Autor Thema: Rant: Zu viel Theorie?!  (Gelesen 17071 mal)

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Re: Rant: Zu viel Theorie?!
« Antwort #50 am: 3.03.2005 | 15:03 »
Okay, meine 2 Cent zum Thema. Als Aufhänger nehme ich mal ein Posting von Ein. Nicht, weil es hier an anderen Aufhängern mangelt, sondern weil Ein das sehr schöne Talent besitzt, sich kurz und prägnant auszudrücken und ich deshalb nicht so viel zitieren muß  ;D

Wie man sowas aber vernünftig produziert (programmiert) lernt man nur durch Beschäftigung mit der Theorie (aka. Analyse) und dem Ausprobieren von Ideen.

Und wenn die Analyse zeigt, daß Theorien falsch oder unvollständig sind und die Wirklichkeit nur unzureichend widerspiegeln? Dann muß man zurück an den Schreibtisch und weiterforschen. Viele Rollenspieltheorien haben sich als unzureichende oder unbegründete (und somit gänzlich unwissenschaftliche) Modelle herausgestellt (auch wenn ihr es nicht wahrhaben wollt. Träumt doch weiter, aber verratet 's keinem Wissenschaftstheoriker  ;) ); revidiert werden sie deshalb nicht.

Ergo, wer eine unzureichende Theorie als Grundlage für die Praxis nimmt, kann zu guten Ergebnissen kommen. Aber er muß es nicht. Im Prinzip sind die Chancen eines Theorieunkundigen genau so hoch, zu einem guten Ergebnis zu kommen. Und die Rollenspiele auf dem Markt (auch auf dem Indie-Markt) bestätigen das.

Nein, man muss seine kritischen Lehren aus der Theorie (oder aus seinen empirischen Erfahrungen) gezogen haben, um ein gutes Rollenspiel zu schreiben.

1. Zieht man kritische Lehren aus der Theorie, so entsteht Innovation (ein schönes Schlagwort, daß offenbar zu den dominierenden Wörtern dieses Diskussionsthemas gehört). Aber wenn die Theorie Macken hat, so kann es gut sein, daß sich die Innovation nicht durchsetzt. Viereckige Räder waren auch ausgesprochen innovativ. Haben wollte sie aber niemand. Und warum? Man hat eine Technologie umgesetzt, die auf einer unausgegorenen Theorie basierte.

2. Was ist ein "gutes" Rollenspiel? "Gut" ist nicht gerade ein objektives Wort. Und wenn man hier im wissenschaftlichen Kontext eine Theorie diskutieren will, dann sollte man subjektive Eindrücke vermeiden.
Mein persönliche Meinung: Ein gutes Rollenspiel zeichnet sich dadurch aus, daß die Menschen Spaß daran haben. Ein gutes Rollenspiel zeichnet sich auch durch innovative, für die Praxis taugliche Begriffe aus. Ein gutes Rollenspiel zeichnet sich aber nicht dadurch aus, daß es eine erarbeitete Theorie wiederspiegelt.

Und das trifft IMO weder auf D&D noch auf DSA zu, jedenfalls nicht nach dem heutigen Technologiestand im Rollenspiel.

Wenn Rollenspiel eine Kunst ist, dann hat es keinen "Technologiestand". Technologie ist die praxisgerechte Umsetzung einer gut untermauerten Theorie. Diese ist für den Sektor des Rollenspiels nichtexistent, weil sich niemand die Mühe macht, die erarbeiteten Theorien über sein persönliches Umfeld hinaus zu überprüfen.

Nächster Punkt: DSA und D&D sind IMHO "gute" Rollenspiele, weil sie sehr vielen Menschen Freude bereiten. Andererseits sind sie mir zu anspruchslos (Kurzum: Ich find' beide blöd  ;)). Das macht zwar in meinen Augen wenig innovativ, aber nicht "schlecht".

Meine Meinung zum Thema, um mal endlich zum Kern der Sache vorzustoßen, ist die folgende:
Für die Entwicklung eines anspruchsvollen Spiels brauche ich keine Theorie, sondern ich brauche Erfahrung. Kunsttheorie macht aus mir keinen Künstler. Talent und Übung machen aus mir einen Künstler. Und wenn ihr jetzt sagt, Rollenspiel ist keine Kunst, dann ersetzt doch einfach in den obigen Sätzen Kunst durch Technik oder was auch immer...

Und wenn Rollenspiel Kunst ist, dann sehe ich nicht, wie eine auch immer geartete Theorie die Entwicklung guter Spiele begünstigen soll...
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Ludovico

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Re: Rant: Zu viel Theorie?!
« Antwort #51 am: 3.03.2005 | 15:05 »
Euer Beispiel ist eine klassische Dienstleistungssituation. Auf das Rollenspiel übertragen ist das die Beziehung SL<->Spieler.

Bei Rollenspieltheorie dagegen geht es um wissenschaftliche Überlegungen. Auf die IT-Welt übertragen, ist das IMO also die R&D-Sphäre an den wichtigen IT-Universitäten, wie Berkeley oder MIT, oder die Linux-Entwicklerforen.

Es ist durchaus ähnlich und vergleichbar, denn auch an den wichtigen IT-Universitäten erforscht man ja Dinge, die später praktisch angewendet werden sollen.

