Ich weiss noch nicht genau, wo mein Beitrag hingeht, ich mach einfach mal brainstorming.
Bitte nicht sauer sein, wenn es unstrukturiert ist.
Ich denke, speziell über Narrativismus einzugehen ist überflüssig. Die wenigsten Rollenspieler haben sich mit den Theorien beschäftigt.
Das ist so wie "Schiffbau" zu studieren. Vor ein paar Tausend Jahren sind die menschen auch ohne Hochschulstudium übers Meer gepaddelt (natürlich nicht so effektiv..).
Will sagen - wenige Rollenspieler kennen überhaupt Narrativismus als Begriff - noch weniger verstehen den Begriff. Trotzdem wird Rollenspiel gemacht - und das mit viel Spaß und vergnügen.
Also Charakterentwicklung...
Ich denke, es gibt gewisse Stadien in der Evolution der Rollenspieler und man muss ein gewisses Stadium haben, um sich einer Charakterentwicklung zuzuwenden. Gemeint Charakterentwicklung auf persönlicher Ebene, nicht auf den Spielwerten. Die meisten Rollenspieler haben bei der Idee einen Charakter zu erschaffen ein Bild im Kopf.
Und auf das Bild steuern sie zu. So soll der Held sein. Viele Systeme erlauben aber gar keinen solchen Helden, weil man erstmal in der ersten Stufe anfängt und sich langsam hocharbeitet. Letztendlich arbeitet man dann während des Spiels an der Vervollkommnung eines Wunschbildes. Das ist aber keine Charakterentwicklung. Denn das Wunschbild ist eine Momentaufnahme.
Systeme, die es ermöglichen sofort den gewünschten Zustand des Wunschbildes zu erreichen, sind da schon besser geeignet. Denn dann kann man das spielen, was man möchte.
Letztendlich fehlt dann noch die Initiierung - die Frage "und was willst Du mit dem Charakter anstellen"?
Die Antwort lautet meistens "Er soll dies und das erleben, mächtiger werden, bla und blubb"
Die Anpassung - die Entwicklung der Seele (des Charakters des Charakters [deswegen Seele, denn das klingt echt doof!) geschieht immer noch meist unbewusst und intuitiv.
Sehr oft (leider) versucht man sich auch ausschließlich an einer Vervollkomnung des Charakters - die Schwächen sollen eliminiert werden - die Entwicklung findet eben im Rahmen von Verbesserung statt - auch da wieder die Ursache - Verbesserung durch XP / Stufen prägen halt.
Eigentlich ist es blöd, einen perfekten Charakter zu spielen, denn der erlebt ja nichts mehr. Perfekte Menschen landen nicht in der Sch..., und wenn, dann haben sie kein Problem sich daraus zu befreien. Und je perfekter der Charakter, desto schwieriger hat es der Spielleiter, interessante Situationen zu schaffen. Je problemlösungsorientierter die Spieler spielen, desto anspruchsvoller muss das Problem sein. Je besser der Charakter in Werten und Ausrüstung, desto härter muss die Opposition sein. Rüstungsspirale - Alternative: Langeweile, da mangelnde Herausforderung.
Immer noch keine Entwicklung.
Warum? Weil keiner sich Gedanken um die Seelische Entwicklung des Charakters macht.
Wer sagt schon, dass er gern einen hochnäsigen Charakter spielen möchte, der irgendwann an sich zu zweifeln beginnt?
Oder einen Charakter der etwas gut kann, aber das gar nicht möchte aber in Situationen gerät, wo er es eigentlich müsste (seelischer Zweispalt)...
Nur wenige machen sich die Gedanken, und noch weniger sprechen drüber. Es gibt auch keine Werte im Spiel. Also auch keine Aufmerksamkeit, dass es sowas überhaupt geben könnte. (BESM hat imho eine Charakterkomponente, die sich Dilemma, Zwiespalt oder so nennt, das ist aber auch das einzige, das ich kenne)
Austausch zwischen Spieler und Spielleiter findet auch nicht diesbezüglich statt. Der wäre aber nötig, denn der Spielleiter muss ja die Situationen schaffen, damit der Charakter seine Erfahrungen macht, die zur Charakterlichen Entwicklung oder zum Zwiespalt führen. Wenn es keinen Austausch gibt, kann der SpL es nicht wissen und auch nichts passendes schaffen.
Das höchste der Gefühle, das ich da erlebt habe, war der Wunsch zweier Spieler, deren Charaktere sich stetig stritten, dass der Spielleiter sie mal in ein richtiges Problem führe, damit sie da gemeinsam bestehen und dadurch "Freunde" werden.
Meistens schafft der Spielleiter die Situationen, die er sich ausdenkt, und die seelische Charakterentwicklung nimmt daraus ungeplante Züge an, oder findet gar nicht statt. Planung unmöglich.
Mein Fazit: Die meisten Rollenspiele haben keine seelische Charakterentwicklung. Das Spielsystem müsste es ermöglichen die Charaktere, die man spielen möchte von begin an zu spielen und nicht erst den Weg dahin erfordern (Stufenaufstiege). Ausserdem wird in allen mir bekannten Systemen gar nicht darauf hingewiesen, dass eine seelische Charakterentwicklung überhaupt gibt und was notwendig wäre, um sowas umzusetzen und das dies genauso viel Anspruch (wenn nicht mehr) und Unterhaltung bieten kann, als die Vervollkommnung der Charakterwerte.
Allgemein wird das Rollenspiel meist zu problemorientiert und zu simulationistisch gespielt. Simulation setzt zufällige Ergebnisse und ungeplante Resultate voraus, Probelmorientierung führt zum Wunsch des Vervollkomnen des Charakters.
Wie kann man den Spielern dann überhaupt die Beschäftigung mit der "introvertierten" Entwicklung überhaupt schmackhaft machen? Den meisten wahrscheinlich gar nicht, denn sie sind glücklich mit dem, was sie spielen.
Ansonsten bräuchte man Platz auf den Dokumenten der sich um die Seelischen Belange des Charakters kümmert und auch um die Entwicklung dieser. Und auch, Raum für Dilemma und Zwiespalt und dergleichen. Widersprüche...
Denn nur das, was auf dem Charakterdokument steht, wird auch von den Spielern wahrgenommen.
Allgemein wäre es hilfreich, wenn ein Umdenken stattfindet, vom "möglichst perfekt sein wollen" auf die Erkenntnis dass Perfektion Langeweile bedeutet. Dass nur Fehler interessante Situationen ermöglichen. Denn dann würden die, die das erkennen vom Wunsch des Perfekten abkommen und sich anderen Dingen zuwenden - ggf. den Zwiespälten und der seelischen Entwicklung des Charakters.