Aus unserer Reihe "Der Friedhof der guten Ideen" (Todesursache = miserable Umsetzung):
"Darwinia" von Robert Charles Wilson. Eigentlich eine großartige Idee: Anfang des 20. Jh. kommt es zu einer rätselhaften Umwälzung, die Europa in einen fremdartigen, urweltlichen Dschungelkontinent verwandelt. Im weiteren Verlauf der Handlung stellen einige Charaktere fest, dass sie paranormale Fähigkeiten haben -- und sonderbare Träume von einem Krieg (den der Leser unschwer als den 1. Weltkrieg erkennt). Leider, leider macht der Autor aus diesem vielversprechenden Start überhaupt nichts, sondern geilt sich hinterher in unsinniger Detailtiefe an seiner physikalischen Erklärung des Ganzen auf. (Kurzversion: Das war gar nicht die wirkliche Erde mit dem wirklichen Europa, sondern eine Art kosmische Sicherheitskopie, die von "Computerviren" korrumpiert wurde.) Die anfangs gekonnt aufgebaute Atmosphäre eines Mysteriums verpufft darin, dass Prota- und Antagonisten am Ende doch als irgendwelche generischen "Auserwählten" dastehen und in einer schnöden, primitiven Endschlacht gegeneinander antreten. Tolle Idee, stark gestartet und am Ende grässlich versaubeutelt.
Ähnlich unrühmlich, aber wenigstens von Anfang an miserabel, verhält es sich mit "Anti-Eis" von Stephen Baxter. Grundidee: Durch Zufall (Meteor mit seltsamer Substanz usw.) gerät das British Empire im 19. Jh. quasi in den Besitz der Atombombe. Der Rest liest sich, als hätte sich der Autor schon immer an den physikalischen Fehlern im Gesamtwerk von Jules Verne gestört und sich deshalb vorgenommen, sie alle auf einmal zu beheben (vor allem die Fehler in "Von der Erde zum Mond"). In Bezug auf die historische Entwicklung seiner Alternativwelt beweist der Autor, dass er zwar zum akkuraten Nachschlagen von historischen Daten, Namen und Fakten fähig ist, von der fraglichen Epoche und den beteiligten Personen aber ansonsten keine Ahnung hat. ("Bismarcks größter Traum ist die Einigung Deutschlands.") Fazit: Schade um die arme Idee, das Ganze hätte ein schöner Roman werden können.