Offline Boba Fett

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Re: Rant: Zu viel Theorie?!
« Antwort #52 am: 3.03.2005 | 15:08 »
@Ein:
Ich sehe dass so, dass die Rollenspieltheorien die Belange der klassischen Dienstleistungssituationen beinhalten müssen.
Die Beziehung SpL <-> Spieler ist doch eine der beiden essentiellen Beziehungen (die andere ist Spieler <-> Spieler).
Was nützt mir eine Theorie, wenn sie diese Ebene und diese Beziehungen unberücksichtigt lässt. Und gerade GNS ist doch ein Modell, das man dazu nutzen kann um genau diese Beziehungen auch aufzubohren und zu verstehen.
Creative Agenda übrigens auch. (Du siehst Vermi - ich lese ;) )

Es geht nicht nur um abgehobene Theorie. GNS ist ein Modell, dass man als Werkzeug benutzen kann.
Als Spieler und auch als Spielleiter - aber nur, wenn man es auch versteht.
Deswegen ist es alben zu sagen, dass die Spieler und Spielleiter mit dieser Theorie nichts zu tun haben.
Kopfgeldjäger? Diesen Abschaum brauchen wir hier nicht!

Catweazle

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Re: Rant: Zu viel Theorie?!
« Antwort #53 am: 3.03.2005 | 15:09 »
Meine Meinung (ganz allgemein):

1. Die Beschäftigung mit Rollenspieltherorien ist wichtig und sinnvoll. Egal wie dilletantisch oder abgehoben diese Beschäftigung statt findet. Alles, was einen Fortschritt zum Ziel hat, empfinde ich zunächst einmal als positiv. Dazu zähle ich die GNS-Theorie genau so, wie die Frage nach dem richtigen Würfel. Dies gilt ganz unabhängig davon, dass ich die GNS-Theorie für in der Praxis untauglich und für mich persönlich höchst unbefriedigend halte. Allein die Tatsache, dass sich Menschen intensiv mit dem Thema Rollenspiel befassen, finde ich gut. Egal, ob mir das Ergebnis gefällt oder nicht.

2. Man sollte die Beschäftigung mit einem Hobby aber auch nicht überbewerten. Donaldisten mögen sich ernsthaft mit etwas auseinandersetzen, aber es bleibt die ernsthafte Auseinandersetzung mit einem unwichtigen Thema. Genau so sehe ich es mit dem Entwickeln von Rollenspielen. Ich habe Respekt vor der Arbeit, die hinein gesteckt wird, aber ich schüttle auch manchmal den Kopf, wie sehr sich jemand in ein Hobby hineinsteigern kann (siehe auch fanatische Trekkies). Solange dies auch vom Entwickler als persönlicher Eifer verstanden wird ist das okay. Er darf sich aber nicht wundern, wenn andere, die dieses Hobby nicht ganz so ernst nehemen, ihm den "Respekt" schuldig bleiben. Rollenspiel ist und bleibt ein Spiel und die ernsthafte Auseinandersetzung mit einem Spiel ist eben auch nur die ernsthafte Auseinandersetzung mit einem SPIEL.

3. Definitionen! Wer gemeinsam an einem Projekt arbeitet benötigt einen gemeinsamen Konsens. Dieser wird definiert. Wichtig ist jedoch, dass eben jene Definitionen nur und ausschließlich für diese Projektgruppe Gültigkeit haben und nicht von allen akzeptiert werden müssen. Schon gar nicht außerhalb der Gruppe. Bestes Beispiel ist die Mathematik, wo Definitionen z.B. für Primzahlen je nach angestrebtem Beweis variieren. Hier ist aber jede Definition für jeweils diese Gruppen richtig. Keine falsch. Ich bin im Forum oft auf eine gewisse Verbohrtheit gestoßen, wo eine kleine Gruppe glaubte seine Definitionen über alle Mitglieder stülpen zu können, egal ob sie sich zur Definition bekannten oder nicht. Wer mit der Definition nicht einverstanden war wurde als Querulant dargestellt. So geht es natürlich nicht! Nochmal: Definitionen sind für jedes Projekt mit mehreren Teilnehmern unbedingt erforderlich. Eine allgemeine Gültigkeit kann man aber nicht einfach unterstellen.

4. Der Anspruch. Wer sich ernsthaft mit einem Thema beschäftigt hat sicherlich auch eine größere Erfahrung mit dem Thema. Wir kennen das aus der Wissenschaft. Und wir kennen auch aus der Wissenschaft, dass man dennoch falsch liegen kann. Einstein wollte die Quantenmechanik nicht anerkennen ("Gott würfelt nicht"), das heliozentrische Weltbild wurde lange geleugnet und das Schnabeltier hielten "Experten" für eine Fälschung. Bei einem Spiel gibt es nicht "eine Wahrheit", sondern nur viele Meinungen. Manche weniger fundiert als andere, aber dennoch mit dem gleichen Stellenwert. Eine gewisse Arroganz, den "laienhaften" Rollenspiel-Theoretikern gegenüber konnte ich mehr als einmal feststellen. Wer Anerkennung in den Rollenspielkreisen für seine Theorien sucht, sollte vielleicht einmal sein eigenes Verhalten analysieren und von seinem hohen Ross absteigen. Von gleich zu gleich unterhält es sich besser und man ist vielleicht eher gewillt, den Theorien Beachtung zu schenken. Nur mal als Denkanstoß.

Offline Fredi der Elch

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Re: Rant: Zu viel Theorie?!
« Antwort #54 am: 3.03.2005 | 15:13 »
Zum ganzen Anwendungsproblem:
Blabla. Die Anwendung hat gezeigt, dass sehr viele gute (im Sinne, dass sie Leuten Spaß machen) Spiele aus den theoretischen Überlegungen entstanden sind. Alles andere hier vorgebrachte ist heiße Luft.
Bestimmte Spiele mögen nur für einen Nischenmarkt sein. Das ist aber fast jedes andere Rollenspiel auch. So what? Und beweisen, dass die Theorie schuld war, dass die Rollenspiele gut sind, können wir auch nicht. So what?

