Raum 4 A 07 - Sir Keitaros Quartier
Keitaro musste läuten, um in sein Quartier zu gelangen - seine Diener hatten die Zugangskarten im Terminal abgeholt, und er hatte sie seither nicht gesprochen. Arion öffnete sofort, als hätte er bereits hinter der Tür gewartet. "Sir! Welch seltener Anblick! Wir hatten Euch bereits vermisst."
"Arion. Sag den anderen, sie sollen sich bewaffnen. Ich will die Tür rund um die Uhr bewacht wissen." Keitaro trat an seinem Diener vorbei in die Räumlichkeiten, die für die nächsten Tage sein Quartier sein sollten. Es war bereits alles nach seinen Wünschen hergerichtet - er bevorzugte auf Reisen extrem spartanische Einrichtung. Ein Bett. Ein niedriger Tisch aus schwarz lackiertem Holz. Sein Kriegshelm, der einsam den ansonsten nackten Rüstungsständer in der Ecke zierte.
"Ihr habt Euch Feinde gemacht, Sir? Wir sind noch nicht einmal zwei Stunden hier... Ihr habt Euren eigenen Rekord gebrochen!" Arion war dem Ritter gefolgt, erleichtert, dass ihm die Suche nach ihm in den Korridoren der Station erspart geblieben war.
"Ich bin nicht sicher... aber es steht zu befürchten, dass Baron Enkidi einen Assassinen auf mich ansetzen wird. Es ist..." ...genau das, was wir an seiner Stelle tun würden... "...jedenfalls nicht ganz unwahrscheinlich."
Arion schauderte beim Anblick des festgeforeren Lächelns auf dem sonst so lebendigen Gesicht seines Herrn. Keitaro, wie er ihn kannte und schätzte, war emotional, aufbrausend, manchmal sogar gewalttätig, aber auch offenherzig und humorvoll. Der Mann jedoch, der vor ihm stand, zeigte keine Gefühle, schien kaum zu realisieren, was sein Diener sagte. Früher hatte Arion seinem jungen Meister selbst Meditationstechniken gelehrt; dazu hatte aber nicht gehört, sich im Zustand geistiger Leere zu bewegen und zu sprechen. Die kurze Ausbildung, die Keitaro auf Sancta Terra erhalten hatte, hatte ihn möglicherweise stärker verändert, als seine lange Zeit als Krieger. Wie sollte er mit seinem Herrn in diesem Zustand umgehen? "Baron Enkidi? Darf ich daraus schließen, dass es sich um denjenigen handelt, den wir suchen?"
Keitaro nickte, trat dann auf den Rüstungsständer zu - ein Zeichen, dass man ihm aus der Panzerung helfen solle. "Zu meinem großen Bedauern, ja. Unser erstes Gespräch verlief nicht sehr erfolgreich. Aber er ist der, von dem Septimus in seiner Botschaft schrieb. Du wirst gleich zu ihm gehen, und ihn in meinem Namen um eine weitere Audienz ersuchen."
Die beiden anderen Dienstboten eilten herbei, um dem Ritter Teil für Teil die Rüstung abzunehmen, während Arion dessen Bericht über die bisherigen Geschehnisse des Abends lauschte. Zielstrebig wie immer! Der Lextiusritter hatte wahrlich keine Zeit verloren. Aber eine Frage war unbeantwortet geblieben: "Und Euer Bruder, Sir?"
"Tot." Keitaros Blick blieb ausdrucksleer. "Ich werde gleich die Kapelle der Station aufsuchen und für seine Seele beten. Anschließend wünsche ich Nahkampftraining - es wird hier irgendwo Übungshallen zur Miete geben, bitte arangiere das mit der Stationsverwaltung."
Arions Gesicht verlor sichtbar an Farbe. Er selbst hatte längst nicht mehr daran geglaubt, dass Kiritan noch am Leben sei, hatte bereits vor Wochen im Stillen um den Bruder seines Meisters getrauert. Aber Keitaros Verhalten war beängstigend. Unnatürliche Ruhe vor einem Sturm, den er nicht erleben wollte. Dennoch versuchte der alte Diener, sich nichts anmerken zu lassen, als er dem Ritter einen Becher mit Wasser reichte. "Selbstverständlich, Sir... ich werde das umgehend erledigen, sobald ich von meinem Botengang zu Lord Enkidi zurück bin."
"Gut. Wenn es möglich ist, finde heraus, wer sonst noch zum Gefolge des Barons gehört. Außerdem benötige ich noch..." Die massive Gestalt des Li Halan kam ins Wanken, sank schließlich auf die Knie. "... noch etwas..."
Er fing den schweren Körper seines bewusstlosen Meisters auf, als dieser vornüber kippte. "Ruhe, mein junger Herr, Ihr benötigt vor allen Dingen Ruhe!." Keitaro hatte seit Tagen kaum geschlafen - möglicherweise gar nicht, hätte sein Diener nicht ab und zu nachgeholfen. Mit einem Seufzen bereitete Arion eine Spritze vor, verabreichte sie dem Schlafenden. Das Schlafmittel alleine würde nicht lange wirken.
Dann hob er den Wasserbecher auf, spülte die verräterischen Pulverrückstände weg. "Legt ihn auf sein Bett, und kümmert euch um diese Wunden an seiner Hand. Ich habe noch etwas zu erledigen..."