Heute gibts gute Spiele zu Dutzenden gratis oder für ein paar Euro im Netz ((Fudge, Liquid und viele Andere)
Gut ist relativ und wenn ich mir Midgard, DSA und D&D ansehe und die Preise vergleiche, dann ist das mit der Inflation alleine nicht geklärt. Und wer neu zum Rollenspiel kommt steigt nicht mit den im Internet erhältlichen Free-Systemen ein. Die allerwenigsten zumindest.
Unter den oben genannten guten und billigen Spielen sind auch viele sehr einsteigerfreundliche. Heute hat man auch die Wahl, komplexe Systeme zu spielen.
Midgard war zugegebener Maßen nie einsteigerfreundlich. Die ehemaligen Mainstream-Produkte und "Zugpferde" unseres Hobbies DSA und D&D sind für Neueinsteiger jedoch fast unbrauchbar geworden. Auch die von dier genannten Systeme Fudge und Liquid sind im Vergleich zum alten DSA oder D&D Komplexitätsmonster. Nene, wer etwas einsteigerfreundliches will muss nach wie vor zu den alten Systemen greifen.
- man war eine kleine, eingeschworene Gemeinde
Heute kann man (mancherorts) sagen, man sei Rollenspieler, ohne gleich verständnislos angesehen zu werden.
Was nichts an meiner Aussage ändert. Die kleine eingeschworene Gemeinde ist eine große Verbrauchergruppe mit vielen Strömungen geworden, in der man oft mal aneckt und auch mal Intoleranz spürt. Das war anders. Punkt.
- es gab noch keinen Systemkrieg, da es nur zwei bis drei Systeme gab, die man halt parallel spielte.
Heute setzt man sich mit den stärken und Schwächen von Systemen auseinander. Und schon in den 80ern gabs Glaubenskriege zwischen DSA/D&D/Midgard, nur wurden die im Hinterzimmer des Rollenspielladens ausgetragen, nicht öffentlich im Internet.
Meiner Erfahrung nach gab es keine Glaubenskriege. Auch nicht im Hinterzimmer des Rollenspielladens. Man hat einfach alles gespielt. Warum sollte man dann also etwas ablehnen?
- niemand kam auf die glorreiche Idee Modelle für besseres Rollenspiel bauen zu wollen.
Heute denkt man über seine Art zu spielen nach.
Quod erat demonstrandum: genau das sage ich ja. Anstatt zu spielen denken heute viele darüber nach, wie sie spielen. Früher hatte man einfach fun. Fertig. Das fand ich besser - und so empfinde ich noch heute.
- jeder konnte spielen wie er lustig war, ohne dass er als Munchkin oder Powergamer abgefertigt wurde.
Heute kann man sich bewußt zwischen Spielstilen entscheiden. Früher war halt jeder Munchkin.
Und ich behaupte immer noch, dass es keine Munchkins gibt, noch jemals welche gab. Man konnte sich auch schon immer entscheiden, wie man spielen wollte. Nicht erst heute. Nur hat es keinen interessiert, wofür man sich entschied. Man hatte gemeinsam Spaß und brauchte keine Begriffe wie "Powergamer", "Munchkin" oder "GNS-Häuslebauer".
- die Gemeinde war näher beisammen, da jeder jedes System quasi automatisch kannte. Man verstand sich daher besser.
Ich kenne bis heute D&D1 nicht wirklich, auch bei Midgard hätte ich meine Probleme. Aber Dank der Internet RSP Community habe ich heute einen Überblick über viele jüngere Systeme und kann mich halbwegs qualifiziert für oder gegen die meisten Spiele entscheiden.
Darum ging es mir nicht. Es ging mir darum, dass man heute z.B. sich auf einem Con trifft und sagt: "was spielst Du denn so?" "LodLand" "Kenne ich nicht. Schade" ... Gespräch beendet oder erst lange Erklärungen.
Früher wäre das unmöglich gewesen. Da hat man gesagt: "hey, mein D&D-Char ist ein level4 Cleric mit 20 HP" und es war keine Frage, ob der andere einen verstand. Das war einfach so. Praktisch. Ob die Gespräche vielleicht inhaltsleer waren? Hör mal heute zu! Das ist nicht besser. Nur eben oft inkompatibel.
- Es war "Pionierzeit": jeder konnte ein System machen und Erfolg haben. Heute würde keine mehr ein System im Schnellhefter kaufen, das mal kurz zusammenkopiert wurde. Aber genau so fing Ars Magica an.
Heute kann jeder sein System als PDF produzieren (und dazu mit gutem Layout wenn er sich ein bisschen Mühe gibt, da man statt Schere und Schreibmaschine jetzt DTP Programme in fast jedem Haushalt hat) und so ein Millionenpublikum erreichen.
... ohne kommerziellen Erfolg. Ja. Damals konnte man Firmen gründen. Ich sprach davon, dass das Produkt gekauft wird.
Früher war nur eines besser: Wir hatten weniger Sorgen und Verantwortung und konnten uns dem Leben und den Möglichkeiten, die es bietet, viel unbefangener nähern. Unter anderem hatten viele von uns deswegen auch mehr Zeit fürs Rollenspiel, die wir heute für Arbeit und Familie aufwenden.
Ob eine gewisse jungendliche Naivität im Bezug auf das Leben und auch aufs Rollenspiel tatsächlich ein Vorteil ist, oder ob wir nur dazu neigen unsere Jugend zu verklären, wer weiß das schon.
Aber auch heute sollen Jugendliche ganz neu zum Hobby Rollenspiel finden können. Menschen, die in der gleichen persönlichen Situation sind, in der wir damals waren. Aber sie werden einen ganz anderen Markt, ganz andere Umstände vorfinden. Um die ging es mir.
Um mal eines klar zu sagen: die Pionierzeiten waren nicht die goldenen Zeiten. Ich bin weit davon entfernt, das verklärt zu sehen, ich möchte die Zeit nicht zurück drehen. Aber die o.g. Vorteile empfinde ich wirklich als Vorteile.
Von den Produkten, wie wir sie heute haben, hätte ich damals nicht einmal zu träumen gewagt. Die Illustrationen, das Hochglanzpapier, die Internetunterstützung ... Möglichkeiten, die paradisisch sind. Aber die Community und die Industrie haben sich nicht immer nur zum Vorteil mitentwickelt. Die "neue Rollenspielgesellschaft" hat nicht nur Vorteile. Daher bin ich mit deiner Aussage "früher war nur eines besser..." nicht einverstanden.
Aber in einem stimme ich dir zu: ich wollte nicht mehr zurück zur Zeit der unter zehn Systeme. Ich will auf mein Fading Suns nicht mehr verzichten.