Kunsttheorie macht aus mir keinen Künstler. Talent und Übung machen aus mir einen Künstler.
Ich würde sagen: Talent, Übung und ein theoretisches Verständnis für das Medium machen zusammen einen guten Künstler.

Was für Rollenspiele (und auch RPG-Design) IMO folgendes heist:
1. Viel spielen
2. Viele, viele verschiedene Spiele lesen und spielen
3. Sich auch mit der theoretischen Basis des Mediums Rollenspiel zu befassen.

Aber wie gesagt, das gilt nur für einen Rollenspieler, der sich wenigstens etwas als Künstler begreift. Was, wie gesagt, kein muss ist.
« Letzte Änderung: 3.03.2005 | 15:19 von Fredi der Elch »
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Zitat von: 1of3
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Offline Arbo

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Re: Rant: Zu viel Theorie?!
« Antwort #55 am: 3.03.2005 | 15:14 »
Hi!

Meine zwei Cents ...

Theorie ist ganz gut. Sie kann bisweilen auch eine "Lebensaufgabe" bzw. selbst zu einem "Hobby" werden. Gelegentlich sollt man das im Hinterkopf behalten. Darüber hinaus können Theorien auch womögliche (!) Erklärungsansätze (für etwas - was auch immer) liefern.

Das Problem ist aber, dass Theorien auch mit einem Allgemeingültigkeitsanspruch verbunden sein können. Und dann wird es "brenzlig". Es wäre schade, wenn dann nicht mehr das Rollenspiel im Zentrum stünde, sondern ein blödsinniger, dogmatischer Hickhack  >:(

Das gilt insbesondere, weil Theorien nicht zwangsläufig zum Erfolg führen müssen. Oder vielleicht etwas ketzerischer ausgedrückt: Wenn Theorie alles wäre, müssten Buchkritiker die besten Schriftsteller sein ;) ... Der Pfad zur Besserwisserei ist daher m.E. wahrlich sehr schmal.

Was die "Kunst" betrifft ... so hat Rollenspiel sicherlich etwas mit Kunst zu tun. Und wer der Meinung ist, dass Rollenspiel keine Kunst wäre, dem sei der Begriff der Unterhaltungskunst vorgehalten. Denn ja, vielleicht sind wir ja eine Art Unterhaltungskünstler, wie Schriftsteller, Schauspieler usw. auch.

Zur Kunst und Theorie: Kunst versucht ja teilweise Grenzen zu überschreiten. Theorien können in diesem Sinne aber auch als Grenzen angesehen werden. Wenn das in der breiten Masse geschieht (Kunst), verlieren dann Theorien nicht ihre Gültigkeit?

@ DURAG:

Zitat
Mit einer Rollenspielszene, die sich als Künstlerschule versteht und darüber philosophiert, wie man Kultur schafft, will ich jedenfalls nichts zu tun haben.

Kann es nicht sein, dass unser Hobby teilweise diese Tendenzen aufweist beziehungsweise sehr anfällig dafür ist?

@ 1of3@aera:

Zitat
Da hast du wohl war. Aber du willst auch keine Rollenspiele entwickeln, oder? Denn wer das möchte, sollte in diesem Theorie-Zeug schon bewandert sein

Kunstanspruch und Rollenspielentwicklung müssen nicht zwangsläufig miteinander einher gehen.

@ Boba (11):

Dem kann ich nur zustimmen. Letztlich muss es eigentlich auch im Sinne dieser "Theoretiker" sein, denn breite Akzeptanz usw. können diese Dinge nur finden, wenn man sich auch um eben diese Akzeptanz bemüht. Ansonsten entsteht der Eindruck, man möchte nicht verstanden werden. Und damit habe auch ich ein großes Problem, denn dass hat dann etwas mit Ausgrenzung zu tun.

(Dieses Phänomen scheint mir im Grunde auch viel Allgemeiner als man glauben mag.)

-gruß,
Arbo

Nachtrag: Eine (!) Theorie macht noch lange kein Rollenspielsystem. Deshalb dreht sich meiner Meinung nach der "Knatsch" eher darum, dass versucht wird, Rollenspiel "zu erklären". Wenn ich die Beiträge so verfolge, komme ich zum Schluss, dass wohl zwei Grundprobleme damit verbunden sind: (1) WIE (Art und Weise) wird Rollenspiel erklärt (Herangehensweise, Darstellung)? und (2) Unterliegt das Rollenspiel überhaupt allgemeingültigen Gesetzmäßigkeiten, die erklärt werden können?

[EDIT] Dailor durch DURAG ersetzt - habe mal wieder beim Zitieren getrant ;)
« Letzte Änderung: 3.03.2005 | 15:24 von Arbo Moosberg »
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Catweazle

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Re: Rant: Zu viel Theorie?!
« Antwort #56 am: 3.03.2005 | 15:17 »
[edit]schnipp[/edit]

Nachtrag:
Zitat
Nachtrag: Eine (!) Theorie macht noch lange kein Rollenspielsystem. Deshalb dreht sich meiner Meinung nach der "Knatsch" eher darum, dass versucht wird, Rollenspiel "zu erklären". Wenn ich die Beiträge so verfolge, komme ich zum Schluss, dass wohl zwei Grundprobleme damit verbunden sind: (1) WIE (Art und Weise) wird Rollenspiel erklärt (Herangehensweise, Darstellung)? und (2) Unterliegt das Rollenspiel überhaupt allgemeingültigen Gesetzmäßigkeiten, die erklärt werden können?

