt geschlossen hatte.
Wir hatten einen Charakter in der Gruppe, der absolut auf Nahkampf getrimmt war, mit Spezialisierung in Faustkampf. Der hat einen solchen Bonus darauf bekommen Gegner umzuwerfen, dass ein Erfolg sogar gegen den Dämon praktisch garantiert war. Wenn man zu Boden gegangen ist, kann man erstmal nichts anderes machen als aufstehen.
Der Kampf ist bei allen Beteiligten bis heute ein Meme, aber "lebendig und konstistent" wären jetzt keine Begriffe mit denen ich den Slapstick, der sich da entfaltet hat, beschreiben würde.
Das war einer der wenigen Momente (unser Midgard-SL war allgemein top), wo ich über ein wenig "schummeln" echt nicht unglücklich gewesen wäre.
Es war zwar amüsant, aber atmosphärisch war es nicht.
Abgesehen davon kenne keine Rollenspiele, die explizite Moralregeln haben oder detailliert ausführen, wann genau Gegner sich zurückziehen. Das ist ohnehin alles SL-Willkür und Handgewedel, als ob da ein gedrehter Würfel noch einen Unterschied machen würde.
6. Fokus und weniger Mental Load für die Spielleitung
Johann hat es eigentlich schon perfekt erklärt. Als SL machst du dich frei von der Gesamtverantwortung für das Spielerlebnis der Gruppe. Stattdessen kannst du dich voll darauf konzentrieren, eine Welt zu präsentieren, Probleme aufzustellen und den Spieler:innen den Rest überlassen.
Warum ein flexibles Handling der Story, bei die SL auf das was die Spieler machen eingeht und damit arbeitet, nicht mit "ab und an mal einen Würfel drehen" zusammenpassen soll, erschließt sich mir nicht.
7. Die Gruppe wird resilienter
Durch echte Rückschläge lernen die Spieler, kreativ zu scheitern, sich gegenseitig zu unterstützen und langfristig als Gruppe zu wachsen. Das fördert echten Zusammenhalt.
Die kann man mit oder ohne „schummeln“ haben. Nur weil die SL ab und an mal einen Würfel zugunsten der Spieler dreht, heißt das nicht, dass die Spieler plötzlich nicht mehr scheitern können.
Aber wenn die Gruppe bei der ersten größeren Begegnung der Kampagne ausradiert wird, dann lernt sie auch nichts.
8. Du bist nicht der Erzählergott – du bist Mitspieler
Wenn du dich als Mitspieler:in mit Sonderrolle verstehst statt als Puppenspieler, wird das Spiel kooperativer und emergenter. Geschichten entstehen gemeinsam – und sind oft besser als jeder geplante Plot.
Was das jetzt genau mit dem Schummelthema zu tun haben soll, sehe ich nicht.
Railroaden kann man auch ohne Würfeldrehen.
Ich bin auch Spielen mit rotierender SL und Quasi-SLCs (Gefolge, Familiare oder Squadmates) gewohnt - da ist es oft so, dass die SL durch diese zur Spielergruppe gehörenden Charaktere als Quasi-Spieler aktiv am Geschehen teilnimmt und in die Geschichte integriert wird (auch an Abenden, an denen die Gruppe den Plot komplett ignoriert und sich lieber mit sich selbst beschäftigt).
Wenn ich mir die Aussagen anschaue, dann kommt mir das schon so vor, als ob hier das Bild einer Quanten-Oger-SL gemalt (oder impliziert) wird, die permanent Würfel dreht, um die Spieler knallhart auf den Schienen ihrer bis ins kleinste Detail vorgeplanten Railroad-Kampagne zu halten und vor jedem schlechten Ereignis zu beschützen, so dass die Spielercharaktere von Erfolg zu Erfolg stürmen.
Das ist in der Praxis aber oft überhaupt nicht der Fall.
"Schummeln", insbesondere Würfeldrehen, wird in meiner Erfahrung selten und mit Bedacht eingesetzt, meist um Probleme des Regelwerks (Freakrolls o.ä.) abzufedern - nicht jedes Regelwerk, nicht mal jedes D&D-Setting, hat Möglichkeiten Charaktere von den Toten zurückzuholen und manchmal zerschießt der Versuch einen neuen Charakter in die Runde zu integrieren die Atmosphäre mehr, als ein wundersames knappes Überleben es tun würde. Rückschläge und Niederlagen kann man in längeren Kampagnen auch haben ohne dass direkt Charaktere draufgehen müssen.
Kommt aber halt auch immer drauf an, was für ein Setting/eine Art von Geschichte man bespielt und ob es bereits Desastervermeidungsmechaniken wie Gummipunkte gibt.
Universell-allgemeingültige Aussagen zu diesem Thema finde ich... schwierig.