Ich habe kein Problem damit, dass jemand versucht das Rollenspiel zu erklären. Ich habe Probleme damit, dass einzelne Personen versuchen Verhalten bei Rollenspielen zu BEWERTEN. Jemand versucht zu sagen, was gut und was schlecht ist. Schlimmer noch. Da behaupteten sogar Leute im Forum zu wissen, wer Gut und Schlecht festlegen DARF! Kraft selbsterklärten überlegenen Wissens "sinnloser" Theorien. Damit habe ich ein echtes Problem.
« Letzte Änderung: 3.03.2005 | 15:29 von Dailor »

Ludovico

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Re: Rant: Zu viel Theorie?!
« Antwort #57 am: 3.03.2005 | 15:27 »
Zitat
Blabla. Die Anwendung hat gezeigt, dass sehr viele gute (im Sinne, dass sie Leuten Spaß machen) Spiele aus den theoretischen Überlegungen entstanden sind. Alles andere hier vorgebrachte ist heiße Luft.

Ebenso ist sehr viel, was die Theorie erzeugt, heiße Luft. Wie stark wird die Theorie bei der Rollenspielherstellung (vor allem der kommerziellen) angewendet?
Zitat
Bestimmte Spiele mögen nur für einen Nischenmarkt sein. Das ist aber fast jedes andere Rollenspiel auch. So what? Und beweisen, dass die Theorie schuld war, dass die Rollenspiele gut sind, können wir auch nicht. So what?

Wie viele erfolgreiche RPGs, die via Theorien entwickelt werden, gibt es und wie viele von diesen RPGs verschwinden ganz schnell wieder (entweder fliegen sie vom Markt oder verschwinden in den Weiten des Netzes um nie wieder ausgebuddelt zu werden)?
Zudem würde mich sehr interessieren, wie viele erfolgreiche RPGs es gibt, bei denen die Authoren von Theorien keine Ahnung haben und wie viele von solchen RPGs keinen Erfolg haben.

Selbst wenn die Theorie jetzt noch nützlich ist, so konnte bislang leider nicht widerlegt werden, daß die Gefahr der Bildung einer vermeintlichen "Elite", die nur von ihresgleichen verstanden wird und an der Masse der Rollenspieler vorbeientwickelt, durchaus gegeben ist (also wie bei diversen Programmieren).
« Letzte Änderung: 3.03.2005 | 15:28 von Ludovico »

Offline Fredi der Elch

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Re: Rant: Zu viel Theorie?!
« Antwort #58 am: 3.03.2005 | 15:35 »
Oh Mann, Ludo... Worauf willst du hinaus? Wenn dein Argument in dem Stil "BILD ist besser als Goethe, das lesen nämlich viel mehr Leute" / "Esst mehr Scheiße, Millionen Fliegen können sich nicht irren" ist, brauchen wir nicht mehr weiterzudiskutieren, oder?

Selbst wenn die Theorie jetzt noch nützlich ist, so konnte bislang leider nicht widerlegt werden, daß die Gefahr der Bildung einer vermeintlichen "Elite", die nur von ihresgleichen verstanden wird und an der Masse der Rollenspieler vorbeientwickelt, durchaus gegeben ist (also wie bei diversen Programmieren).
Was ist denn daran die Gefahr? Das passiert in jedem Markt. Und manchmal werden einige Ideen der selbsternannten "Avantgarde" vom Mainstream aufgegriffen und meistens nicht. So ist das eben und das ist doch auch gut so, oder?

Du scheinst aber keine Theorie zu mögen und sie auch für unnütz zu halten. Ok, dein Bier. Gibt nicht mehr viel dazu zu sagen. Außer: Viel Spaß weiterhin mit DSA / D&D.
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Zitat von: 1of3
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Re: Rant: Zu viel Theorie?!
« Antwort #59 am: 3.03.2005 | 15:39 »
@ Dailor:

Ich wollte damit grob umreißen, um welche wesentlichen Punkte hier m.E. eigentlich (herum) gestritten wird.

Zitat
Ich habe Probleme damit, dass einzelne Personen versuchen Verhalten bei Rollenspielen zu BEWERTEN. Jemand versucht zu sagen, was gut und was schlecht ist. Schlimmer noch. Da behaupteten sogar Leute im Forum zu wissen, wer Gut und Schlecht festlegen DARF! Kraft selbsterklärten überlegenen Wissens "sinnloser" Theorien. Damit habe ich ein echtes Problem.

Für problematischer halte ich aber, wenn noch nicht einmal verständlich (!) gesagt wird, WARUM etwas gut oder schlecht ist. Ich möchte das doch zumindestens nachvollziehen können und daraus meine Entscheidung (Ablehung, Nicht-Ablehnung) treffen. *Abschweif* Das ist in etwa so, wie einer dieser Wirtschaftsprofessoren, der da vor dem Publikum das ein oder andere Phänomen erwähnt, dann aber sagt, dass das recht kompliziert sei und das das Problikum deshalb den ganzen Kram erstmal so hin nehmen solle ...
« Letzte Änderung: 3.03.2005 | 15:49 von Arbo Moosberg »
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Ludovico

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Re: Rant: Zu viel Theorie?!
« Antwort #60 am: 3.03.2005 | 15:40 »
Oh Mann, Ludo... Worauf willst du hinaus? Wenn dein Argument in dem Stil "BILD ist besser als Goethe, das lesen nämlich viel mehr Leute" / "Esst mehr Scheiße, Millionen Fliegen können sich nicht irren" ist, brauchen wir nicht mehr weiterzudiskutieren, oder?

Die Theorie hat die Aufgabe, für eine Verbesserung des Rollenspiels, von Mechanismen und Leitstilen zu sorgen. Sie soll nicht nur weiterentwickeln, sondern dahingehend verbessern, daß auf veränderte Bedürfnisse eingegangen wird. Der Anspruch an ein Rollenspiel von vor 20 Jahren ist sicher ein anderer gewesen als heutzutage.
Allerdings sehe ich schon jetzt die Gefahr, daß die Theorie sich verselbstständigt, total abgehoben wird und einfach diese Aufgabe nicht mehr für die Masse der Rollenspieler erfüllt, sondern nur noch für einige wenige.

Was ist denn daran die Gefahr? Das passiert in jedem Markt. Und manchmal werden einige Ideen der selbsternannten "Avantgarde" vom Mainstream aufgegriffen und meistens nicht. So ist das eben und das ist doch auch gut so, oder?

Warum sollte das gut sein?

Übrigens hab ich kein Problem mit der Theorie. Ich würde mich sogar stärker damit beschäftigen, wenn sie denn für Normalsterbliche verständlich wäre.



Catweazle

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Re: Rant: Zu viel Theorie?!
« Antwort #61 am: 3.03.2005 | 15:48 »
Hmmm ... Fredi, wie er leibt und lebt. Nett, argumentativ und kein bisschen polemisch. Großartig.

@Fredi, der das nie lesen wird:
Selbst wenn die Theorie jetzt noch nützlich ist, so konnte bislang leider nicht widerlegt werden, daß die Gefahr der Bildung einer vermeintlichen "Elite", die nur von ihresgleichen verstanden wird und an der Masse der Rollenspieler vorbeientwickelt, durchaus gegeben ist (also wie bei diversen Programmieren).
Was ist denn daran die Gefahr? Das passiert in jedem Markt. Und manchmal werden einige Ideen der selbsternannten "Avantgarde" vom Mainstream aufgegriffen und meistens nicht. So ist das eben und das ist doch auch gut so, oder?

Die Bildung einer selbsternannten Elite, die anderer Leute Meinungen und Künste abwertet, finde ich nicht positiv. Ich bedauere diese Entwicklung in Literatur, ich bedauere sie in der Filmindustrie und auch in fast jeder anderen Form der Kunst. Nun halte ich den Rollenspielbau nicht für eine Kunst, aber die Entwicklung selbstgefälliger und überheblicher Möchte-Gern-Profis mag ich nicht. Nenn' mich doch einen Laien. Damit kann ich leben. Aber es steht noch der Beweis aus, dass die Spiele der Theoretiker besser sind. Oder versteht man sich dort als "Grundlagenforscher"?

Ein

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Re: Rant: Zu viel Theorie?!
« Antwort #62 am: 3.03.2005 | 15:56 »
Zitat
Wie stark wird die Theorie bei der Rollenspielherstellung (vor allem der kommerziellen) angewendet?

Tipp: Les dir mal ein paar Blogs von Rollenspieldesignern durch. Auf lifejournal.com hängen eine Menge Designer ab und nur die wenigsten von ihnen behaupten, dass Theorien nutzlos wären. Vielmehr betonen viele von ihnen, dass Theorien nützlich sein können, um einen klareren Blick für das Design zu entwickeln, der sonst durch den Nebel des Beliebigen verhüllt wird.

Zitat
Allerdings sehe ich schon jetzt die Gefahr, daß die Theorie sich verselbstständigt, total abgehoben wird und einfach diese Aufgabe nicht mehr für die Masse der Rollenspieler erfüllt, sondern nur noch für einige wenige.

Das nennt sich Diversifikation. Gibt es in anderen Medien auch. Da gibt es immer die Alteingesessenen, die innovativen Trendsetter und die, die ihr eigenes Dinge für ihr teils winziges Zielpublikum machen.

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Re: Rant: Zu viel Theorie?!
« Antwort #63 am: 3.03.2005 | 16:04 »
Die Theorie hat die Aufgabe, für eine Verbesserung des Rollenspiels, von Mechanismen und Leitstilen zu sorgen. Sie soll nicht nur weiterentwickeln, sondern dahingehend verbessern, daß auf veränderte Bedürfnisse eingegangen wird.

Mist, jetzt muß ich dem Gegner einen Trumpf zuspielen, denn hier muß ich Dir widersprechen  :-\

Die Theorie hat die Aufgabe, das Rollenspiel, insbesondere seine Mechanismen und seine Interaktion mit der Umwelt, zu erklären. Verbesserung ist grundsätzlich keine Aufgabe einer Theorie. Das ist "nur" die Aufgabe ihrer praktischen Umsetzung, die ermöglicht wird, weil man die theoretischen Zusammenhänge dank der Theorie (hoffentlich) klarer sehen und (HOFFENTLICH) besser verstehen kann.

ABER...  ~;D

IMHO erfüllen die meisten hier genannten Theorien schon den obigen Grundanspruch nicht (zumindest konnte mir hier noch niemand ein schlüssiges Argument dafür geben). Wie man darauf dann eine praktische Umsetzung erfolgreich aufpropfen kann, bleibt mir weiterhin verschlossen.
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Ludovico

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Re: Rant: Zu viel Theorie?!
« Antwort #64 am: 3.03.2005 | 16:06 »
Tipp: Les dir mal ein paar Blogs von Rollenspieldesignern durch. Auf lifejournal.com hängen eine Menge Designer ab und nur die wenigsten von ihnen behaupten, dass Theorien nutzlos wären. Vielmehr betonen viele von ihnen, dass Theorien nützlich sein können, um einen klareren Blick für das Design zu entwickeln, der sonst durch den Nebel des Beliebigen verhüllt wird.

Ich hab ja auch nicht geschrieben, daß Rollenspieltheorien unnütz sind. Vielmehr behaupte ich, daß sie schon jetzt der Allgemeinheit kaum zugänglich sind, da der Jargon so unverständlich ist.

Zitat
Das nennt sich Diversifikation. Gibt es in anderen Medien auch. Da gibt es immer die Alteingesessenen, die innovativen Trendsetter und die, die ihr eigenes Dinge für ihr teils winziges Zielpublikum machen.

Niemand zwingt dich interlektuelle, sozialkritische Kunstfilme zu sehen, aber ist das ein Grund sie zu verbieten?

Allerdings bin ich gezwungen, mich mit Computerprogrammen zu beschäftigen, wenn ich am Computer sitze. Ich bin gezwungen, den Leuten zu vertrauen, die diese Programme herstellen.
Übrigens nervt es mich etwas, daß man scheinbar versucht, mir hier Worte in den Mund zu legen.
Hab ich irgendwo geschrieben, daß abgehobene Rollenspieltheoretiker verboten werden sollten?
Ich bin dafür, daß Rollenspieltheorien der Allgemeinheit zugänglich gemacht werden und daß RPG-Authoren auch einen Blick auf das Wesentliche haben und nicht in ihrem Theorie-Himmel vollkommen an den Bedürfnissen vorbeiproduzieren.
Wenn das einige machen, ist das ja nicht so wild.
Aber man sehe sich mal die Computersparte wieder mal an. Da hocken mehr als genug Leute, mit denen man sich nicht unterhalten kann, wenn man nicht selber Informatik studiert hat und gerade heutzutage werden auch gerne Programme entworfen, die zwar für die Kunden entwickelt wurden, aber in der Anwendung vollkommen unpraktisch sind bzw. die Bedürfnisse teilweise oder ganz außer Acht lassen, die sie befriedigen sollen.

Zitat von: haukrinn
Die Theorie hat die Aufgabe, das Rollenspiel, insbesondere seine Mechanismen und seine Interaktion mit der Umwelt, zu erklären. Verbesserung ist grundsätzlich keine Aufgabe einer Theorie. Das ist "nur" die Aufgabe ihrer praktischen Umsetzung, die ermöglicht wird, weil man die theoretischen Zusammenhänge dank der Theorie (hoffentlich) klarer sehen und (HOFFENTLICH) besser verstehen kann.

Danke für die Richtigstellung! Das ist einleuchtend.
Darf ich Deinen letzten Absatz so verstehen, daß die Theorien diesen Grundanspruch nicht erfüllen, weil sie selber nicht mehr verständlich sind?

Ein

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Re: Rant: Zu viel Theorie?!
« Antwort #65 am: 3.03.2005 | 16:11 »
Okay. Viele tuen hier so, als wäre jede Form von Rollenspieltheorie total abgespacet und würde nur verstanden, wenn man einen Doktor in irgendeiner akademischen Disziplin hätte, was murks ist. :-*

Sicher Big Model, GNS, GENder sind alle sehr komplex und vergeistlich. Aber Robin's Laws oder das alte Three-Fold sind leicht verständlich und trotzdem Theorie. :d

Theorie muss nicht überkompliziert werden (einen Vorwurf den ich selbst immer gegen die Forge erhebe), sie kann auch leichter verständlich sein. ;)

Aber der Knackpunkt ist doch der: Wenn euch all die Theorie in ihrer jetztigen Form nicht in den Kram passt. Setzt euch hin, analysiert, abstrahiert und formuliert selbst. Schreibt eure eigenen Theorien, wenn euch die anderen sprachlich oder technisch nicht zu sagen.

Das ist nämlich auch eine Art und Weise, wie man das Rollenspiel weiterbringen könnte. Und sicherlich konstruktiver als nur den Theoretikern vorzuwerfen, sie wären versnobte Avantgardisten und Möchtegern-Gelehrte. ;)


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Re: Rant: Zu viel Theorie?!
« Antwort #66 am: 3.03.2005 | 16:12 »
puh ich trau mich ja eigentlich nicht so richtig, aber ich äussere mich mal dazu..

also ich verstehe vor allem eines nicht.warum man sich darüber aufregt das Theorien aufgestellt werden, echt ich kapiere es nicht. Wenn jemand Theorien zum Rollenspiel entwickeln will, ists doch in Ordnung, wenn ein neues, interessantes System dabei herauskommt freuts mich.
Und auch wenn ich mich dagegen wehre haben diese Theorien (so weit ich sie mir angeschaut habe) dazu geführt, dass ich über meine Art zu spielen (und zu leiten) nachgedacht habe.
Ein kleines Problem hätte ich nur damit, wenn irgendwer kommt und mir irgendetwas 'aufzwingen' will oder mich als 'dumm' bezeichnet, nur weil ich mich eben nicht mit diesen Theorien auseinandersetze (hat ja aber niemand gemacht)

Bin selbst kein Spieleentwickler, aber ich probiere gerne auch mal ein neues System aus und vor allem InSpectres hat mir auch viel Spaß gemacht.

mein kleines, unmassgebliches Fazit:
Theorie ist doch schön, wenn was dabei rumkommt ists noch besser und nur weil es mich nicht interessiert ist es nicht unnütz und ich hätte dann doch tatsächlich mal Interesse an einem Workshop for dummys.
Wenns hilft mir neue Horizonte zu eröffnen ist das was feines und zu einem gewissen Grad hat es das schon getan..
Es gibt drei Arten etwas zu tun. Die richtige Art, die falsche Art und die Dash Bannon Art.

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Re: Rant: Zu viel Theorie?!
« Antwort #67 am: 3.03.2005 | 16:17 »
Danke für die Richtigstellung! Das ist einleuchtend.
Darf ich Deinen letzten Absatz so verstehen, daß die Theorien diesen Grundanspruch nicht erfüllen, weil sie selber nicht mehr verständlich sind?

Nein, diese Theorien erfüllen den Grundanspruch nicht, weil niemand Argumente darlegt, die eine Übereinstimmung der Theorie mit der Wirklichkeit belegen. Elementarteilchenphysik ist auch nicht mehr verständlich. Die Physiologie des Gehirns auch nicht. Aber beide Theorien sind fundiert und alles andere als wertlos.
Aber solange nicht klar ist, daß die Theorie ein gültiges Modell der Wirklichkeit ist, ist ihre Anwendung auf praktische Belange nicht wirklich sinnvoll. Denn im Grunde ist so eine Theorie nichts weiter als ein Zusammenschluß von "Ich habe mal gehört, daß..." und "Jemand, der vorgibt Ahnung zu haben, behauptet...".
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Re: Rant: Zu viel Theorie?!
« Antwort #68 am: 3.03.2005 | 16:30 »
Schade für die ganzen Theaterwissenschaftler. Und die Filmwissenschaftler. Und die Sportwissenschaftler. Und die Regisseure und Drehbuchautoren. Und die Literaturwissenschaftler (Germanisten, Anglisten, Amerikanisten). Die beschäftigen sich nämlich alle auf hohem Niveau mit Freizeitbeschäftigungen (Theater, Fernsehen, Film, Lesen, Sport). Und du hast ihnen allen eben ganz einfach die Daseinsberechtigung abgesprochen. Super!

(...)

Und jetzt zur Überraschung: Rollenspiel ist Kunst.

(...)

"Any artist (including, for the sake of discussion, a roleplayer) who has studied the structure and theory of his medium approaches it in a very different way than does someone who has not undertaken the same study." - TonyLB auf The Forge

So, hier meine Meinung:

Ich bin so ein Anglist, Amerikanist und Germanist. Ich habe sogar meine Magisterarbeit über Rollenspiele als Literaturform geschrieben, bin also auch schuldig am Herumtheoretisieren. Aber, und deshalb habe ich auch das Zitat aus Fredis Sig dazugepackt:

Die Implikation (die ich jetzt nicht Fredi in die Schuhe schieben will), dass Theoriekenntnis automatisch auch einen Künstler gebiert, ist schlichtweg falsch. Ein Studium der Literaturwissenschaft macht einen nicht zu einem guten Autor, so wenig wie ein Studium der Philosophie einen zum Philosophen macht. Ein Studium der Rollenspiel-Theorie ist für 'besseres' oder auch nur 'gutes' Rollenspiel keine Voraussetzung - weder kann ein theoretisch nicht untermauertes Spiel nur schlecht sein, noch ist ein theoretisch untermauertes Spiel automatisch gut. Das ist leider etwas, das in den Theoriediskussionen viel zu oft mitschwingt. Meines Erachtens führt die ganze Beschäftigung mit der Theorie häufig nur dazu, dass man die Praxis aus der Sicht verliert. Genau deshalb spare ich mir die meisten Theoriediskussionen mittlerweile - sie lenken mich vom Spiel selbst ab, denn egal wie viel Theorie ich kenne, ob ich sie auch umsetzen kann, ist eine Talentfrage, keine Frage des Wissens.

Das ist ein fundamentaler Unterschied zwischen Theoriekenntnis in Geisteswissenschaften oder Künsten auf der einen und Naturwissenschaften auf der anderen Seite, denn bei den Naturwissenschaften gibt es objektive Wahrheiten, bei Geisteswissenschaften und Künsten nicht.

Robin
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Re: Rant: Zu viel Theorie?!
« Antwort #69 am: 3.03.2005 | 16:45 »
@Bitpicker: Als Anglist sollte dir allerdings klar sein das, zumindest in dem Quote das du zitiert hast nirgendwo behauptet wird das Theorie einen Deppen automatisch zum Künstler macht. Alles was es aussagt ist das jemand der sich [Kunst]Theorie beschäftigt anders an Kunst herangeht als jemand der das nicht tut, eine Tatsache die hier wohl keiner bezweifelt.

Das man ob all der Theorie die Praxis aus den Augen verliert ist eine legitime persönliche Angstvorstellung, aber kein Fakt.

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Re: Rant: Zu viel Theorie?!
« Antwort #70 am: 3.03.2005 | 16:52 »
Die Implikation (die ich jetzt nicht Fredi in die Schuhe schieben will), dass Theoriekenntnis automatisch auch einen Künstler gebiert, ist schlichtweg falsch.
Völlig richtig.

EDIT: Einen muss ich hier noch einschieben: Die Typen, die in einer Kneipe auf der Bühne was vorspielen machen Kleinkunst. Rollenspielen ist also so eine Art Kleinstkunst. :) Und die beteiligten Künstler (sprich "Spieler") sind auch gleichzeitig das Publikum! Schööön. :D

Zitat
Genau deshalb spare ich mir die meisten Theoriediskussionen mittlerweile - sie lenken mich vom Spiel selbst ab, denn egal wie viel Theorie ich kenne, ob ich sie auch umsetzen kann, ist eine Talentfrage, keine Frage des Wissens.
Und genau dem würde ich widersprechen. Umsetzung ist eine Mischung aus Erfahrung (im tatsächlichen Spiel), mehr Erfahrung (viele verschiedene Rollenspiele angesehen und angespielt zu haben) und theoretischem Wissen. Und vielleicht auch ein wenig Talent. Natürlich macht Theorie noch keinen Künstler. Und natürlich muss nicht jeder Künstler zwingend von Theorie profitieren. Aber es kann so sein und es ist IMO sogar sehr oft so. Schließlich hat die Malerei auch davon profitert, dass sich mal wer über die Gesetzmäßigkeiten der Perspektive Gedanken gemacht hat. Also: Theorie muss nicht gut sein, kann aber sehr wohl. Und die Praxis (InSpekters, Primetime Adventures uvm.) zeigt doch, dass sie wirklich einen ganz klaren, praktischen Nutzen hat.

mein kleines, unmassgebliches Fazit:
Theorie ist doch schön, wenn was dabei rumkommt ists noch besser und nur weil es mich nicht interessiert ist es nicht unnütz und ich hätte dann doch tatsächlich mal Interesse an einem Workshop for dummys.
Wenns hilft mir neue Horizonte zu eröffnen ist das was feines und zu einem gewissen Grad hat es das schon getan..
Und das ist IMO ein brilliantes Fazit, das meine Auffassung gut auf den Punkt bringt. Danke Dorin! :)
« Letzte Änderung: 3.03.2005 | 17:02 von Fredi der Elch »
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Zitat von: 1of3
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Re: Rant: Zu viel Theorie?!
« Antwort #71 am: 3.03.2005 | 17:05 »
Wer sich übrigens einen Überblick über die ganzen merkwürdigen Worte verschaffen möchte, kann mal in den Begriffsdefinitionen schauen.

http://tanelorn.net/index.php?topic=6541.msg115677

@Ludo: Da findet sich auch der Gamist.

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Re: Rant: Zu viel Theorie?!
« Antwort #72 am: 3.03.2005 | 17:54 »
Ich erspare dem Thread meine Meinung, die nur auf das Widerkäuen von schon Gesagtem rauslaufen würde. Weil ihr aber vielleicht gerne ein bisschen Resonanz bekommt: Fredi hat grundsätzlich Recht und Bitpicker hat da etwas Richtiges über den Nicht-Zusammenhang von Theorie und Praxis gesagt (was Fredis Position meiner Meinung nach nicht entwertet).

Das wichtigste Argument, das ich als interssierter Leser aus dem Thread mitgenommen habe ist, dass man schliesslich kein Theorieexperte sein muss, um von Spielen, die aufgrund theoretischer Überlegungen entstehen, zu profitieren. An anderer Stelle hier im Forum hat mal jemand sinngemäss geschrieben, nach eine Runde PtA wisse man, was Narr ist, auch wenn man es vielleicht nicht erklären könne. Und damit können doch eigentlich alle zufrieden sein. Minimal bekommt man tolle neue Spiele, über deren Entwicklungsgeschichte man null und nichts wissen muss, um damit grossartige Spielabende zu verbringen.

Zum Thema Jargon: Fachvokabular soll halt grade lange Diskussionsprozesse irgendwann mal eindampfen, in einen Begriff. Damit nicht die immer gleichen Diskussionen noch mal führen muss. Und damit relativ eng umgrenzt ist, wovon man redet, wenn man von etwas redet. Das hat leider zur Folge, dass man sich da einarbeiten muss, wenn man mitreden will. Solange diese Einarbeitung so vielen Leuten wie möglich offen steht, finde ich das auch nicht weiter schlimm.

Theoriediskusionen schaden keinem und nützen vielleicht nicht allen, aber vielen. Damit kann ich ganz gut leben.

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Re: Rant: Zu viel Theorie?!
« Antwort #73 am: 3.03.2005 | 20:42 »
Mal eingeworfen:

Wenn die Früchte dieser Theorie Spiele wie "Primetime Adventures" oder "My Life with Master" sind, dann sollen die Leute verflucht nochmal weiter theoretisieren. Lange hatte ich nicht mehr so das Gefühl etwas spannendes, neues zu spielen und viele der Dinge, der Sachen, die sie machen gefallen mir schlicht besser als die Mechanismen der Klassiker.
Als ganz einfaches Beispiel finde ich ein konfliktbasiertes System wie bei PtA um Welten besser als die handlungsbezogene Würfelei alter Spiele.
Wollt' ich nur mal gesagt haben...

Offline Bitpicker

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Re: Rant: Zu viel Theorie?!
« Antwort #74 am: 4.03.2005 | 08:07 »
@Bitpicker: Als Anglist sollte dir allerdings klar sein das, zumindest in dem Quote das du zitiert hast nirgendwo behauptet wird das Theorie einen Deppen automatisch zum Künstler macht. Alles was es aussagt ist das jemand der sich [Kunst]Theorie beschäftigt anders an Kunst herangeht als jemand der das nicht tut, eine Tatsache die hier wohl keiner bezweifelt.

Das man ob all der Theorie die Praxis aus den Augen verliert ist eine legitime persönliche Angstvorstellung, aber kein Fakt.

M

In dem Zitat ist durchaus nur von Künstlern die Rede - die Implikation, die ich hineinlese, lese ich allerdings vor allem deshalb hinein, weil ich weiß, von wem und von wo sie kommt (the Forge). Ich habe jahrelang die Newsgroup (wie hieß sie denn noch gleich) alt.games.advocacy (oder war es rec.games.frp.advocacy?) verfolgt, auf der bereits seit langemTheoriediskussionen liefen, und diese etwas elitäre und schlichtweg falsche Grundaussage schwang da sehr häufig mit. Mit einigen Leuten habe ich damals E-Mails ausgetauscht, und es war dort eine gewisse Tendenz zu erkennen, dass die Leute, die am wildesten theoretisierten, schon ewig nicht mehr gespielt hatten... Natürlich heißt das nicht, dass automatisch ein Kausalzusammenhang besteht, aber ich bemerke bei mir (und das ist keine persönliche Angst, aber eine persönliche Meinung): die Auseinandersetzung mit der Theorie, konkret damit, das Rollenspiel als eine Literaturform zu definieren, hat meine Wertschätzung des Mediums gehoben, aber die Qualität meines Leitens in keiner Weise verbessert.

Robin
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